Anpacken!

Prozessverbesserung in der Verwaltung, Corona, IT-Hackerangriff und anstehende Hochschulvertragsverhandlungen – der neue Kanzler der TU Berlin Lars Oeverdieck im Interview

Es gibt bei der Prozessverbesserung und -beschleunigung in der Verwaltung der TU Berlin Handlungsbedarf. Was haben Sie bisher unternommen? Wie sehen Ihre Pläne aus?

Lars Oeverdieck: Seit Herbst letzten Jahres, also zeitlich zusammenfallend mit meiner Übernahme der Stelle des Kanzlers, haben wir in verschiedenen Runden die Probleme in der Verwaltung der TU Berlin besprochen und analysiert. Es gab mehrere Klausurtagungen des Präsidiums mit den Dekaninnen und Dekanen, den Abteilungsleitungen der Zentralen Universitätsverwaltung (ZUV) und den Verwaltungsleitungen der Fakultäten. Wir haben im Akademischen Senat und im Kuratorium darüber diskutiert, und ich habe mir zu Beginn des Jahres in ca. 20 kleinen Gesprächsrunden mit Mitarbeiter*innen der verschiedensten Bereiche der ZUV – jeweils ohne die direkten Vorgesetzten – ein Bild von der tatsächlichen Lage gemacht. Jetzt heißt es: anpacken, die Probleme konkret angehen und lösen.

Wir haben dafür externe Firmen gebeten, uns in verschiedensten Bereichen und Prozessen zu unterstützen.

 

Was heißt das konkret?

Das erste Projekt starteten wir im Juli 2021 in der Personalabteilung, um hier schnellstmöglich die Organisation, die Prozesse innerhalb der Abteilung sowie über deren Grenzen hinweg und die IT-Unterstützung insbesondere durch SAP in Augenschein zu nehmen und zu verbessern. Erster Schritt muss es sein, die entstandenen Arbeitsberge abzuarbeiten, damit der Blick frei wird für die strukturellen und prozessuralen Fragen.

Ende Juli erläuterten wir das Projekt unter Beteiligung des Personalrats in einer Versammlung aller Mitarbeiter*innen der betroffenen Bereiche, also der Teams Personal und Organisationsmanagement. Die Firma meHRsalz hat sich vorgestellt, und wir haben damit den Startschuss gegeben. Wichtig für uns ist, dass wir kein fertiges Rezept aus einem Lehrbuch für die Abteilung umsetzen, sondern die notwendigen Maßnahmen mit den Mitarbeiter*innen gemeinsam erarbeiten. Die entsprechenden Gespräche dazu haben bereits begonnen. Hier muss ich alle jedoch um Geduld bitten. Auch wenn erste Schwachpunkte identifiziert sind und Prozesse verändert werden, wird sich die Verbesserung nicht schnell und schlagartig einstellen. Geben Sie der Firma und insbesondere den Mitarbeiter*innen der Abteilung die notwendige Zeit, die Probleme zu identifizieren und zu lösen.

Durch den IT-Angriff Ende April mussten viele Arbeitsprozesse zeitweilig gestoppt werden, da Dienste nicht zur Verfügung standen bzw. stehen. Wie kann der sich dadurch angehäufte Arbeitsberg abgebaut werden?

Sicher nur nach und nach. Auch hier muss ich alle um Geduld bitten. Alles andere wäre ein leeres Versprechen. Die IT-Landschaft der TU Berlin mit ihren Hunderten von Servern und Tausenden von Rechnern lässt sich nicht auf einem Schlag sowohl wiederherstellen als auch gleichzeitig sicherer für die Zukunft machen. Es hat daher gedauert und wird in einigen Fällen auch noch Zeit in Anspruch nehmen, bis Dienste wieder verfügbar sind. Durch die Folgen des Hackerangriffs gibt es viele Rückstände in der Verwaltung, die nun abgearbeitet werden müssen. Wir haben schon vor dem IT-Crash durch vorgezogene Wiederbesetzungen in vielen Teilen der Verwaltung versucht, die durch Corona entstanden Berge abzubauen.

Nun sind sie durch den IT-Angriff größer geworden …

… und viele der geplanten Ausschreibungen und Einstellungen haben sich dadurch auch verzögert. Das stimmt. Deshalb versuchen wir, Prozesse zu priorisieren und holen uns Hilfe von außen. So war eine zertifizierte IT-Firma an der Suche nach Ort und Art des kriminellen Eindringens beim Hackerangriff und am Wiederaufbau der IT-Systeme beteiligt. Eine weitere Firma hat insbesondere bei der Neuinstallation der SAP-Systeme geholfen. Die beiden SAP-Implementierungspartner unterstützten uns, als die Systeme wieder nach und nach liefen. Für die besonders kritische Arbeit in der Personalabteilung haben wir zudem das oben beschriebene größere Projekt mit einer Firma gestartet.

Wie ist der Stand bei der SAP-Einführung? Was ist offen, woran wird momentan gearbeitet?

