Zwei Verbundprojekte, die die TU Berlin koordiniert, wurden von einer Jury aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft ausgewählt und gehören zu den 15 neuen Citizen Science-Projekten, die das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert. Insgesamt stehen rund vier Jahre neun Millionen Euro zur Verfügung.
Das Bürgerforschungsprojekt der TU Berlin „Mein Ding – Ich bin, was ich (nicht) habe“ untersucht, welche Besitztümer notwendig sind und wovon man sich - mehr oder weniger schweren Herzens - trennen könnte. Das zweite Projekt der TU Berlin „Wohnqualität – Forschen mit Kindern und Jugendlichen zur Wohnqualität in der Großwohnsiedlung“ erkundet mit Kindern und Jugendlichen in der Berliner Großwohnsiedlung Neu-Hohenschönhausen die Schönheiten und Widrigkeiten ihrer Umgebung.
Haushalte sind zunehmend mit vielfältigen Gebrauchsgütern ausgestattet. Die TU Berlin koordiniert ein Verbundprojekt mit ConPolicy – Institut für Verbraucherpolitik, Co2online, Life e.V., Future Fashion Forward e.V. und der Verbraucherzentrale Berlin, in dem Bürgerwissenschaftler*innen zunächst bei sich selbst, dann auch bei anderen Proband*innen in ihrem Umfeld ausprobieren, welche Gegenstände sie abgeben könnten. Die Reflektion und anschließende Reduktion von Besitz sollen aufzeigen, welcher Konsum im Grunde genommen ausreicht, ohne als unangenehmer Verzicht wahrgenommen zu werden.
Der steigende Wohnungsbedarf in Berlin erfordert rasche Neubauten. Wohngebiete verdichten sich. Großwohnsiedlungen scheinen nach einer langen Zeit der Kritik wieder eine Lösung für die Wohnungsfrage zu sein. „Wir wollen dazu beitragen, dass Wohnquartiere so geplant und gebaut werden können, dass die zukünftigen Bewohner*innen sich darin wohl fühlen“, erklärt Prof. Dr. Kristin Wellner, Dekanin der Fakultät Planen Bauen Umwelt an der TU Berlin. Prof. Jörg Stollmann, Fachgebiet für Städtebau und Urbanisierung an der TU Berlin, fügt hinzu: „Die Umgebung, in der wir wohnen, ist ein selbstverständlicher Bestandteil unseres Lebens, über den wir häufig nicht nachdenken. Vielen Menschen ist nicht bewusst, ob und warum sie sich wohl fühlen. In unserem Projekt treffen wir uns mit den Kindern und Jugendlichen vor Ort und tauchen in ihren Alltag ein. Dabei fällt ihnen immer wieder etwas auf, was sie nicht missen wollen.“ Diese Kennzeichen gefühlter Wohnqualität erfassen die Wissenschaftler*innen der TU Berlin mit ihren Kooperationspartner*innen, zu denen unter anderem das Kompetenzzentrum Großsiedlungen e.V., der Verein für aktive Vielfalt e.V., die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen sowie die Stiftung Stadtkultur der HOWOGE gehören. Sie untersuchen, ob sich daraus Kriterien ableiten lassen, die bei der Stadtplanung und dem Wohnungsbau berücksichtigt werden sollten.
Zu den elf Mitgliedern der Jury unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Dr. Ortwin Renn, wissenschaftlicher Direktor am Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS), gehörten Wissenschaftler*innen ebenso wie zivilgesellschaftliche Akteur*innen.
Bei Citizen Science sind Bürger*innen gefragt: Sie stellen der Wissenschaft ihr Erfahrungswissen und ihre Alltagsexpertise zur Verfügung. Dadurch erhält die Forschung direkte Impulse, welche Fragen, Herausforderungen und Wünsche die Gesellschaft bewegen. Gleichzeitig bietet dieser Wissensaustausch den Bürger*innen einen persönlichen Zugang zur Forschung. Sie erleben die oft als abstrakt empfundene Wissenschaft im unmittelbaren Kontakt.
Gemeinsam mit der Plattform „Bürger schaffen Wissen“, die von Wissenschaft im Dialog und dem Museum für Naturkunde Berlin getragen wird, veranstaltet die TU Berlin außerdem das (digitale) Forum Citizen Science vom 6. bis 8. Mai 2021 und geht der Frage nach: „Vertrauen, Wirkung, Wandel: Citizen Science als Antrieb von Veränderung?“
„Das Forum soll einen Denk- und Reflexionsraum bieten für selbstkritische Fragen“, fasst Dr. Audrey-Catherine Podann zusammen. „Setzt Citizen Science das Potenzial um, Vertrauen zwischen Wissensschaffenden mit unterschiedlicher Expertise aufzubauen? Welche Wirkung hat Citizen Science in den letzten Jahren in Wissenschaft, Politik und Gesellschaft? Wie lässt sich diese Wirkung überhaupt erfassen? Welchen Wandel kann Citizen Science herbeiführen? Wo gibt es neue Felder für Citizen Science und wo ist der Forschungsansatz bereits gut etabliert?“
Projektinitiator*innen, Wissenschaftskommunikator*innen, gesellschaftliche und politische Akteur*innen sowie interessierte Bürgerforscher*innen sind eingeladen zum Austausch und Vernetzen.
Dr.
Audrey-Catherine Podann
Referentin für strategische Projekte/Transdisziplinarität