Die Medizintechnik, insbesondere die Entwicklung und Prüfung von Hilfsmitteln, hat an der TU Berlin eine lange Tradition. Ursprung war die auf Initiative von Prof. Schlesinger im Herbst 1915 gegründete Prüfstelle für Ersatzglieder, in der sich Ärzte, Ingenieure und Orthopädie-Mechaniker mit dem Ziel der Verbesserung der Kriegsopferversorgung zusammenfanden. Eine ihrer Nachfolgeeinrichtungen war die bis 2001 tätige und über fast dreißig Jahre von Herrn Prof. Boenick geleitete „Prüfstelle für Orthopädische Hilfsmittel“, deren Aufgabengebiet sich auch auf die Durchführung von Versuchsversorgungen zur Erprobung von Prothesensystemen am Patienten und auf die Prüfung von Rollstühlen erstreckte. Ein Teil der durch die Prüfstelle eingesetzten Prüfverfahren ist im Rahmen von Forschungsprojekten des damaligen Fachgebietes Biomedizinische Technik entwickelt worden. Die heutige Berlin Cert - Prüf- und Zertifizierstelle für Medizinprodukte GmbH hat das Know-how ihrer Vorgängereinrichtung in der Prüfung von Hilfsmitteln übernommen.
Nach der Neubesetzung des Fachgebietes Medizintechnik im April 2004 durch Prof. Kraft blieb die Praxis der bewährten Kooperation des Fachgebietes mit der Prüfstelle erhalten. Ziel ist es auch in Zukunft, am Fachgebiet Medizintechnik die wissenschaftlichen Grundlagen der Prüfung und Bewertung von Hilfsmitteln zu schaffen. Neben orthopädischen Hilfsmitteln (z. B. Prothesen für Amputierte, Orthesen), stehen auch weitere als Hilfsmittel eingestufte technische Produkte (nach SGB V, § 33 bzw. SGB IX, § 3) zur Sicherung des Erfolges einer Krankenbehandlung bzw. zum Ausgleich oder der Vorbeugung einer Behinderung im Mittelpunkt des Forschungsinteresses. So befasst sich das Fachgebiet auch mit Hilfsmitteln, die der Therapie bzw. der Prophylaxe von Druckgeschwüren dienen. Weiterhin werden Rollstuhlsitzkissen entwickelt.
Ein steigender Bedarf an der Entwicklung neuer Prüf- und Bewertungsmethoden für Hilfsmittel ist in mehrfacher Hinsicht gegeben. Einerseits ist für die Kostenerstattung von Hilfsmitteln durch die Gesetzliche Krankenversicherung eine Aufnahme der Produkte in das Hilfsmittelverzeichnis (nach SGB V, § 128) wichtig. Dies erfordert, neben der für die meisten Produkte erforderlichen Konformitätsbewertung als Medizinprodukt inklusive Funktionstauglichkeit und des medizinischen Nutzens eines Hilfsmittels. Hierfür einsetzbare Prüfmethoden fehlen bisher für wichtige Hilfsmittel und müssen im Interesse einheitlicher Qualitätsstandards dringend entwickelt werden. Andererseits ist die Verfügbarkeit klinisch bzw. im Rahmen von Probanden- oder Patiententests validierter Prüf- und Bewertungsmethoden für Hilfsmittelhersteller von großer Bedeutung. Die indikations- und beanspruchungsgerechte Entwicklung von Hilfsmitteln erfordert eine systematische Klassifizierung von mechanischen, regelungstechnischen, hygienischen und mikroklimatischen Anforderungen an das Neuprodukt. Hochwertige Hilfsmittel müssen heute für ihren spezifischen Einsatzzweck, also ein genau spezifiziertes Patientenklientel, optimiert werden. Dies ist nur mit einem klaren Anforderungskatalog und mit der Verfügbarkeit quantifizierender Nachweismethoden (hinsichtlich des Erfüllungsgrades der festgelegten Anforderungen) in Form reproduzierbarer Prüfverfahren möglich.
Ein weiterer Aspekt betrifft den in Zukunft steigenden Stellenwert technischer Hilfsmittel, wenn aufgrund der demographischen Entwicklung immer mehr Menschen auf diese Produkte angewiesen sein werden. Messbare Qualität, eine an den Bediener angepasste Funktionstauglichkeit und nachgewiesener therapeutischer Nutzen sind umso wichtiger, wenn die Versorgung im häuslichen Bereich aus ethischen und finanziellen Gründen immer häufiger der stationären Aufnahme in einem Pflegeheim vorgezogen wird. Die Prüfung und Bewertung von Hilfsmitteln ermöglicht dabei eine individuelle Auswahl unter Berücksichtigung einer guten Versorgung und wirtschaftlicher Kriterien.