Planetengeodäsie

Evolution des Inneren H2O-reicher planetarer Körper

DFG-Projekt „Modellierung der thermochemischen Evolution und der Evolution der Struktur eisreicher kleiner Körper“

Zusammenfassung

In den letzten Jahrzehnten wurde Wasser bzw. Wassereis auf mehreren planetaren Objekten beobachtet. Der Ursprung des Wassers auf der Erde ist immer noch eine offene wissenschaftliche Frage, wobei die Zusammenstöße mit kleinen H2O-reichen Körpern mit Sicherheit eine wichtige Rolle während der Entstehung der Erde gespielt hat. Das Wasser ist eine unabdingbare Komponente in der Evolution des Lebens und daher auch ein Biomarker für der Suche nach extraterrestrischem Leben in- und außerhalb unseres Sonnensystems. Während die Detektion von Wasser durch Beobachtungen von der Erde aus und durch Weltraummissionen sich auf Oberflächen oder kleine Tiefen planetarer Körper beschränkt, gewähren Modelle einen Einblick in deren tiefes Innere. Sie sind essentiell für das Verständnis davon, wie Wasser in die Zusammensetzung der Planeten eingebaut werden und die Langzeitevolution überstehen konnte sowie wie es heute im Inneren von planetaren Körpern verteilt ist. Modellierung des Inneren eis- bzw. wasserreicher Objekte ist seit Jahren Gegenstand engagierter Forschung. Wegen extremer Komplexität des wissenschaftlichen Problems und der mathematischen Gleichungen, die dieses beschreiben, behandeln unterschiedliche Modelle typischerweise nur einzelne Aspekte.

Das aktuelle DFG-Projekt behandelt solche kleinen planetaren Körper bis zur Größe von Zwergplaneten, die einen beträchtlichen Wasseranteil in ihrer Zusammensetzung vorweisen. Das sind beispielsweise Planetesimale, die in ihrer Zusammensetzung den Meteoriten der Klasse der kohligen Chondrite (CC) ähneln, die Objekte des Kuiper-Gürtels (KBO) und die Eismonde. Spezifische Vertreter dieser überaus diversen Gruppe von Körpern sind der Zwergplanet Ceres, der Eismond Enceladus und die KBO Charon und Pluto. Objekte, die im Sonnensystem größtenteils nicht identifiziert wurden, aber durch die Eigenschaften der Meteorite indirekt angegangen werden können, sind die Mutterkörper der kohligen Chondrite. Wasser enthaltende CC Mutterkörper sind wegen ihrer potentiellen Verwandtschaft mit Ceres von speziellem Interesse. Solche Objekte sind überdies stellvertretend für wasserreiche Bausteine der Erde. Ihre thermische, strukturelle und chemische Evolution sowie die Bedingungen für das Vorhandensein von Flüssigkeiten und Retention von Wasser werden mit selbstkonsistenten numerischen Evolutionsmodellen behandelt. Aufbauend auf unserer vorangegangenen Modellierung von Gesteins- und Eisplanetesimalen und Planetenembryos werden hochkomplexe Modelle entwickelt, die eine Reihe von relevanten involvierten Prozessen simulieren. Beispiele solcher Prozesse sind Akkretion, Erwärmung durch den Zerfall radioaktiver Isotope, Hydratisierung und Dehydratation von Mineralen, Schmelzen, Zweiphasenfluss, Kompaktion, Differenzierung, Wärmetransport und Konvektion.

Als wissenschaftliche Ziele des Projekts gelten das Herleiten wahrscheinlicher Evolutionsszenarien und innerer Strukturen unterschiedlicher Klassen wasserreicher Kleinkörper in Abhängigkeit von ihrer Zusammensetzung und Entstehungszeit relativ zur Entstehung der Calcium-Aluminium-reichen Einschlüsse (CAIs) sowie die Untersuchung des Vorhandenseins von Flüssigkeiten und das Ausmaß deren Retention im Inneren dieser Körper. Mit den entwickelten Modellen werden sowohl Planetesimale des frühen Sonnensystems, als auch spezifische Objekte des heutigen Sonnensystems untersucht.  

Geochemisch-mineralogische Daten, die aus den Messungen an den extraterrestrischen Materialen (z.B. CI/CM Chondriten) gewonnen wurden, sowie Ergebnisse von Weltraummissionen (Cassini, Dawn, New Horizons, Hayabusa2) liefern Anfangs- und Randbedingungen für die Modelle.

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