Verfahrenstechnik

Transportvorgänge in reaktiven Newtonschen und nicht-Newtonschen Mehrphasensystemen

Leitung der Arbeitsgruppe

Raum MAR 2.051 / ACK 172
Sprechstundenach Vereinbarung, siehe ISIS-Kurs

Wissenschaftskommunikation

Forschungskonzept von Lutz Böhm

Meine Forschungsausrichtung nach der Promotion lässt sich zusammenfassen unter dem Titel „Transportvorgänge in reaktiven Newtonsche und nicht-Newtonschen Mehrphasensystemen“. Auch wenn dies ein sehr breites Themenfeld umfasst, beschreibt es meine Forschungsschwerpunkte dann doch allumfänglich. Hierbei liegt eindeutig die Grundlagenforschung im Fokus, was man daran erkennt, dass die erfolgreichen Projektanträge alle bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gestellt wurden (Details siehe auch Lebenslauf). Ohne offiziell Beantragender zu sein, war ich darüber hinaus maßgeblich an erfolgreichen Anträgen der universitätsinternen Strukturförderung und einem AiF-ZIM-Antrag in Zusammenarbeit mit mehreren „kleinen und mittelständischen Unternehmen“ beteiligt.

Die meisten dieser Anträge sind Projekte in Rahmen von Verbünden (Sonderforschungsbereich, Schwerpunktprogramme, AiF-ZIM), was ich für eine sehr erstrebenswerte Form der Projektbearbeitung halte, da oft in der Gruppe mit verschiedensten Ansätzen mehr erreicht werden kann, als wenn man allein arbeitet. Nichtsdestotrotz sind Einzelanträge zur Weiterentwicklung eigener Ideen und stärkeren Profilierung des Forschungsfeldes auch enorm wichtig.

Anhand der Stichworte im zusammenfassenden Titel möchte ich kurz ausführen, was aktuelle und zukünftige Forschungsschwerpunkte darstellen.

Transportvorgänge“ umfassen hierbei Energie-, Impuls- und Stofftransport. Numerische (Stichwort: Computational Fluid Dynamics) und experimentelle Untersuchungen gehen hierbei Hand in Hand. Bei Letzteren sind insbesondere optischen Messtechniken wie Particle Image Velocimetry, Laser Induced Fluorescence oder auch Rainbow Schlieren nützliche Werkzeuge. Im Bereich der Grundlagenforschung können hierbei Messtechnikentwicklung und die Untersuchung der eigentlichen Zielgrößen selten getrennt betrachtet werden, da man meist bis an Grenzen etablierter Messtechniken herangeht.

Newtonsch und nicht-Newtonsch“ steht hier repräsentativ für die Grundlage aller Messungen im Bereich der Transportvorgänge, nämlich die Stoffgrößenmessung. Hierzu gehören Dichtemessungen, das breite Feld Grenzflächenspannung und auch die Rheologie, die insbesondere im Bereich der nicht-Newtonschen Medien diverser Messtechniken bedarf, um diese Fluide mit möglichst genauen Modellen beschreiben zu können.

Reaktive Mehrphasensysteme“ umfasst Systeme mit mindestens zwei Phasen, bei denen bspw. eine übergehende Komponente in einer nachgeschalteten Reaktion verbraucht wird. Zur Beschreibung reichen hier klassische Stoffübergangskorrelationen nicht mehr aus. Die Untersuchung nicht nur globaler sondern auch lokaler fluiddynamischer Bedingungen und lokaler Stofftransportphänomene, speziell in Flüssig/Flüssig- oder Gas/Flüssig-Systemen ggf. mit grenzflächenaktiven Stoffen weist ein breites Forschungsfeld mit diversen zu untersuchenden Apparateformen auf. Beispielhaft sei hier auf laufende und abgeschlossene Projekte mit Bezug zum Rührkessel und der Blasensäule verwiesen. Insbesondere auf der Apparateebene spielt auch Additive Manufacturing immer mehr eine Rolle, da nun die Herstellung geometrische Formen möglich ist, die bisher mittels Abspanens, insbesondere auch in der entsprechenden Geschwindigkeit, nicht herstellbar waren. Beispielhaft seien hier Versuchsreihen mit neuartigen Rührertypen in biologischen Rührkesselreaktoren genannt, die im Rahmen des Schwerpunktprogramms SPP1934 untersucht werden. Auch bei Festbetten und Packungskolonnen eröffnet sich hier ein großes Potential der Prozessintensivierung durch neuartige Einbauten. Der Bezug zu biotechnologischen Themen (z.B. Kultivierung im Rührkessel, Abwasserreinigung in der Blasensäule mit Membranfiltration) bietet hier weitere Motivation mit spezifischen Fragestellungen.

