Hermann Föttinger war der erste Hochschullehrer für Strömungsphysik. Sein Fach war und ist die zentrale Grundlagendisziplin der Ingenieur- und Naturwissenschaften mit vielfältigen praxisrelevanten Anwendungen. Heute tragen das Institut für Strömungsmechanik der Technischen Universität Berlin und ein Gebäudekomplex auf dem Universitätscampus, wo er einst experimentierte, seinen Namen.
Hermann Föttingers Leben war in vielerlei Hinsicht ungewöhnlich. 1895 bestand er das Abitur am Königlichen Realgymnasium seiner Heimatstadt Nürnberg und studierte dann bis 1899 an der Technischen Hochschule München Elektrotechnik. Bereits als Student interessierte er sich für maschinenbauliche Forschungsprobleme. Sein Interesse wurde durch Vorlesungen von Professor August Otto Föppl angeregt. Nach dem Studium wurde er Konstrukteur an der Stettiner Schiffsbau-Anstalt „Vulcan“. Dort befasste er sich mit der Erprobung und Einführung neuer Dampfturbinensysteme und erwarb 1905 das bedeutendste seiner mehr als 100 Patente, das als „Föttinger-Transformator“ bekannt wurde und seinen Weltruhm begründete. Durch diese Strömungskupplung und -getriebe gelang es im Schiffbau unter anderem, die Dampfturbine direkt mit der Schraube zu verbinden.
Bereits 1904 erwarb er den Dr.-Ing. an der Technischen Hochschule München. Im Herbst 1909 erfolgte dann seine Berufung an die Königlich Technische Hochschule Danzig. Hier baute er das Institut für Strömungstechnik auf. Während sein Hauptarbeitsfeld weitgehend der Schiffsbau blieb, entwickelte er zugleich die Physik der technischen Strömungsphänomene fort. In Danzig lehrte und forschte er bis 1924. Unterbrochen wurde sein Aufenthalt kurzzeitig durch einen „Freiwilligen Hilfsdienst“ während des Ersten Weltkrieges bei der Schiffsprüfungs- und Torpedoabnahmekommission in Kiel.
Am 30. Oktober 1924 begann Föttingers Berliner Wirkensperiode an der Technischen Hochschule Berlin mit der Übernahme der ersten deutschen Professur für Allgemeine Strömungslehre und Turbomaschinen. In einer viel beachteten Antrittsvorlesung gelang ihm der Brückenschlag von den klassischen Grundlagen der Strömungslehre hin zu deren aktuellen Anwendungen auf der Basis von Grenzschicht-, Tragflügel- und Propulsionstheorie. Engagiert arbeitete er am Ausbau des neuen Instituts und versammelte begabte Mitarbeiter um sich, die er zu Forschungen auf verschiedenen Gebieten der Strömungslehre anregte. Seine Arbeitsfelder waren umfassend. Er setzte seine technische Erfindertätigkeit fort und arbeitete an der Versuchsanstalt für Wasser- und Schiffbau auf der Schleuseninsel. Darüber hinaus wirkte er an der Prüfanstalt für technische Strömungsforschung und Windkraftanlagen und gab mit seiner Schraubenwirbeltheorie der Propellertheorie neue Impulse. Mit Franz Kruckenberg arbeitete er am „Schienenzeppelin“, dem legendären propellergetriebenen Schnellzugtriebwagen.
Interessant ist auch, dass er nie ein dickes Lehrbuch verfasst hat, die meisten seiner technischen Artikel erschienen im Jahrbuch der Schiffbautechnischen Gesellschaft. Seine Studenten warnte er vor „Registraturdenken“, in das der Fachmann leicht verfallen könne. Übertriebenes Spezialistentum hielt er für den „Tod der akademischen Berufe und den Quell frühzeitiger Vergreisung“. Er machte Mut für einen grenzüberschreitenden Blick auf die das eigene Fach tangierenden Nachbargebiete. Hermann Föttinger starb in den letzten Kriegstagen, am 28. April 1945, durch einen Granatsplitter. Sein Grab findet man auf dem Wilmersdorfer Friedhof in der Berliner Straße.