Mit dem Boot von Berlin bis ans Mittelmeer: Die Vision der Projektwerkstatt WannSea

Student*innen der TU Berlin wollen Beitrag zu nachhaltiger Schifffahrt leisten

Die Entfernung vom Wannsee in Berlin bis ans Mittelmeer kann so nah sein: Im Juli 2023 soll ein von TU-Student*innen gebautes Boot an dem Wettbewerb „Monaco Energy Boat Challenge (MEBC)“ teilnehmen und sich als erstes deutsches Team in der Energieklasse mit insgesamt über 30 internationalen Teams messen. Dieses durchaus ambitionierte Ziel verfolgt die studentische Projektwerkstatt „WannSea“ – ein Wortspiel aus Wannsee und der „Mediterranean Sea“. Das geplante Boot wird kein normales Boot sein, es soll komplett mithilfe von erneuerbaren Energien betrieben werden. Die Zauberformel besteht aus der Kombination von effizientem Elektromotor, Wasserstoff-Brennstoffzellen und Solarpanels.

Eine Idee aus dem Homeoffice

Hinter der Idee von WannSea steckt Riccardo Petschke, Student im Fach Wirtschaftsingenieurwesen an der TU Berlin. Sein Hobby ist es, auf dem Wannsee segeln zu gehen – am liebsten ohne laut lärmende und Benzingeruch versprühende Motorboote. In den ersten Pandemiesemestern zu Hause entwickelte er aus dieser Beobachtung heraus das Bestreben, sich für nachhaltigen Schiffbau einzusetzen – nicht nur, was Motorboote betrifft, sondern vor allem Ozeanriesen wie Frachtschiffe, die extrem hohe Treibhausemissionen verursachen und damit ein Faktor für den Klimawandel sind. „Man braucht manchmal Langeweile, um auf solche Ideen zu kommen“, so Riccardo, der somit aus der Pandemie auch positive Aspekte ziehen konnte.

Bootsbau – ein Fulltimejob

Aber so einfach das klingt, umso mehr Arbeit steckte in der tatsächlichen Umsetzung. Entscheidend waren und sind umfassende Recherchen sowie die Beantragung und Umsetzung einer Projektwerkstatt. Damit gehen die Gewinnung von 38 ebenso begeisterten Student*innen aus verschiedensten Fachrichtungen einher, von Wissenschaftler*innen, die mit fachlichem Rat unterstützen, und Sponsor*innen, ohne die ein solches Projekt nicht zustande kommen kann. Alles Herausforderungen, die den Tutorjob in der Projektwerkstatt potenziell zu einem Fulltimejob machen können.

Ohne Unterstützer*innen geht es allerdings nicht. In der Universität hat WannSea einen großen Unterstützer im Heimatfachgebiet Entwurf und Betrieb Maritimer Systeme gefunden, die mit fachlicher Expertise und einer Werkstatt unterstützen. Auch die Abteilung Finanzen war eine große Hilfe, indem sie die Projektwerkstatt als Betrieb gewerblicher Art einstufte. Damit kann WannSea auf lange Sicht als studentisches Technikprojekt arbeiten – ähnlich wie die studentische Rennsportinitiative FastTUBe – und zum Beispiel Drittmittel einwerben.

Was sind Projektwerkstätten?

Früh übt sich – wer Themen und Ideen für eigene Studienprojekte mitbringt, der kann an der TU Berlin auch mal ganz ohne Professor*innen oder Dozent*innen studieren. Die Projektwerkstätten oder tu projects behandeln nachhaltige Themen, die bisher nicht im normalen Lehrplan auftauchen. Das Besondere an den Projektwerkstätten der TU Berlin: Nachhaltigkeit ist nicht nur für den Lehrinhalt gefordert, sondern trägt auch das Konzept. Durch die viersemestrige Laufzeit gelingt es häufig, einzelne erfolgreiche Lehrbausteine oder Konzepte dauerhaft in die Lehre an der TU Berlin zu integrieren.

Wichtige Voraussetzungen für das Gelingen von WannSea: Räume und Sponsor*innen

Die Suche nach Sponsor*innen für das auch was die Kosten anbelangt ambitionierte Projekt läuft noch, ebenso wie die Suche nach Räumen, die bisher auf dem Severingelände der TU Berlin bei der studentischen Initiative Heylige Frau Latte gegeben sind, aber eben nicht auf Dauer. „Räume zum Planen, Konstruieren und auch mal Kochen oder Zusammensitzen sind unglaublich wichtig, um den Teamzusammenhalt weiter zu stärken“, so Riccardo. Ein erster Schritt beim Sponsoring ist bereits getan: WannSea hat den 4Campus-Ideenwettbewerb des Gründungsnetzwerks Science and Startups gewonnen. Nun gilt es, das Geld für die Bootsteile zu akquirieren.

Die Vision WannSea endet nicht allein beim Gewinnen

Sollte alles so verlaufen wie geplant, kann WannSea mit seinem Boot 2023 vor der Bucht von Monaco in See stechen. Damit das möglichst erfolgreich verläuft, hat Riccardo bereits in diesem Sommer „Spionage“ in Monaco betrieben. „Ich habe bei den erfolgreichen Teams Detailfragen zur Technik und Bootsbau gestellt, fleißig notiert und das Wissen an meine Mitstreiter*innen zu Hause weitergegeben.“ Sein Team hat die Erkenntnisse umgehend in Präsentationen und Analysen umgemünzt. Herausgekommen ist auch hier das schlichte Fazit: Umso mehr Sponsor*innen, umso mehr Gewinnchancen.

Aber es geht Riccardo und seinem Team nicht nur ums Gewinnen: „Wir möchten echte Innovationen voranbringen, die vielleicht wirklich für den Schiffsbau nutzbar werden. Zum Beispiel könnten wir uns vorstellen, wasserfeste Pilze einzusetzen – ein ultraleichter Baustoff für Boote.“ Die Pläne für das Wintersemester 2022/23 sind erstmal greifbarer. Neue Student*innen für die Projektwerkstatt müssen her und WannSea will sich als studentische Initiative mit einem Grundstock an begeisterten Student*innen weiterentwickeln. Großes Ziel: Neben FastTUBe zu einem zweiten verstetigten studentischen Technikprojekt an der TU Berlin werden.

Autorin: Anna Groh

So könnte das Boot von WannSea aussehen – Arbeit am CAD-Modell