Die große Klammer um die diversen Forschungsschwerpunkte stellen hierbei zwei Themen dar: Statistische Auswertung und Mess- und Regelungstechnik.

Mit sich immer weiter entwickelnder Messtechnik, beispielhaft sei hier die Entwicklung im Bereich der Hochgeschwindigkeitskameras genannt, und immer günstiger werdender Rechenleistung und Speichermöglichkeit, ist hier immer stärker die Tendenz zur Generierung immenser Datenmengen zu erkennen. Hierbei sollte der Weg jedoch nicht bei Big Data stehen bleiben, sondern es ist die Aufgabe mit geeigneten informationstechnischen (z.B. physics-guided neural networks) und statistischen Mitteln (z.B. Statistische Versuchsplanung) hin zu Smart Data zu kommen. Statistische Methoden sind daher ein notwendiges Mittel, um von diskreten Messwerten zu allgemeingültigen Modellen zu kommen.

Zuletzt möchte hier noch das Thema Mess- und Regelungstechnik anreißen. Zur Generierung einer statistisch notwendigen Datenmenge sind eine ausreichende Menge von Versuchen nötig. Um dies zu bewerkstelligen, kann auch hier durch steigende Rechenleistung immer stärker die Automatisierung von Versuchsanlagen beitragen. Vom Automatisierungsgrad einiger Anlagen her, auch im Rahmen meiner Projekte, ist es heute kein großer Schritt mehr hin zur Einbindung des Themas Robotik in den Forschungsalltag in der Verfahrenstechnik. Beispielhaft sei hier das automatische Mitführen einer Kamera beim Aufstieg einer Blase basierend auf Liveauswertung der Bilddaten genannt oder auch automatisches Abfahren definierter Messpunkte in einem Apparat mit einer Messsonde. Ich möchte in der Zukunft dem Thema Robotik in der Verfahrenstechnik mehr Aufmerksamkeit widmen und hier u.a. mit Hilfe von Cobots (collaborative robots) die Unterstützung von Forscher*innen im Forschungsalltag verbessern. Es geht hier nicht um das Ersetzen des Menschen im Labor, da der „verfahrenstechnische Verstand“ hier nicht ersetzt werden kann, sondern um das Übernehmen von sich wiederholenden Routineaufgaben und ggf. der Erweiterung des Parameterraums, da im besten Fall mehr Versuche pro Zeiteinheit möglich sind.

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Offiziell (mit-)eingeworbene Drittmittel (seit 2016) ca. 1,7 M€ (inoffiziell beteiligt ca. +0.3 M€)

Offizieller (Mit-)Antragsteller DFG Gepris       

  • SPP1740 “Stoffübergang von aufsteigenden Blasen in reagierenden Flüssigphasen” (2. Förderperiode)
  • SPP1934 “Interaktion der mechanischen Beanspruchung und der Produktivität von biologischen Agglomeraten in Rührfermentern” (1. & 2. Förderperiode)
  • SFB/TR63 A10 “Gas/Flüssigkeits-Stofftransport in reagierenden Phasensystemen” (3. Förderperiode)
  • DFG Sachbeihilfe “Ortsaufgelöste Messung von instationären Konzentrations- und Temperaturfeldern mittels Schlieren- und LIF-Messtechnik” 

Außerdem Betreuung von

  • Verbundprojekt Sens-O-Mix; Teil 4: Modellierung von Suspensionen
  • Optimierung der Biogaserzeugung mit dem Ziel der Maximierung der Energiegewinnung durch anaerobe Behandlung von Zuckerrübenschnitzeln
  • Experimentelle und CFD-basierte Untersuchung der mechanischen Belastung von filamentösen Mikroorganismen in Rührkesselreaktoren