Hans Scharoun als Architekt des „Neuen Bauens“

Professor der Technischen Universität Berlin und Ehrenbürger der Stadt Berlin - diese ehrenvolle Mischung umschreibt treffend Leben und Werk von Hans Scharoun. Zu seinen prägnantesten Bauten gehören im Nachkriegs-Berlin die Philharmonie und die Staatsbibliothek an der Potsdamer Straße. „Ein selbstständiger Architekt soll sich nicht von Sensationen, sondern von Reflexionen leiten lassen“, war das Motto seines Lebens.

Die „fruchtbaren Jahre“

Am 20. September 1893 als Sohn eines Brauereibesitzers in Bremen geboren, wuchs er in Bremerhaven auf, erwarb das Abitur am dortigen Humanistischen Gymnasium. 1912 kam er nach Berlin, um Architektur an der Königlich Technischen Hochschule zu Berlin zu studieren. Mit Kriegsausbruch 1914 endete das Studium, und er ging in einem Militärbaukommando zum Wiederaufbau ins kriegsbeschädigte Ostpreußen, wo er nach Kriegsende als freier Architekt tätig war. 1923 beteiligte er sich an der Internationalen Architekturausstellung im Weimarer Bauhaus, 1925 ging er als Professor an die Akademie für Kunst und Kunstgewerbe nach Breslau, wo er bis 1932 blieb. Später nannte er diese Zeit seine „fruchtbarsten Jahre“.

Das „Neue Bauen“ und Hans Scharoun

Scharoun gehörte zur Generation des „Neuen Bauens“, ebenso wie Walter Gropius, Bruno Taut, Erich Mendelsohn und Hugo Häring, die durch schwungvolle Dynamik und ein neues Material- und Umweltverständnis auffielen. Ab 1926 gehörte er zur progressiven Architektenvereinigung „Der Ring“, zu der auch Ludwig Mies van der Rohe, Max und Bruno Taut zählten. Scharoun war einer der Baumeister der Stuttgarter Weißenhofsiedlung. Diese galt als Durchbruch der Moderne, war aber nicht unumstritten. In den letzten Republikjahren entwarf und baute er viele Häuser in Groß-Berlin, unter anderem die Siemenssiedlung in Jungfernheide. 1932 wurde Berlin endgültig seine Heimat. Doch mit Beginn der NS-Zeit galt das „Neue Bauen“ als „undeutsch“. Hans Scharoun blieb dennoch und baute vor allem moderne Einfamilienhäuser für Privatleute. Unter diesen Privatenleuten waren auch spätere TU-Kollegen, zum Beispiel die Gartenarchitekten Hermann Mattern und Herta Hammerbacher.

Visionär einer urbanen, sozialen und menschenfreundlichen Stadt

Nach Kriegsende ernannte ihn die sowjetische Militärverwaltung zum ersten Nachkriegs-Stadtbaurat von Groß-Berlin. Als Mitglied des „Planungskollektivs“ entwarf er - gestützt auf Erfahrungen des „Neuen Bauens“ und auf die Vision einer urbanen, sozialen und menschenfreundlichen Stadt - Neubaupläne für Berlin, die auch im kriegsbeschädigten Stadtschloss als Ausstellung „Berlin plant“ gezeigt wurden. Obgleich radikal und modern, fanden Scharouns Pläne im Berlin des beginnenden Kalten Krieges keine Zustimmung. So engagierte er sich für die Neugestaltung des Lehrbetriebs an der Technischen Universität Berlin und hatte von 1947 bis 1958 den Lehrstuhl für Städtebau inne. Seine Entwürfe der „Laubenganghäuser“ wurden in der Ostberliner Karl-Marx-Allee neben den Zuckerbäckerbauten von Hermann Henselmann realisiert. Nach seiner Emeritierung prägte er noch viele Jahre die Architektur in West-Berlin. Als erster Präsident und späterer Ehrenpräsident der Akademie der Künste engagierte er sich zugleich kulturpolitisch. Weltweit anerkannt, mit Ehrentiteln, Orden und Auszeichnungen geehrt, starb Hans Scharoun am 25. November 1972.