Wir werden mit Beschluss des zuständigen Lenkungsausschusses, den er kurz vor der Sommerpause traf, die beiden großen Einführungsprojekte zu ERM und SLM offiziell zum 30. September 2021 beenden. Dies war möglich, da keine „change requests“, also Änderungswünsche unsererseits, an die beiden Firmen offen waren, wir kein befristetes Personal in den vielen abgeschlossenen Teilprojekten mehr beschäftigen und eine Reihe von Fachkonzepten von den beiden Personalräten gemäß der vereinbarten Vorgehensweise zugestimmt wurde. Letzte noch offene Punkte können dann bis zum 30. September bzw. 31. Dezember, hier gilt noch eine Nachlauffrist, abgearbeitet werden. Damit haben beide Großprojekte ein definiertes Ende, was gleichzeitig den Anfang der Weiterarbeit in vielen kleinen Projekten bedeutet. Das betrifft Themen, die noch nicht oder nicht abschliesend bearbeitet werden konnten. So ist das Flächenmanagement erst in einem kleinen Pilotbetrieb, es fehlen noch das e-Recruiting, das Berufungsportal und vor allem die Digitalisierung der Personalakten, die erst ein vollständig digitales Arbeiten in der Personalabteilung möglich machen werden.

Auch die abgeschlossenen Teilprojekte in den Bereichen Finanzen, Lohn- und Gehaltszahlung und Forschung werden sicher in den nächsten Jahren wieder angefasst werden, um den integrativen Charakter der Software noch besser nutzen zu können. Hier haben wir noch längst nicht alles erreicht, was möglich und wünschenswert ist.

Kommen wir zum Thema Corona: Was sind momentan die Hauptthemen, die in dem von Ihnen geleiteten TU-Krisenstab besprochen werden? Welche Handlungsfelder sehen Sie?

Das derzeitige Hauptthema ist die Frage, wie das Wintersemester 2021/2022 gestaltet werden kann. Alle hoffen darauf, dass es weitgehend ein Präsenzsemester wird, bei dem wir die Vorteile der digitalen Lehre aber weiterhin nutzen wollen. Die großen Vorlesungen werden schwerlich alle nur in Präsenz möglich sein. Internationale Studierende kommen vielleicht nicht oder nicht rechtzeitig nach Berlin oder sind nicht mit einem in der EU zugelassenen Impfstoff geimpft. Nach möglichen Infektionen wird man sich auf Quarantänemaßnahmen verständigen müssen, und die Frage nach der Aufhebung der Mindestabstände hängt sicher auch vom weiteren Infektionsgeschehen und den Impffortschritten ab. Sie sehen, uns gehen die Themen nicht aus, und wir arbeiten sehr intensiv an sicheren Regeln für Studium und Arbeiten unter Pandemiebedingungen.

Voraussetzung wird sicherlich eine hohe Impfquote sein. Was plant die TU Berlin?

Zeitnah wollen wir eine Umfrage unter unseren Studierenden starten, um ein Gefühl zu bekommen, wie die Impfquote eingeschätzt werden kann. Wir haben Anfang Juni, also frühzeitig und sobald es für uns Impfstoff gab, unseren Beschäftigten und Studierenden ein Impfangebot unterbreitet. Meine Bitte an alle Studierenden, Beschäftigten, Lehrbeauftragten und alle weiteren Gruppen ist: Nehmen sie dieses Impfangebot wahr und lassen sich impfen! Nur wenn eine ausreichende Anzahl an TU-Mitgliedern vollständig geimpft ist, wird das Wintersemester in Präsenz möglich sein.

Was hat die TU Berlin darüber hinaus noch unternommen?

Durch die Ausstattung diverser Hörsäle mit der entsprechenden Technik für hybride Lehrveranstaltungen, mit unserem Testzelt vor dem Hauptgebäude sowie anderen Testpartnern außerhalb Charlottenburgs, insbesondere den Impfangeboten, der Anschaffung von Luftfiltern für schlecht lüftbare Räume und einer sehr zurückhaltenden Vorgehensweise in den letzten Monaten sind wir bisher gut durch die Pandemie gekommen. Wir sind vorbereitet für das kommende Wintersemester. Nun liegt es an allen, ein normales Semester durch eine hohe Impfquote zu ermöglichen.

Die nächsten Hochschulvertragsverhandlungen stehen an. Pessimistische Stimmen mutmaßen, dass die Verhandlungsposition der Hochschulen dieses Mal wegen der hohen Corona-Ausgaben des Landes schlecht sind. Es gibt aber auch optimistischere Stimmen aus politischen Kreisen. Können Sie hierzu schon etwas sagen?

Die Ergebnisse der nächsten Hochschulvertragsverhandlungen jetzt abzuschätzen, ist leider nicht möglich. Wir befinden uns kurz vor den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus, wissen also noch nicht, mit welcher zukünftigen Regierung und welchen Personen wir verhandeln werden. Positiv stimmt der Ausblick auf die Vorbereitungen des Senats auf den Doppelhaushalt für 2023 und 2024. 2023 wird, so der Hochschulvertrag nicht verlängert wird – auch diese Stimmen gibt es -, das erste Jahr des neuen Hochschulvertrags. Der Senat sieht im Haushalt 2023 eine Steigerung des Wissenschaftsetats um 3,5 Porzent vor und plant diesen Wert auch für die weiteren Jahre ein. Damit wäre eine Verlässlichkeit gegeben, die für die Hochschulen enorm wichtig ist. Der Teufel steckt aber auch hier im Detail, weshalb es noch viel zu verhandeln geben wird.

 

Vielen Dank!


Die Fragen stellte Stefanie Terp.

Lars Oeverdieck wurde am 25. Juni 2021 durch das Kuratorium zum Kanzler der TU Berlin gewählt und seine Amtszeit begann am 15. Juli 2021.