König Willem-Alexander und Königin Máxima der Niederlande zu Gast an der TU Berlin

Am letzten Tag ihres dreitägigen Staatsbesuches in der Hauptstadt informierte sich das Königspaar über das Thema „Photonik“

Royalen Glanz brachten am Morgen des 7. Juli 2021 König Willem-Alexander und Königin Máxima der Niederlande in den Lichthof des Hauptgebäudes der Technischen Universität Berlin. Kein Ort der Hochschule hätte passender sein können, denn am letzten Tag ihres dreitägigen Staatsbesuches in der Hauptstadt informierte sich das Königspaar über das Thema „Photonik“. Diese Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts nutzt die besonderen Eigenschaften des Lichts. Neben neuartigen Displays oder Laseranwendungen in der Industrie stehen dabei vor allem Sensoren, etwa in der Medizin, und die schnelle und abhörsichere Übertragung von Daten im Vordergrund. Gerade die Niederlande und Deutschland können auf diesem Gebiet nicht nur herausragende Forschungsergebnisse vorweisen. Wissenschaftler*innen und Unternehmen aus beiden Ländern arbeiten besonders häufig zusammen, zudem werden die optischen Technologien von den jeweiligen Regierungen stark gefördert.

Offizieller Anlass für die königliche Visite war die feierliche Unterzeichnung einer Vereinbarung für die Zusammenarbeit zwischen den niederländischen und berlin-brandenburgischen Kompetenznetzwerken für Photonik, „PhotonicsNL“ und „OpTecBB“, im Beisein des Königspaars sowie des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Michael Müller. Benno Oderkerk, Gründer des niederländischen Optikunternehmens Avantes und Vorsitzender von PhotonicsNL, übersetzte den Begriff „Lichthof“ deshalb gleich mit „Photonics Palace“. Der Präsident der TU Berlin, Prof. Dr. Christian Thomsen, hatte in seiner Ansprache schon vorher darauf hingewiesen, dass dieser 1884 am Beginn des Industriezeitalters eingeweihte Raum symbolisch für Wandel, Fortschritt und Innovation stehe.

Willem-Alexander und Máxima © Bettina Ausserhofer
Highlight-Videoclip des Besuches von König Willem-Alexander und Königin Máxima an der TU Berlin

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„Die Zukunft ist aus Licht gemacht“, sagte Prof. Dr. Martin Schell, der Vorsitzende von OpTecBB. In seinem Vortrag stellte der Direktor des Fraunhofer Heinrich-Hertz-Instituts (HHI) und Professor an der TU Berlin die gesellschaftliche Bedeutung der optischen Technologien heraus. Von Industrielasern, die drei Zentimeter dicken Stahl schneiden können, über die Chip-Produktion mit Hilfe der Photolithographie bis zum optischen Radar für Autos. Eine der zukunftsträchtigsten Anwendungen sei aber die Datenübertragung mit Hilfe von Licht. Hier gebühre besonders dem kürzlich emeritierten Professor Meint Smit von der Universität Eindhoven in den Niederlanden große Ehre. Er hatte mit seiner Technologie dafür gesorgt, dass Glasfaserkabel Licht verschiedener Farbe gleichzeitig leiten können. Auf diese Weise wurden die Übertragungskapazitäten um mehr als das 50-fache erhöht.

Gesamte Wertschöpfung in Europa

Benno Oderkerk von PhotonicsNL wies darauf hin, wie wichtig es sei, dass in Zeiten weltweiter politischer Unsicherheit Europa dafür sorgt, die gesamte Wertschöpfungskette der Zukunftstechnologie Photonik auf unserem Kontinent zu etablieren. Die mit der offiziellen Vereinbarung - dem Memorandum of Understanding - auf eine neue Stufe gestellte Kooperation zwischen den Niederlanden und Deutschland solle sich dabei nicht nur auf den Austausch von Informationen in Workshops beschränken. Gemeinsame Auftritte auf Messen sowie der Know-how-Transfer an kleine und mittelständische Unternehmen ständen auf der Agenda.

Berlin-Brandenburg ist Zentrum für Photonik

Im Anschluss an die Unterzeichnung konnte sich das Königspaar über die neuesten Erfindungen im Bereich Photonik informieren, die in Zusammenarbeit mit niederländischen Firmen und Universitäten im Raum Berlin-Brandenburg entstanden sind. Mit rund 30 Wissenschaftseinrichtungen sowie 400 Unternehmen, zwei Milliarden Euro Umsatz und 16.000 Beschäftigten ist die Region ein starkes Photonik-Zentrum. Die erst 2019 im Rahmen der Berlin University Alliance gegründete Graduiertenschule „Berlin School of Optical Sciences & Quantum Technologies“ (BOS.QT) hilft dabei, hierfür den wissenschaftlichen Nachwuchs auszubilden.

