In ihrer Grand-Challenge-Initiative widmet sich die Berlin University Alliance der Diskussion um gesellschaftlichen Zusammenhalt. Im Unterprojekt „Social Cohesion, Food & Health – Inclusive Food System Transitions“ geht es um die Frage, welche Aspekte sozialen Zusammenhalts eine Rolle spielen für den notwendigen Wandel des Ernährungssystems. Prof. Dr. Dr. Martina Schäfer von der TU Berlin ist eine der drei Koordinator*innen. Wir sprechen mit ihr über Bürger*innen-Aktiengesellschaften für ökologisch-soziale Produkte und Dienstleistungen, Studien zum Mittagessen an Berliner Sekundarschulen und mögliche Zukunftsszenarien für 2040.
Ja, natürlich. Man zeigt ja mit dem, was man isst, auch ein Stück weit, wer man ist. Leiste ich mir teure Restaurants oder bin ich eher der bodenständige Typ? Gehe ich auf den Wochenmarkt und koche selber oder stehe ich auf Fast Food? Da wir oft nicht alleine, sondern in Gruppen essen, und sei es am Familien- oder WG-Esstisch, definieren wir über das Essen auch eine bestimmte Gruppenzugehörigkeit. Gleichzeitig grenzen wir uns so auch gegenüber anderen ab.
… und inzwischen gibt es den in vielen Kantinen und keinen stört es mehr. Aber tatsächlich: Essen ist wesentlich körperlicher, sinnlicher als die meisten anderen Arten des Konsumierens. Wir nehmen etwas in uns auf. Wenn die Menschen da die Befürchtung haben, in diesen sehr privaten Bereich will uns der Staat jetzt auch noch reinreden, kann es zu heftigen Abwehrreaktionen kommen.
Wir sind momentan ungefähr bei der Hälfte der dreijährigen Laufzeit des Projekts. Im Mittelpunkt stehen bei uns sechs Fallstudien, in denen wir exemplarisch ganz verschiedene Veränderungsprozesse untersuchen. Da geht es etwa um die Folgen einer stärkeren Vermarktung von bisher wenig genutzten Gemüsesorten in Afrika. Wir schauen uns an, wie sich die gestiegenen Preise auf das Miteinander der Menschen auswirken und wie damit umgegangen wird. Oder wir erforschen, welchen Einfluss die sozialen Netzwerke von Menschen haben, wenn diese ihre Ernährung umstellen wollen. Auch technologische Innovationen nehmen wir unter die Lupe, etwa bei der Herstellung von künstlichem Fleisch. Da stellt sich beispielsweise die Frage, ob vegan lebende Menschen künstliches Fleisch aus tierischen Zellkulturen essen würden, oder ob sie nur bei pflanzenbasierten Zutaten zugreifen würden. Auch hier kann der Zusammenhalt von Gruppen eine große Rolle spielen.
Nein, das ist ein weiterer interessanter Punkt. Die Vernetzung geht längst nicht so weit wie bei der „Solidarischen Landwirtschaft“, bei der Haushalte und Erzeuger*innen einen eigenen Wirtschaftskreislauf bilden, der von allen gemeinsam organisiert und finanziert wird. Bei den Regionalwert-AGs werden aber zum Beispiel Exkursionen zu den Betrieben gerne angenommen und diese stärken auch die Verbundenheit mit den Partnerbetrieben.
Und oft nicht die Mittel, professionell durchgeführte repräsentative Befragungen zu beauftragen. Der Mangel an solchem Wissen betrifft aber auch die öffentliche Hand. Wir haben in einer der sechs Fallstudien beispielsweise eine Befragung an 25 Berliner Sekundarschulen durchgeführt, warum die Schüler*innen am Mittagessen teilnehmen – oder eben meistens nicht teilnehmen. Insgesamt haben etwas über 3.000 Schüler*innen bei der Befragung mitgemacht. Wer das Mittagessen wahrnimmt und was die Gründe dafür sind, sich anders zu verpflegen, war bisher ungenügend bekannt. Unsere Kooperationspartner*innen – die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie und die Berliner Vernetzungsstelle Kita- und Schulverpflegung – haben sich daher eine quantitative Befragung gewünscht. Wer geht mit wem essen, essen Schüler*innen gar im Klassenverband, sind die Lehrkräfte mit dabei? Wird der Speiseraum als angenehm empfunden oder ist er zu laut oder zu eng? Können die Schüler*innen Feedback zum Schulessen geben oder den Speiseraum mitgestalten? All das beeinflusst die Akzeptanz. Gerade Mitte September haben wir nun einen Workshop organisiert, in dem sich die Schulen über ihre Erfahrungen austauschen und voneinander lernen konnten, wie sie ihre Schulverpflegung verbessern können.
Auch mit dem Brandenburger Bauernverband untersuchen wir Fragen des Zusammenhalts. Der hat sich 2020 ein neues Leitbild für 2030 gegeben mit einer stärkeren Schwerpunktsetzung auf regionale Wertschöpfungsketten. Wir schauen jetzt darauf, wie so ein Leitbild in die Praxis umgesetzt wird. Wer identifiziert sich warum mit so einem Leitbild, wer nicht? Fühlen sich die Landwirt*innen ausreichend mitgenommen und von der Politik unterstützt oder mit den neuen Anforderungen alleingelassen?