Zentrum für Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung
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Stellungnahme: Institutionellen Rassismus an Universitäten benennen, erforschen und überwinden

Universitäten und Hochschulen in Deutschland sind - wie alle Institutionen und Lebensbereiche - geprägt von rassistischen Strukturen. Dies zeigt sich in der Personalstruktur und der Zusammensetzung der Studierendenschaft, aber auch in Forschungs- wie Studieninhalten. Historisch waren Universitäten zutiefst verstrickt in die Formulierung und Verbreitung rassistischer Ideologien und Vorstellungen. Die Kategorie "Rasse" ist eine wissenschaftliche Erfindung. Die modernen, sich als Theorie tarnenden Ideologien zu "Rasse", die rassistischen - und sexistischen - Verfahren der Vermessung, des Klassifizierens und der Hierarchisierung von Menschengruppen wurden an Universitäten entwickelt. Zu einem verantwortungsvollen wissenschaftlichen Umgang mit dieser Geschichte gehört es daher, rassistische, ebenso wie sexistische, antisemitische und andere diskriminierende, menschenfeindliche Einschreibungen in wissenschaftlichen Theorien und Technologien herauszuarbeiten und aufzuzeigen, wie diese in institutionellen Strukturen, aber auch in Fachkulturen und universitären Praktiken wirken. Auch für die Geschlechterforschung und die Gender Studies stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage, wie sie sich einbringen, "wenn es um rassistische Strukturen in der Wissenschaft und Formen des Widerstands geht".

In einem Interview mit dem Tagesspiegel (18.12.2020) weist Prof. Dr. Maisha Maureen Auma auf die weiße Hegemonie an deutschen Universitäten hin:

"Schwarzes Leben sehe ich in deutschen Universitäten vornehmlich ganz früh am Morgen oder ganz spät am Abend, wenn das Reinigungspersonal seine Arbeit beginnt. Tagsüber sind das immer noch weiße Institutionen, weitgehend homogene Milieus, die sich selbst reproduzieren."

In einem öffentlichen Gespräch zum Wissensschaftstag #4genderstudies ergründeten Prof. Dr. Auma und Dr. Céline Barry vor diesem Hintergrund aus Schwarzer feministischer Perspektive Wege einer antirassistischen, dekolonisierten, intersektionalen Wissenschaftspraxis.

Zuletzt lenkte die Black-Lives-Matter-Bewegung den Blick auf institutionellen Rassismus und die Unausweichlichkeit von Antirassismus. Das erfährt zunehmend breitere gesellschaftliche Aufmerksamkeit und Zustimmung. Auf diese demokratischen Fortschritte reagieren rechtspopulistische und rechtsextreme Kräfte mit Abwehr und Diffamierung, wie ein kürzlich erfolgter Angriff gegen Prof. Dr. Auma zeigt. 

Das ZIFG stellt sich entschieden gegen diesen Angriff auf unsere Kollegin.

Wir nehmen dies aber vor allem zum Anlass, die Relevanz der Intervention von Prof. Dr. Aumas zu unterstreichen und elementare Bausteine antirassistischer Politik und Wissensproduktion einmal mehr ins Bewusstsein zu rücken:   

- Es ist unabdingbar, strukturellen Rassismus in der Wissenschaft und den Hochschulen zu reflektieren: Wer kann wie teilnehmen? Wie ist Macht verteilt? Wie definiert Weißsein die Beziehungen innerhalb der Universität? Was sind die Regelwerke, aus denen struktureller Rassismus hervorgeht beziehungsweise ihn begünstigen, und wie funktionieren sie?

- Alle Barrieren, die rassistisch und intersektional marginalisierte Gruppen marginalisieren und ihnen den Zugang zu den Universitäten und Hochschulen erschweren beziehungsweise sie aus diesen ausschließen, müssen abgebaut werden.

- Dafür müssen die Hochschulen Maßnahmen zum Schutz vor Diskriminierung ergreifen und parteiliche Anlaufstellen für betroffene Personen und Gruppen einrichten; es müssen Beschwerdewege und Gegenstrategien bei Rassismusvorfällen erprobt und Empowerment-Räume und -Angebote für von Rassismus Betroffene eingerichtet werden.

- Es braucht mehr institutionalisiertes kritisches Wissen zu Rassismus sowie eine rassismuskritische, dekoloniale Wissensproduktion.

- Dekolonial akademische Beziehungen mit Universitäten und Wissenschaftler*innen im Globalen Süden müssen auf- und ausgebaut werden.

- Studiengänge und Curricula müssen im Sinne der kritischen Überprüfung, Überarbeitung und Erneuerung der akademischen Wissensbestände und Forschungsmethoden dekolonisiert werden

Das ZIFG beteiligt sich seit Langem daran, diese Agenda inhaltlich und institutionell voranzubringen. Aktuelle Beiträge des ZIFG, die die wissenschaftlichen Auseinandersetzungen mit strukturellem Rassismus in die öffentliche Diskussion bringen, sind hier die Veranstaltungen zum 4. Wissenschaftstag #4GenderStudies am 18. 12. 2020, die interdisziplinäre, universitätsöffentliche Ringvorlesung im Wintersemester 2020/21 zum Thema "Bildung dekolonisieren" sowie die daran anknüpfende neue Folge des ZIFG-Podcast "Voice Over".