Graduiertenschule BOS.QT sorgt für interdisziplinären Austausch

„Ich halte es für sehr wichtig, junge Menschen und speziell auch mehr Frauen für die Naturwissenschaften zu gewinnen“, sagte Königin Máxima im Gespräch mit Laura Orphal-Kobin. Die Doktorandin an der HU Berlin berichtete von ihren Erfahrungen an der BOS.QT, an der sie auch Doktorand*innen-Sprecherin ist. Die vertrauensvolle Atmosphäre mit aktuell 40 Wissenschaftler*innen fördere den Austausch untereinander und sorge so für ungewöhnliche Forschungsideen. Gerade weil die Photonik so ein breites Forschungsgebiet ist, das viele unterschiedliche Disziplinen einschließt. Besonders erfreut zeigte sich Königin Máxima, dass BOS.QT auch intensive Kontakte mit der physikalischen Graduiertenschule der Technischen Universität Delft pflegt.

Photon ist Teilchen und Welle gleichzeitig

An zwei Ständen der kleinen Ausstellung im Lichthof ging es um den Beitrag der Photonik zur schnellen und abhörsicheren Kommunikation der Zukunft. Grundlage dafür ist die selbst für Physiker*innen immer noch mysteriöse Zwitter-Natur des Lichts: Es ist einerseits ein Teilchen – ein Photon – andererseits aber sind diese Photonen auch kleine Wellen, in denen ihr elektromagnetisches Feld schwingt. Diese Schwingungen können sich in ihrer Richtung unterscheiden, wie bei einem Pendel, das sich auch in verschiedenen Schwingungsebenen bewegen kann. Weil man diese Schwingungsrichtung eines Photons gezielt verändern und auch messen kann, lassen sich über sie „Nullen“ und „Einsen“ definieren, die man für die digitale Kommunikation braucht. Gleichzeitig eröffnet sich damit auch die Möglichkeit, Botschaften mit Hilfe von quantenmechanischen Methoden abhörsicher zu versenden.

Einzelphotonen gesucht

Gar nicht so einfach ist es allerdings, überhaupt einzelne Photonen herzustellen, um sie anschließend in Glasfaserleitungen zu versenden. Das Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut (HHI) tut dies mit Hilfe von wenige Millimeter großen Miniatur-Lasern, die aus Indiumphosphid in Kombination mit einer Mikrostruktur aus Polymer oder Siliziumnitrid bestehen. „Wir dimmen diese Laser so weit herunter, dass sie nur wenige einzelne Photonen aussenden“, erklärte Hauke Conradi vom HHI. Die gleiche Technologie nutzt die niederländische Firma Lionix, um mit HHI-chips hochgenaue Laser herzustellen. König Willem-Alexander fragte gezielt nach, ob hier nicht Patentrechte der Weiterverbreitung der Technologie entgegenstünden – und zeigte sich erfreut, dass dies trotz Sicherung des geistigen Eigentums möglich ist.

Steigerung von ein auf fast 100 Prozent

Prof. Dr. Stephan Reitzenstein vom Institut für Festkörperphysik der TU Berlin erklärte Königin Máxima die Funktionsweise seines zusammen mit niederländischen Unternehmen entwickelten Lithographiesystems zur Herstellung von echten Einzelphotonen-Quellen. Grundlage sind dabei spezielle Anhäufungen von Atomen, sogenannte Quantenpunkte, auf einem Halbleitermaterial. Mit der neuen Lithographie-Anlage lassen sich diese mit Hilfe eines niederländischen Lumineszenz-Detektors erstmals gezielt finden und genau über diesen mit einem Elektronenstrahl Nanometer große Strukturen aufbringen. Damit können die Forschenden jeden Quantenpunkt gezielt ansteuern und ihn zur Aussendung eines Photons anregen. Vorher war dies nur möglich, indem man die Strukturen in regelmäßigen Mustern auf dem Material aufbrachte und hoffte, dass möglichst viele zufällig über einem Quantenpunkt liegen. „Auf diese Weise lässt sich die Photonen-Ausbeute von etwa einem Prozent auf nahezu 100 Prozent steigern“, erklärte Reitzenstein.

Winzige Geschenke

Das Königspaar erhielt als Geschenke von den Forscher*innen Miniatur-Portraits mit ihrem Konterfei, erstellt mit den jeweiligen Strukturierungsanlagen – das kleinste gerade einmal einen Quadratmillimeter groß und nur mit einer Lupe zu betrachten. Zum Ende des Besuchs trugen sich Máxima und Willem-Alexander in das Goldene Buch der Technischen Universität Berlin ein. Dabei wurde ihnen die Ehre zuteil, die erste Seite eines neuen Bands zu signieren. Der alte hatte keinen Platz mehr – immerhin enthält er Eintragungen von 1993 bis 2019.

Autor: Wolfgang Richter