BUA-Übersichtsstudie: Forschung zusammen mit der Gesellschaft – Projekte an deutschen Universitäten

Mit „Spotlights on Knowledge Exchange“ liegt die erste Sammlung von universitären Aktivitäten im Bereich Transdisziplinarität in Deutschland vor

Zur Lösung großer gesellschaftlicher Herausforderungen wird eine stärkere Zusammenarbeit und gegenseitiges Verständnis von Wissenschaft und Gesellschaft als eine wichtige Strategie angesehen. Damit nicht jede*r das Rad neu erfinden muss und sich von guten Ideen inspirieren lassen kann, hat der Exzellenzverbund der vier Berliner Universitäten – die Berlin University Alliance (BUA) – eine Studie vorgelegt. Sie richtet den Fokus auf die Universitäten in Deutschland, die durch ihre Programme im Bereich „Knowledge Exchange“ positiv auffallen. Die umfangreiche Sammlung von Best-Practice-Beispielen wurde vom Bereich „Research Forums“ der BUA erstellt, der in der Stabsstelle „Science and Society“ der TU Berlin angesiedelt ist.

Die Leuchttürme in Deutschland für Transdisziplinarität oder auch „Knowledge Exchange“, also das kongeniale Zusammenwirken von Forschung und Gesellschaft, haben beeindruckende Ergebnisse vorzuweisen – und sind teilweise schon richtig alt. Die Westfälische Wilhelms-Universität Münster beispielsweise vernetzt sich bereits seit etwa 20 Jahren aktiv mit ihrer Region. Unter dem Schlagwort „Expedition Münsterland“ macht sie Wissenschafts-Schauplätze erlebbar und bekommt andererseits Hinweise aus der Bevölkerung auf vergessene, noch zu beforschende Orte. Das können ehemalige Raketen-Startplätze aus dem zweiten Weltkrieg sein oder aufgegebene Tunnel. Forscher*innen und Bevölkerung arbeiten aber auch gemeinsam an Projekten, etwa beim Aufbau einer „Agroforstwirtschaft“, in der Gehölze und einjährige Nutzpflanzen auf demselben Raum gedeihen.

Impulse aus der Gesellschaft, Service für die Gesellschaft

„Schön ist hier zu sehen, dass wirklich ganz viele Ideen für Projekte und Veranstaltungen aus der Gesellschaft heraus initiiert werden“, sagt die Erstautorin der Studie, Dr. Ina Opitz, Referentin „Berlin forscht mit!“ der BUA, angesiedelt in der Stabsstelle „Science and Society“ der TU Berlin. Für die Förderung dieser Projekte werde von der Stiftung der Universität Münster auch extra ein Citizen-Science-Preis ausgelobt.

An der Universität Kassel wiederum verstehen sich die Wissenschaftler*innen und Student*innen als Dienstleistende der Bevölkerung. „Service Learning“ heißt das Konzept, bei dem schon seit mehr als zehn Jahren akademische Lehre und gesellschaftliches Engagement miteinander verknüpft werden. So übernehmen zum Beispiel Studierende auf Lehramt oder Soziale Arbeit über 10 Monate Patenschaften für ein sozial benachteiligtes Kind – begleitet von Supervision und einem wissenschaftlichen Seminar. Angehende Agrarwissenschaftler*innen erstellen für kleine Landwirtschaftsbetriebe „Gemeinwohl-Ökonomie-Bilanzen“. Und Ingenieur*innen in spe haben die Justizvollzugsanstalt Kassel bei der Verbesserung ihrer Energiebilanz beraten.

Uni Düsseldorf ist Bürgeruniversität

„Ein ganz besonderes Engagement zeigt die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, die sich als Bürgeruniversität versteht“, sagt Dr. Audrey Podann, Leiterin der Stabsstelle „Science and Society“ der TU Berlin und Leiterin des Bereichs „Research Forums“ der BUA. „Das ist nicht nur ein ‚Label‘, dafür stehen im Haushalt der Universität eigene Mittel zur Verfügung.“ Gefördert werden damit Projekte in Lehre, Forschung und Wissenschaftskommunikation. Da treffen Student*innen auf Fans spezifischer Pop-Kulturen, um mit ihnen gemeinsam zu erforschen, wie Pop als kollektive Erinnerungsmaschine die Gesellschaft formt. Wissenschaftler*innen entwickeln zusammen mit Betroffenen neue Wege, wie die gesundheitliche Versorgung von Menschen ohne Krankenversicherungsschutz in Deutschland verbessert werden kann. Und als innovative Veranstaltung der Wissenschaftskommunikation erzählen Forscher*innen in der ‚Science Fuckup Night‘ selbstironisch von ihren Missgeschicken und Rückschlägen bei der Arbeit.

