Das Projekt „Formen und Effekte von Misserfolg in der Wissenschaft“ (FEM) befasst sich mit Formen des wissenschaftlichen Misserfolgs und deren – fachgebietsspezifischen – Konsequenzen für die Forschungsbiographien und die Karrieren von Wissenschaftler*innen sowie für die Wissensproduktion ihrer Fachgemeinschaften.
Das Projekt FEM ist explorativ angelegt, da bislang kaum etwas über Formen und Effekte von Misserfolg in der Wissenschaft – das Ausbleiben der von den Forschenden angestrebten Resultate – bekannt ist.
Weder die Fachgemeinschaften noch die Wissenschaftsforschung führen eine systematische Diskussion über Misserfolg. Der Bias der Fachgemeinschaften zugunsten erfolgreicher Wissenschaft ist in deren Produktionsweise begründet, die darauf beruht, dass Mitglieder der Fachgemeinschaften aneinander anschließende Problemlösungen generieren und einander zur weiteren Verwendung anbieten. Die Anschlussmöglichkeiten für neue Forschungsbeiträge sind bei positiven Beiträgen in der Regel höher als bei Beiträgen, die genau einen Weg beschreiben, der nicht gegangen werden soll. Aus dieser impliziten Bewertung entstehen:
Diese Tendenzen erzeugen einen starken Druck auf die Wissenschaftler*innen, Risiken zu vermeiden. Nachwuchswissenschaftler*innen müssen erfolgreich sein, um unbefristete Stellen zu erlangen. Wissenschaftler*innen auf unbefristeten Stellen müssen erfolgreich sein, um die für die Aufrechterhaltung ihrer Forschung nötigen Mittel einwerben zu können und (zunehmend) Erwartungen des evaluationsbasierten Forschungsmanagements zu erfüllen.
Zwar haben Forschungspolitik und Fachgemeinschaften die negativen Folgen der Unterdrückung von riskanter Forschung und von Publikationen über Misserfolge erkannt. Es entstehen beispielsweise Zeitschriften, die der Publikation negativer Resultate gewidmet sind, und Förderprogramme, die explizit riskante Forschung fördern. Bislang gibt es aber keine Ansätze, die Evaluationssystemen inhärente Bestrafung von Risikobereitschaft zu begrenzen. Ein Grund dafür ist, dass wir zu wenig über Misserfolg wissen. Auch in der Wissenschaftsforschung werden neben einzelnen Hinweisen auf negative Konsequenzen von Misserfolg das Ausmaß dieser Folgen und spezifische Folgen unterschiedlicher Formen von Misserfolg weitestgehend ausgeblendet.
Das Projekt FEM bearbeitet diese Wissenslücken, indem es eine Typologie von Misserfolg erstellt und diese zu Konsequenzen für die Wissenschaftler*innen (die bis zum Karriereabbruch reichen können) und für die Forschung ihrer Fachgemeinschaften (z.B. das Nachlassen der Attraktivität bestimmter Forschungsthemen) in Beziehung setzt.
Dabei wird von einem Spektrum von Misserfolg ausgegangen, das vom gelegentlichen Scheitern im Verlauf eines Projekts, über das Scheitern einzelner Projekte, die hinter den Erfolg anderer zurücktreten, bis zum signifikanten Scheitern eines zentralen Forschungsvorhabens reicht.
Das Projekt FEM wird auf das signifikante Scheitern fokussieren und folgende Fragen beantworten:
Zur Umsetzung des Forschungsvorhabens kommen qualitative Interviews mit Wissenschaftler*innen, die signifikanten Misserfolg erlebt haben, sowie bibliometrische Methoden zum Einsatz.