
Die Arbeitsgruppe Optoelektronik und Quantenbauelemente des Instituts für Festkörperphysik der TU Berlin wird im Rahmen des Verbundprojekts Quantenrepeater (QR.X) des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) bis zum Jahr 2024 gefördert. Dabei sollen erstmals praktikable „Quantenrepeater“-Gesamtsysteme entwickelt werden. Diese sind für den Austausch von Quantenschlüsseln zur abhörsicheren Datenübertragung über große Entfernungen jenseits von etwa 100 km unentbehrlich, weil sie Übertragungsverluste in langen Glasfaserleitungen kompensieren. Die Arbeitsgruppe unter Leitung von Prof. Dr. Stephan Reitzenstein arbeitet hierzu an sogenannten Quantenpunkt-Molekülen in Halbleitern. Sie können in zukünftigen Quantenrepeatern als Quelle und Speicher von einzelnen Lichtteilchen dienen, die dann direkt aus dem Halbleiter in Glasfaserkabel eingespeist werden.
Es wäre der Supergau für den Datenschutz: Wenn in wenigen Jahren voraussichtlich leistungsfähige Quantencomputer zur Verfügung stehen, könnten diese unsere heutigen Verschlüsselungsverfahren ohne Aufwand knacken. Davon wäre nicht nur sensibler Datenaustausch betroffen – wie zum Beispiel Banking oder Messengerdienste –, auch andere, heute noch gut geschützte Geheimnisse lägen offen wie ein Buch. Forschende arbeiten deshalb weltweit mit Hochdruck an der sogenannten Quantenkryptografie, die durch quantenphysikalische Prinzipien von Natur aus sicher ist.
Grundlage hierfür sind Paare von Lichtteilchen (Photonen), die eigentlich kleine Pakete von Lichtwellen darstellen. Über spezielle Verfahren kann man diese Photonenpaare „verschränken“: Misst man an dem einen Partner eine bestimmte Größe, zum Beispiel die Schwingungsrichtung seiner Lichtwelle, stellt sich damit automatisch beim anderen Partner der gleiche Wert ein. Ist bei einem Photon die Schwingungsrichtung etwa horizontal, ist sie beim anderen ebenfalls horizontal. Schwingt die Welle des einen Photons nach einer Messung vertikal, wird man bei einer Messung des anderen auch eine vertikale Schwingung feststellen. Diese Verschränkung bleibt über beliebig große Distanzen aufrechterhalten. Zugleich sind die gemessenen Werte rein zufällig: Ob die beiden Photonen bei einer Messung eine vertikale oder eine horizontale Schwingungsrichtung zeigen, ist vor der Messung völlig unbestimmt.
Photonen haben in Glasfasern keine große Reichweite
Definiert man nun etwa „horizontal“ als 1 und „vertikal“ als 0, kann man mit Hilfe von verschränkten Photonenpaaren zufällige, digitale Schlüssel zwischen zwei Orten A und B austauschen. Dazu erzeugt etwa A ein Photonenpaar, behält eines der Photonen und sendet das andere nach B. An beiden Orten werden die Photonen dann gemessen und entscheiden sich ganz zufällig für 0 oder 1. Dies ist die Grundlage der Quantenkryptografie. Dabei gibt es aber einen Haken: „Ein großes Problem ist, dass bei großen Entfernungen die Photonen in den Glasfaserleitungen durch Absorption im Glas verloren gehen“, erklärt der Arbeitsgruppenleiter Stephan Reitzenstein. So würde bereits bei einer Übertragungsstrecke von 100 Kilometern nur noch eines von 100 Photonen den Empfänger erreichen. „Leider kann man die Lichtsignale nicht einfach verstärken wie in der klassischen Informationstechnik, denn jede Verstärkung würde einer Messung gleichkommen, die den unbestimmten quantenmechanischen Zustand der Photonen aufhebt.“
Quantenrepeater ermöglichen Quanten-Internet
Die Lösung für dieses Problem sind sogenannte Quantenrepeater in der Mitte der Leitungen. Sie übernehmen die Erzeugung der verschränkten Photonenpaare, von denen sie einen Partner jeweils zu einem Ende der Leitung schicken. Dadurch wird die Strecke halbiert, die die Photonen durchlaufen müssen. Dieses System kann bei Bedarf durch den Einsatz zusätzlicher Repeater, die die Strecken immer wieder halbieren, erweitert werden. Dadurch kann prinzipiell ein weltumspannendes Quantennetzwerk – das so genannte Quanten-Internet – realisiert werden.
