Qualitätswissenschaft

Das zukünftige Qualitätsmanagement im Unternehmen

Das Qualitätsmanagement hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einem umfangreichen Managementsystem entwickelt und spiegelt in seiner heutigen Struktur die Komplexität der Globalisierung in allen ihren Facetten wider

Im Rahmen der vernetzten, digital, integrierten Produktion, auch als „Internet of Production“ bezeichnet, eröffnet sich ein neues Niveau der bereichsübergreifenden Zusammenarbeit im Wertschöpfungsprozess eines Unternehmens. Dabei werden semantisch geeignete, kontextbezogene Daten in Echtzeit und mit erforderlicher Granularität auf Plattformen zur Verfügung gestellt. Davon können auch Sie bei Ihren Qualitätsprozessen im Unternehmen profitieren.

Das Qualitätsmanagement im Unternehmen ist gekennzeichnet durch eine Vielzahl von eingesetzten, spezialisierten Methoden, für die dann meist umfassendes Expertenwissen erforderlich ist und deren Wechselwirkungen bzw. Vernetzung jedoch noch nicht umfassend verstanden sind.

Mit der nun verfügbaren Datenbasis erhalten Unternehmen die Möglichkeit, Qualitätsprozesse in der Produktion besser zu verstehen und durch gezielte Analysen und eine Auswertung dieser Daten zu optimieren. Die systematische Erfassung und Darstellung von Sensor-, Produktions- und Qualitätsdaten in einem sogenannten „digitalen Schatten“ entlang der Wertschöpfungskette bildet die Grundlage. Zusätzlich können Methoden aus dem Bereich künstliche Intelligenz (KI) bzw. Machine-Learning unterstützen, Muster und Korrelationen zu erkennen, die mit existierenden, beispielsweise statistischen Methoden nur unzureichend beurteilt werden können. So können Sie nicht nur Ihre Qualität absichern, sondern bereits prädiktive Aussagen zur Qualität von Produkten, Prozessen und Anlagenzuständen treffen.

 

Handlungsfelder der Digitalisierung im Qualitätsmanagement

Die Digitalisierung der Qualitätsarbeit wird damit zum Enabler für das Qualitätsmanagement der Zukunft. Dabei entstehen folgende Handlungsfelder, die von der Digitalisierung profitieren werden:

Prävention statt Reaktion - Frontloading zur Erhöhung der Produkt- und Prozessqualität

  • beschleunigte Entwicklung durch systematisches Requirements-Engineering

  • frühzeitigere Validierung durch Simulationen

Qualität erfordert Transparenz – Zusammenhänge und Wechselwirkungen erkennen zur Verbesserung der Reaktions- und Entscheidungsfähigkeit

  • mehr Transparenz durch kontinuierliches Monitoring über Cockpits und Bewertung der Wirtschaftlichkeit von Qualität

  • transparentere Entscheidungen durch kontextbasierte, situative intelligente Analyse- und Prognosemodelle („digitaler Schatten“)

Schnelligkeit – systematische Problemlösung beschleunigt Fehleridentifikation und Ursachenbehebung um bis zu 30 Prozent

  • höhere Reaktionsfähigkeit durch Frühwarnsysteme

  • Echtzeit-Mustererkennung und Diagnosesysteme bei Ausfällen/Fehlern

  • Ursachenanalyse/-behebung unter Nutzung von Expertensystemen

Kundenorientierung – besseres Verständnis von Kundenprozessen und -wünschen durch verstärkte Kundenintegration

  • höhere Produktqualität durch besseres Verständnis der Kundenprozesse sowie Integration von Social-Media-Daten und Innovationsplattformen

  • bessere Qualität durch Qualifizierung der Mitarbeiter

Lösungsangebot

Für diese Handlungsfelder der Digitalisierung der Qualitätsarbeit wurde vom Institut für Werkzeugmaschinen und Fabrikbetrieb (IWF) der TU Berlin auf der Grundlage von „Standard-Use-Cases“ ein Lösungsansatz zur Unterstützung des Qualitätsmanagers der Zukunft entwickelt: eine „integrierte Qualitätsplattform“ mit unterschiedlichen, die Qualitätsaufgaben in den genannten Handlungsfeldern unterstützenden Applikationen (Apps). Diese ermöglichen es Ihnen einerseits, basierend auf den aufbereiteten bzw. analysierten Echtzeitdaten aus der Produktion „Qualitätswissen“ zu generieren. Andererseits unterstützen sie bei der systematischen Ableitung von Qualitätsmaßnahmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette.

