Von der Schönheit pomologischer Pausbäckigkeit

Spaziergang durch Deutschlands größte Spezialbibliothek für Gartenliteratur

Der Band „Deutschlands Kernobstsorten“, illustriert mit bestechend schönen Zeichnungen, ist eine Besonderheit. Von hohem Wert auch das pomologische Werk August Friedrich Adrian Diels (1756–1839). Darin beschreibt er über tausend Obstsorten, viele zum ersten Mal. Die „Pflaumenmonografie“, ausgestattet mit bezaubernd fein kolorierten Tafeln, ist die erste ihrer Art überhaupt. Das „Illustrirte Handbuch der Obstkunde“ gilt als das Standardwerk der Pomologie, der Obstbaukunde. Es zeichnet sich durch eine systematische Ordnung des Sortenbestandes aus, die mit dem wissenschaftlichen Klassifikationssystems Carl von Linnés (1707–1778) vergleichbar ist. Und waren all diese Werke zuvor noch mit Hand koloriert worden, wurde bei der Darstellung der „Schweizerische(n) Obstsorten 1863 – 1872“ die Technik der Farblithografie zur Illustration angewandt.

Die genannten Werke sind allesamt bibliophile Raritäten. Sie befinden sich in der Deutschen Gartenbaubibliothek, der größten Spezialbibliothek für Gartenliteratur in Deutschland. 1965 wurde sie unter ihrer ursprünglichen Bezeichnung „Bücherei des Deutschen Gartenbaues“ in den Bestand der Universitätsbibliothek der TU Berlin aufgenommen. Diese Sondersammlung umfasst heute mehr als 55.000 Bände – untergliedert in Monografien, Zeitschriften und zahlreiche Sonderbestände.

Zu den Monografien zählen unter anderem das älteste Gartenbuch aus dem Jahr 1529, seltene Buchgattungen aus früheren Jahrhunderten wie Kräuterbücher, Kunst- und Wunderbücher, prachtvolle Stich- und Tafelwerke. Juwelen unter den Monografien sind die eingangs erwähnten pomologischen Werke, die auch digitalisiert vorliegen und online verfügbar sind. „Anliegen der Digitalisierung war es, das Wissen über traditionelle und zum Teil vergessene Obstsorten für Fachleute wie Interessierte besser zugänglich zu machen, da es einen Trend gibt, alte Sorten wieder vermehrt anzubauen angesichts schwindender Resistenz im modernen Obstanbau und zunehmender Allergien in der Bevölkerung“, sagt Kerstin Ebell, Leiterin der Deutschen Gartenbaubibliothek.

Die Monografien sind nach Sachgebieten gegliedert, wie zum Beispiel Agrarwesen, Gartengestaltung, Gemüse- und Obstbau, Phytopathologie und Pflanzenschutz, Zierpflanzen und Floristik.

Sowohl historische Gartenzeitschriften, darunter der „Gartenkalender“ aus dem Jahr 1783 – er ist das älteste Periodikum der Deutschen Gartenbaubibliothek – als auch mehr als 110 aktuelle Gartenbauzeitschriften finden sich in der Zeitschriftensammlung. Ihre Themen reichen von Botanik über Gartenbaupraxis und Gartenkunst bis hin zu wissenschaftlichen Forschungsergebnissen.