Quantenpunkt-Moleküle zum Speichern und Versenden von Photonen
„Da bei einem Einsatz der Repeater Zeitverzögerungen entstehen können, ist es notwendig, dass diese sowie die Empfangsstationen für die Photonen über Zwischenspeicher für die Quanteninformation verfügen“, sagt Reitzenstein. Hier kommt nun die Expertise seiner Arbeitsgruppe ins Spiel: Quantenpunkt-Moleküle. „Jeder Quantenpunkt ist eine Anhäufung von etwa eintausend Atomen“, sagt Reitzenstein. „Ein Quantenpunkt-Molekül besteht einfach aus zwei benachbarten Quantenpunkten im Abstand von etwa fünf bis zehn Milliardstel Metern.“ Aufgrund ihrer Nähe beeinflussen sich die Quantenpunkte gegenseitig quantenmechanisch. Dadurch können sie sowohl verschränkte Photonen produzieren – wenn man sie mit einem Laser anregt – wie auch die Information von Lichtteilchen speichern. Eingebettet sind die Quantenpunkte in ein Halbleiter-Bauelement, das die für das Verfahren nötigen Oberflächenstrukturen mitbringt
Steigerung der Effizienz auf fast 100 Prozent
Ziel der Arbeitsgruppe im Projekt QR.X ist es, mit ihrer Technik erste Quantenrepeater-Netzwerke auszustatten. Mittlerweile können sie ihre Bauelemente direkt in Glasfaserleitungen integrieren, was in einem zukünftigen Quantennetzwerk Platz und Kosten sparen würde. Zur Herstellung dient ihnen eine weltweit einmalige Lithografie-Anlage. Sie kann nicht nur mit Hilfe eines Elektronenstrahls und eines Ätzverfahrens die notwendigen Strukturen in das Halbleitermaterial einschreiben, sondern auch die Quantenpunkte mit einem Lichtdetektor aufspüren. Damit kann die Effizienz bei der Herstellung der Bauelemente erheblich gesteigert werden. Denn der Prozess der Bildung von Quantenpunkten ist selbstorganisiert, das heißt die Quantenpunkte verteilen sich völlig zufällig im Halbleitermaterial. Bisher war es deshalb Glückssache, ob die von den Forschenden anschließend aufgebrachten Strukturen überhaupt einen Quantenpunkt oder gar ein Quantenpunkt-Molekül treffen. Mit der neuen Lithografie-Anlage können sie nun aber die Quantenpunkte aufspüren und passgenau in die Halbleiter-Strukturen aufbringen. „Auf diese Weise lässt sich die Ausbeute an Photonen von etwa einem Prozent auf nahezu 100 Prozent steigern, was essentiell für hohe Datenübertragungsraten im zukünftigen Quanten-Internet ist“, erklärt Reitzenstein.
Das Verbundprojekt
Im Verbund Quantenrepeater (QR.X) haben sich 43 Partner aus universitären Forschungseinrichtungen, wirtschaftsnahen Instituten sowie verschiedenen Unternehmen wie der Deutschen Telekom zusammengeschlossen. Gefördert wird es vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit insgesamt 35,2 Millionen Euro bis zum Jahr 2024.
Einrichtung | Institut für Festkörperphysik |
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