Es geht dabei nicht mehr vorrangig darum, den Istzustand in einem QM-System zu beschreiben, sondern darum, diesen zu verstehen, zukünftige Entwicklungen daraus abzuleiten sowie Prozesse und Qualitätsmaßnahmen vorauszuplanen, d.h. qualitätsdenkende und autonom qualitätshandelnde Systeme zu entwickeln bzw. im Unternehmen zu etablieren.Jochem, R.: Predictive Quality – Aktueller Hype oder künftig eine operative Notwendigkeit? In: QZ Qualität und Zuverlässigkeit 64 (2019), Nr. 11, S. 98 In den in Abbildung dargestellten Phasen werden dabei folgende Methoden der Statistik und der künstlichen Intelligenz eingesetzt:

Descriptive Analytics: Visualisierungen (Histogramme, Verteilungsfunktionen, Pareto-Plots etc.), statistische Kennzahlen, Zufallsstreubereiche, Konfidenzintervalle, Schätzfunktionen, Hypothesentests

Explorative Analytics: Regression, Varianzanalyse

Predictive Analytics: Weibull-Analysen, Clustering, Regression, Decision Trees, Assoziationsregeln

Prescriptive Analytics: Decision Trees, Deep Learning, evolutionäre Verfahren, Assoziationsregeln

Entwicklung der Datenanalyse in der Qualitätsarbeit – von der Zustandsbeschreibung hin zur operativen Prozessvorausplanung

Im Einzelnen erhalten Sie Unterstützung bei den folgenden Aufgaben:

  • Verknüpfen der relevanten Informationen und Prozessbeteiligten,
  • Zusammenführen und Nutzen des verteilten, impliziten Qualitätswissens,
  • „geführtes“ Erkennen von Fehlerschwerpunkten und Lernen aus Fehlern durch Assistenzsysteme und dynamische Fehlerkataloge,
  • systematischer Fehlerabstellprozess durch integrierte Qualitätsmethoden,
  • systematisches Lernen aus Ihren Daten.

Anforderungen an Mitarbeiter und Qualifikation

Die Umsetzung der digitalisierten Qualitätsarbeit steht und fällt einerseits mit der Qualität und Zuverlässigkeit der Daten, die von Sensoren erfasst, von Algorithmen in Systemen ausgewertet/analysiert und von Menschen zur Entscheidungsunterstützung genutzt werden.

Andererseits werden sich für die Umsetzung der digitalisierten Qualitätsarbeit vor allem auch die Anforderungen an die Qualifikation Ihrer Mitarbeiter im Qualitätsmanagement verändern müssen. Das Erfordernis, Informationsflüsse und den potenziellen Wert von Daten zu verstehen und unter Berücksichtigung des fachlichen Wissens auswerten zu können, schafft teilweise völlig neue Tätigkeitsfelder (Datenanalyse und Virtualisierung/Augmented Reality bis hin zur App-Entwicklung) für Ihre betreffenden Mitarbeiter im Qualitätsmanagement.

Qualitätsmanager der Zukunft werden aus Analysen von Echtzeitdaten die relevanten Qualitätsdaten für Risikobetrachtungen und Entscheidungen in der Produktionsplanung und -entwicklung liefern, ebenso für Prüfpläne, Test- und Abnahmekriterien.

Die Mitarbeiter sind daher gezwungen, sich neue Fähigkeiten anzueignen bzw. zu trainieren, um digitale Methoden und hochkomplexe Datensätze verstehen zu können.

Wesentlich bei der Digitalisierung wird aber sein, wie neben Daten, Algorithmen und künstlicher Intelligenz etc. das Zusammenspiel zwischen Menschen und Maschinen bzw. Computern partnerschaftlich gestaltet wird, da Mensch und Maschine nicht aufeinander reduziert werden können. Der Ersatz des Menschen, d.h. die Automatisierung von Prozessen über künstliche Intelligenz, wird in Zukunft weiter zunehmen, speziell da, wo die Stärke der Maschinen überwiegt und es die Natur der Problemstellung ermöglicht. Zu viel Automatisierung bedeutet aber einen Verlust an Autonomie auch im Qualitätsmanagement und damit die Gefahr, komplexe Fragestellungen unterkomplex zu behandeln. Denn Menschen verfügen zwar nicht über die Fähigkeiten der Maschinen, haben aber Wissen über den sozialen Kontext und können über Heuristiken oft viel schneller und effektiver lernen und auch mit Nichtwissen lösungsorientiert umgehen Jochem, R.; Menrath, M.: Warum in Zukunft Qualität mehr als Qualität sein muss. In: Schmitt, R.H. (Hrsg.): Potenziale Künstlicher Intelligenz für die Qualitätswissenschaft. Heidelberg: Springer, 2019, S. 127–144

Aufgrund der zukünftigen Online-Beziehung zwischen Kunden, Produkten und Dienstleistungen muss die Vielzahl der anfallenden Daten über ein entsprechendes Know-how in Data-Engineering und Data Science analysiert und interpretiert werden, um ein präventives bzw. prädiktives, transparentes, schnelles und damit kundenorientiertes Qualitätsmanagement zu ermöglichen. Denn erst die Entwicklung echtzeitfähiger Analysemethoden ermöglicht den proaktiven Eingriff in die Informationsprozesse und kann damit als Basis für neue digitale Geschäftsmodelle dienen.Studie Qualität 4.0 im Automobil. Accenture, 2016

Hier müssen Industrie und Wissenschaft zusammenarbeiten, um die nötigen Lern- und Trainingspfade auf praktischer Ebene zu entwickeln. Dazu wurde das Studienangebot der Qualitätswissenschaft in der Produktionstechnik an der TU Berlin sowohl in der Theorie als auch in den praktischen Übungen auf den Einsatz digitaler Methoden in der Datenanalyse und -auswertung fokussiert und in einem Quality Science Lab als praktische Lernumgebung umgesetzt.