Fundgrube für Inspiration bei transdisziplinären Projekten

Von insgesamt 19 deutschen Universitäten werden die Projekte und dahinterstehende Ideen in der Übersichtsstudie „Spotlights on Knowledge Exchange“ übersichtlich aufgelistet mit vielen weiterführenden Links, für die Print-Version auch als QR-Codes. Zusätzlich werden die Aktivitäten im Bereich Transdisziplinarität der drei Partner-Universitäten der BUA vorgestellt: Melbourne (Australien), Oxford (Großbritannien) und Singapur. „Besonders in England ist das Forschen mit der Gesellschaft und auch der Anspruch, dass die Gesellschaft von Forschung profitieren muss, wesentlich selbstverständlicher als bei uns“, sagt Studienautorin Ina Opitz. Aber auch im restlichen Europa, besonders in den skandinavischen Ländern, gebe es inzwischen eine starke Bewegung, die dieses Thema vorantreibt.

TU Berlin bringt Transdisziplinarität in die BUA ein

Mit der Gründung des Exzellenzverbundes der Berlin University Alliance ist auch die deutsche Hauptstadt eine Vorreiterin im Bereich der Forschung mit der Gesellschaft – „Fostering Knowledge Exchange“ wurde als eines der fünf großen Ziele der BUA definiert. Viel Expertise hierzu hat die TU Berlin eingebracht. „Für uns bedeutet Transdisziplinarität im Idealfall, dass ein Co-Forschungsprozess entsteht, in dem Praxiswissen und wissenschaftliches Wissen zusammenkommen und schon die Forschungsfrage gemeinsam entworfen wird“, erklärt Audrey Podann. So wurde zum Beispiel am Anfang eines ersten großen Forschungsvorhabens der BUA zum sozialen Zusammenhalt ein Forschungsatlas mit möglichen Themen gemeinsam mit gesellschaftlichen Akteur*innen erstellt.

Research Forums als maßgeschneiderte Austauschformate

Ein eigenes „Knowledge Exchange Office“ der BUA kümmert sich um Beratung, Qualifizierung und Vernetzung in diesem Bereich. Es werden variable Förderungen ausgeschrieben und Stipendien für Forscher*innen und gesellschaftliche Akteur*innen vergeben. Die TU Berlin organisiert für die BUA sogenannte Research Forums, je nach Thema maßgeschneiderte Austauschformate. So entstanden etwa die „Trialoge“, in denen Fragen des sozialen Zusammenhalts in Bezug auf Ernährung diskutiert werden. Ende November 2022 trafen sich dabei rund 60 Akteur*innen – vom Staatssekretär bis zur Foodsharing-Aktivistin, vom Vertreter der Landesarmutskonferenz bis zum Sprecher eines Bio-Supermarkts.

Top-down und Bottom-up an der TU Berlin

„Natürlich haben wir als Stabsstelle ‚Science and Society‘ auch an der TU Berlin selber viele transdisziplinäre Projekte initiiert – und viele gab es auch schon vorher, denn dies ist sowohl eine Top-down wie auch eine Bottom-up-Bewegung“, sagt Audrey Podann. „Zentrum für Technik und Gesellschaft“, „Wissenschaftsladen kubus“ oder „Natural Building Lab“ heißen nur drei von 13 Projekten, die unter dem Eintrag „Technische Universität Berlin“ in der Studie entdeckt werden können. Direkt in der Stabsstelle angesiedelt ist die sogenannte Stadtmanufaktur, die Reallaborplattform der TU Berlin, auf der aktuell 18 Reallabore mit Beteiligung gesellschaftlicher Akteur*innen und der Universität vernetzt sind. An diesen über die Stadt verteilten Orten geht es zum Beispiel um eine Fahrradstraße von Ost nach West, eine „Roof-Water-Farm“, bei der Abwasseraufbereitungstechnologie mit Nahrungsmittelproduktion verknüpft wird oder um den „Allesandersplatz“ – ein gemeinwohlorientiertes Quartier in einem leerstehenden Hochhaus am Berliner Alexanderplatz.

Weiterführende Informationen

Links zur Studie

 

 

Kontakt

Einrichtung Stabsstelle Science and Society (ScSo)

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Dr.

Audrey-Catherine Podann

Leitung Office Science and Society

audrey.podann@tu-berlin.de

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