Im Quartier Boxhagener Platz, das durch klassische Hotellerie, Hostels und viele Airbnb-Ferienwohnungen und einen Wandel des Gewerbes und der Dienstleistungen geprägt ist, die dezidiert Touristen als Kunden im Blick haben, wurde der Tourismus sowohl als belebend und bereichernd, als auch als störend empfunden. „Insgesamt zeigte sich dort ein sehr ausdifferenziertes Meinungsbild“, so Prof. Dr. Kristin Wellner. Im Reuterkiez mit vielen Airbnb-Wohnungen und wenigen Hotels, der zu einem Szeneviertel aufsteigt, registrieren die Anwohner eine Tendenz zur Touristifizierung, was kritisch gesehen wird. Am Askanischen Platz ebenfalls mit viel klassischer Hotellerie, Jugendherbergen, aber weniger Airbnb-Ferienwohnungen fühlten sich die Befragten vor allem von den vielen Touristenbussen mit Schülern, zunehmendem Lärm und dem Schwinden von Parkplätzen gestört. „Werden die Alltagsräume von den Touristen mitgenutzt oder gar okkupiert, nehmen das die Anwohner im Viertel des Askanischen Platzes als problematisch wahr“, so Dr. Claudia Ba.
Ganz anders das Bild in der Scharnweberstraße in Reinickendorf, bislang von Touristenströmen unbehelligt. „Dort wünschen sich die Bewohnerinnen und Bewohner unter anderem auch Tourismus, weil sie sich davon eine Aufwertung ihres Viertels versprechen, geknüpft an die Hoffnung – so formulierten es die Befragten –, dass dann die Anwohnerinnen und Anwohner aus Südosteuropa verdrängt würden, die sich dann die Mieten nicht mehr leisten könnten“, konstatiert Dr. Claudia Ba.
Eine weitere neue Erkenntnis der Forschungen war, dass der Begriff der Wohnqualität, der in der Immobilienbranche oft nur durch die Lage, die Ausstattung und die Größe einer Wohnung bestimmt wird, von den Menschen viel weiter gefasst wird und die Bewertung stark davon beeinflusst ist, ob man in seiner Wohnung, im Haus und im Wohnumfeld über ein hohes Maß an Autonomie verfügt, die zum Beispiel über das eigene Bleiben entscheidet. Autonomie meint hier die Eigenbestimmung darüber, wo man wohnt, ob man Einfluss nehmen kann auf das Leben im Haus und Kiez und ob man Gleichgesinnte um sich hat, mit denen man sich über ähnliche Lebenslagen sowie geteilte Normen und Werte austauschen kann.
„Wir haben in allen vier Quartieren eine Befürchtung vor Verdrängung durch Aufwertungen sowie steigende Mieten registriert. Wir sprechen in diesem Zusammenhang von einer Verdrängungsfurcht“, sagt Dr. Claudia Ba. Und an diesen Wahrnehmungen steigender Mieten und die sukzessive Verdrängung der angestammten Bewohnerinnen und Bewohner habe auch der Tourismus einen Anteil. Denn wenn Wohnungen in Ferienwohnungen umgewandelt würden, verknappe sich das Gut Wohnung, das Angebot sinkt und die Miete steigt. „Aber“, ergänzt Wellner, „wir können es nicht quantitativ bemessen, um wie viel Cent eine Airbnb-Wohnung die Mieten im Umkreis von 300/400 Metern steigen lässt. Diese Berechnung müsste zu viele unbekannte, verfälschende Einflüsse auf die Mietentwicklung berücksichtigen wie beispielsweise den allgemeinen Mietanstieg aufgrund von Bevölkerungszuwachs und die steigenden Einkommen. Der Effekt der Ferienwohnungen ist nicht wissenschaftlich korrekt eliminierbar und damit nicht bestimmbar.“
Neben dem Wunsch nach Sicherheit, die eigene Wohnung als Rückzugsort behalten zu können, spielen auch Aspekte der Umwelt wie Lärm und Schmutz sowie die Einbindung in die Nachbarschaft eine wichtige Rolle, ob die Wohnqualität als gut oder schlecht wahrgenommen wird. Prof. Dr. Kristin Wellner: „Diese Faktoren sind für die Berlinerinnen und Berliner, so unsere Feststellung, für die Wohnzufriedenheit entscheidender als Fußbodenheizung oder freistehende Badewanne.“
Einrichtung | Planungs- und Bauökonomie/Immobilienwirtschaft |
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