Marsch durch die Institution

Wie Vizepräsident Stephan Völker den Charme der Administration entdeckte

Wie wird jemand, der auf Gremienarbeit gar nicht so viel Lust hat, erst Dekan, dann Mitglied im Akademischen Senat, dann im Kuratorium und schließlich erster Vizepräsident der TU Berlin? Prof. Dr.-Ing. Stephan Völker lacht, was er im Gespräch häufiger tut. Gerade hat er erklärt, dass er an der Universität Paderborn als Forschungsdozent sehr froh war, nicht in irgendwelchen Kommissionen sitzen zu müssen. „Das ist ja das Schlimme an den heutigen Juniorprofessuren, dass man sich eigentlich in der Forschung beweisen muss und gleichzeitig schon den ganzen administrativen Stress hat.“ Völker dagegen konnte ungestört an seiner Habilitation arbeiten, nachdem er vom Scheinwerferhersteller Hella zurück an die Uni gekommen war.

Warum also so viel Engagement in Gremien, seit er 2008 von Paderborn an die TU Berlin wechselte, um das älteste Fachgebiet für Lichttechnik in Deutschland zu leiten? „Zum Prodekan für Forschung musste man mich noch überreden“, sagt Völker. Danach aber hat er sich freiwillig in Verwaltungsangelegenheiten eingemischt. Das hat etwas zu tun mit seinem Sinn für Gerechtigkeit und seinem Verständnis von Führung. Und vielleicht mit seiner Vergangenheit: Völker studiert zu DDR-Zeiten an der TU Ilmenau zunächst Energietechnik, promoviert nach der Wende aber in Lichttechnik. Mit dem real existierenden Sozialismus hat er nicht viel am Hut, wird zweiter Vorsitzender der 60 Mitglieder kleinen katholischen Studierendengemeinde. „Sie sehen“, sagt er dazu, „die zweite Position hat mir schon damals gut gestanden. Man kann viel bewegen und ist doch nicht so im Rampenlicht.“ Und er wird – wie es in der DDR viel üblicher war als heute – bereits als Student Vater. Dem Sohn sollten später noch vier Kinder folgen.

„Führen ist eine Dienstleistung. Dessen muss man sich immer bewusst sein.“

Trotzdem findet Stephan Völker während der Dissertation Zeit, ein Fernstudium der Deutschen Bischofskonferenz in Theologie und Philosophie zu belegen und auch abzuschließen. „Ich hatte schon als Abiturient in Erfurt das Glück, mit Assistenten des dortigen Priesterseminars völlig frei über aktive Sterbehilfe oder Nietzsche diskutieren zu können. Daran wollte ich anknüpfen.“ Ob damals die Grundlage für seinen Gerechtigkeitssinn gelegt wurde? Das mag Völker nicht beurteilen. Geschärft hat den jedenfalls ein Problem unserer Universität: der Mangel an Flächen.

„Ich fand es einfach unfair, dass jemand Räume ‚hortet‘ während Kolleg*innen beengt forschen müssen“, sagt er. Auch bei Berufungsverhandlungen sei die Flächenproblematik immer Thema gewesen. Als Dekan konnte Völker mithelfen, den Mangel zumindest gerechter zu verteilen. Was seinen Marsch durch die Institutionen zudem beförderte: Drei Tage nach Dienstantritt als Dekan wechselte sein Verwaltungsleiter ins Büro der Kanzlerin. „Ich musste mich also selbst tief in die Arbeitsabläufe reindenken, das hat mir später sehr geholfen.“ Dieses Wissen wollte Völker dann auch im Akademischen Senat einbringen. Und war damit so erfolgreich, dass man ihn fragte, ob er einziger Vertreter der Hochschullehrer*innen im Kuratorium werden wolle.

Konnte er da vielleicht auch seine Führungserfahrung als fünffacher Vater einbringen? „Ich will die Gremienmitglieder jetzt nicht mit Kindern vergleichen. Aber ja, natürlich lernt man als Vater sehr intensiv, wie Menschen ticken, wie man motiviert und was passiert, wenn man nicht konsequent ist.“ Dabei sei gute Führung ohne Beteiligung aller nicht möglich. „Eigentlich ist Führen eine Dienstleistung, dessen muss man sich immer bewusst sein.“ Der Beteiligungsgedanke verbindet ihn auch mit Präsidentin Geraldine Rauch. Sie hatte ihn nach der Diskussion im Kuratorium mit den Kandidat*innen abends noch angerufen, ob er in ihrem Team mitmachen wolle. Nun leitet das Präsidium einen intensiven Beteiligungsprozess an der TU Berlin ein. Die Kraft dafür wird sich Stephan Völker bei einem Hobby holen, bei dem es auf eine ganz andere Art von Führung ankommt: Er tanzt seit seinem 35. Lebensjahr mehrmals in der Woche. „Standard, für Latein bin ich zu alt“, sagt Völker – und lacht.

Autor: Wolfgang Richter