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Wichtige Debatte über Krankenhausstruktur sollte nicht Opfer der Pandemie werden

Medieninformation | 15. Juni 2020 | sn

Als eine der wichtigsten Schlussfolgerung aus der Corona-Pandemie fordert Prof. Dr. Reinhard Busse eine strikte Abkehr von der bislang in Deutschland geltenden Praxis, dass jedes Krankenhaus im Prinzip selbst festlegt, welche Leistungen es erbringt. „Wir sollten diese Praxis nicht fortführen“, sagt Reinhard Busse, der an der TU Berlin das Fachgebiet Management im Gesundheitswesen leitet. Notwendig sei vielmehr eine landesweite Krankenhausplanung, aus der das Aufgaben- und Leistungsspektrum jedes einzelne Krankenhaus hervorgeht – aufgrund seiner strukturellen, personellen und technischen Ausstattung und Erfahrung. Es sei nicht sinnvoll, so der Gesundheitsökonom und Co-Director des European Observatory on Health Systems and Policies, dass jedes Krankenhaus komplexe Krebsoperationen vornehme, also alle Kliniken alles machen würden. „Und wenn es nicht jedem Krankenhaus bislang selbst überlassen gewesen wäre, welche Leistung es anbietet, dann wäre es zu dem Desaster fehlender Schutzkleidung in der Corona-Krise in diesem Ausmaß auch nicht gekommen, weil ein Vorrat Voraussetzung zur Behandlung infektiöser Patienten Pflicht gewesen wäre“, so Reinhard Busse.

Die Debatte um eine Strukturreform der deutschen Krankenhauslandschaft war bereits vor dem Beginn der Pandemie geführt worden. Und es hatte begonnen, sich ein Verständnis dafür durchzusetzen, dass eine andere Art der Krankenhausversorgung und damit ihrer Qualität hierzulande nötig ist. Nun sieht Reinhard Busse diese wichtige Debatte in Gefahr. Er befürchtet, dass sie der Corona-Pandemie zum Opfer fallen könnte. Aus Angst, es könnten in deutschen Krankenhäusern Betten für Covid-19-Erkrankte fehlen und deshalb eine adäquate Versorgung nicht gewährleistet werden könne, verenge sich die Diskussion wieder auf die Anzahl der Betten in möglichst vielen Krankenhäusern. „Dass wir in Deutschland so viele Intensivbetten haben, ist in diesen Zeiten beruhigend, aber ansonsten gibt es zu viele Krankenhausbetten in zu vielen Krankenhäusern.“

Aus diesem Zuviel an Betten resultierten zum einen unnötige stationäre Behandlungen von Patienten, weil Krankenhäuser in Normalzeiten nur Geld bekämen für „gefüllte“ Betten. Zum anderen führe es dazu, dass das eigentlich pro Kopf der Bevölkerung ausreichend vorhandene Pflegepersonal auf zu viele Betten und Krankenhäuser verteilt werde mit der Folge, dass beim einzelnen Patienten nicht genügend Pflege ankomme. Reinhard Busse: „Wir brauchen eine Diskussion über die Krankenhausqualität und nicht über die Anzahl von Betten. Es wäre fatal, wenn wir nach der Corona-Krise diese Strukturdebatte nicht fortsetzen würden. Auch weil sie uns eine Antwort darauf finden ließe, wie wir künftig besser auf Pandemien vorbereitet sein könnten. Denn die Corona-Krise hat bestimmte Schwächen unseres Krankenhaussystems sichtbar gemacht.“

Eine dieser Schwächen sei das Vergütungssystem in den Kliniken. In der Zeit der Corona-Pandemie bekamen Krankenhäuser auch für leere Betten Geld, wenn sie diese als Reserve vorhielten. Bislang aber sind solche expliziten Reservekapazitäten in deutschen Krankenhäusern nicht vorgesehen. „Wir sollten darüber nachdenken, solche Reserven dauerhaft zu finanzieren und uns der Debatte stellen, ob es richtig ist, Krankenhäuser immer nur dafür zu bezahlen, wenn sie etwas tun und dass ein leeres Bett kein Geld bringt. Neben der Einführung einer landesweiten Krankenhausplanung müssen wir auch unser Vergütungssystem überdenken – als Lehren aus der Corona-Pandemie“, sagt Reinhard Busse.

Kontakt

Prof. Dr. med. Reinhard Busse
TU Berlin
Fachgebiet Management im Gesundheitswesen
Tel.: +49 (0)30 314-28420
E-Mail: mig(at)tu-berlin.de oder rbusse(at)tu-berlin.de