Die Sonderbestände umfassen gärtnerische Firmenkataloge, zahlreiche Sonderschriften sowie Kataloge von Gartenbauausstellungen und eine Plakatsammlung. Ferner eine umfangreiche biografische Sammlung über Personen, die im Gartenbau tätig waren – zusammengetragen in der „Gärtnerdatenbank“ mit über 15.000 Quellenhinweisen. Den Sonderbeständen ebenfalls zugeordnet ist die in Leder gebundene und mit Goldschnitt versehene Friesen’sche Sammlung – eine Preziose aus dem 19. Jahrhundert, bestehend aus 83 Kassetten mit überwiegend farbig illustrierten, künstlerisch hochwertigen Darstellungen tausender Obstsorten und dazugehörigen Beschreibungen. „Sie ist von großer wissenschaftlicher Bedeutung, da sie eine Zusammenfassung obstkundlicher Erkenntnisse darstellt“, so  Kerstin Ebell. Des Weiteren finden sich unter den Sonderbeständen Nachlassteile des Botanikers Robert Zander (1892–1969). Zu den wichtigsten Werken des langjährigen Leiters der Bücherei des Deutschen Gartenbaues zählen der „Zander. Handwörterbuch der Pflanzennamen“ und die „Dokumentationskartei Gartenbau“ mit circa 180.000 Quellenangaben aus historischen gartenbaulichen Zeitschriften. Die Kartei wird zurzeit im Auftrag der Universitätsbibliothek digitalisiert.

Autorin: Sybille Nitsche

Aus vielen wurde eine: Geschichte der Deutschen Gartenbaubibliothek

Mitte der 1920er-Jahre entwickelte der Botaniker Robert Zander die Idee, die bedeutendsten Fachbüchereien von Gartenbauvereinen und Pflanzenliebhabergesellschaften in Deutschland, die im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts zahlreich entstanden waren, in einer zentralen Gartenbaubibliothek in Berlin zusammenzuführen. Umgesetzt wurde diese Idee jedoch erst in den 1930er-Jahren nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten. Den Grundstock der Bücherei des Deutschen Gartenbaues bilden sechs Sammlungen, darunter die der Deutschen Gartenbau-Gesellschaft. Diese war 1910 aus dem 1822 gegründeten „Verein zur Beförderung des Gartenbaus in den Königlich Preussischen Staaten“ hervorgegangen. Den Zweiten Weltkrieg überstand die „Bücherei“ weitestgehend unversehrt. Nach 1945 machten ihr aber massive finanzielle Probleme zu schaffen. Der 1952 als Sachverwalter der Bibliothek wieder gegründeten Bücherei des Deutschen Gartenbaues e.V. gelang es schließlich 1965, sie als Depositum in den Bestand der Universitätsbibliothek der TU Berlin zu überführen. Sie wurde dort mit den vorhandenen Gartenbaubeständen zur „Abteilung Gartenbaubücherei“ vereint. Seit 2017 trägt sie den Namen „Deutsche Gartenbaubibliothek“.

Das Team

Kerstin Ebell

Leiterin der Deutschen Gartenbaubibliothek

Die Deutsche Gartenbaubibliothek bietet neben ihrem aktuellen Buch- und Zeitschriftenbestand Zugang zu einem herausragenden Fundus historisch wertvoller Quellen aus allen gartenbaulichen Bereichen. In Kooperation mit dem Verein wird die Sammlung von der Universitätsbibliothek stetig erweitert, erschlossen, digitalisiert und als Kulturgut bewahrt. Sie unterstützt Studium, Lehre und Forschung an der TU Berlin, insbesondere die mit Planung und Gestaltung von Freiräumen befassten Studiengänge. Die überregional bedeutsamen Bestände werden von auswärtigen Besucher*innen und Fachpublikum gern für Recherchen und Auskünfte angefragt. Die Titel sind über das Wissensportal Primo der Universitätsbibliothek abrufbar.

Dr. Clemens Wimmer

Vorstand der Gartenbaubibliothek e. V.

Der Verein erbringt eine Vielzahl von Leistungen. Dazu zählen vor allem das Erstellen von Linklisten zu digitalisierter historischer Gartenliteratur und von fachspezifischen Datenbanken, antiquarische Titelankäufe sowie die Restaurierung und Digitalisierung ausgewählter Werke. Der Verein sammelt und verzeichnet Schriften, etwa Kataloge und Archivalien, die normalerweise nicht in Bibliotheken zu finden sind. Nicht zuletzt bringt er ein Magazin heraus, das über Gartenliteratur berichtet und die Neuerwerbungen aufführt.