Houston-Feeling in Berlin

Interview mit Tony Erdmann und Burkan Akyil über die Projektwerkstatt SatOps am Institut für Luft- und Raumfahrt

Der Weltraum wird immer wichtiger für das Leben auf der Erde. Damit wächst auch die Bedeutung von sicheren Raumfahrzeugen. Das Fachgebiet Raumfahrttechnik des Instituts für Luft- und Raumfahrt an der Technischen Universität Berlin vermittelt fundamentale Kenntnisse und forscht zu Raumfahrttechnik, -systemen und -planung sowie zur Satellitentechnik. Im Satellitenbetrieb behauptet die Technische Universität Berlin bundesweit eine Spitzenposition: Seit 1991 hat sie 22 Satelliten gestartet, davon sind 14 noch immer im Betrieb. Zum Vergleich: Derzeit haben andere Universitäten wie die TU München drei und die Universität Stuttgart einen Satelliten gestartet. In der Projektwerkstatt SatOps können Student*innen die Praxis im Missionskontrollzentrum der Technischen Universität Berlin selbst erleben. Wie es im Berliner „Houston“ aussieht, verraten Tony Erdmann und Burkan Akyil, Tutoren von der Projektwerkstatt SatOps.

Was ist SatOps 

Tony Erdmann: SatOps steht für Satellite Operations und ist eine studentische Projektwerkstatt. Projektwerkstätten sind Lehrveranstaltungen, die außer der Reihe stattfinden. Das Besondere ist, dass sie eigenständig unter der Verantwortung von Tutor*innen durchgeführt werden. 

Bei unserer Projektwerkstatt geht es um einen nachhaltigen Weiterbetrieb unserer universitätseigenen Satelliten, die ihre Missionsziele bereits erfüllt haben und für die es sozusagen kein Betriebsteam mehr gibt. Hinter unserer Projektwerkstatt steht die Idee, diese altgedienten Satelliten weiter zu betreiben, damit Student*innen den Betrieb hands-on erlernen können. Während im Erdorbit üblicherweise die neuesten TU-Satelliten betrieben werden, setzt die Projektwerkstatt die etwas älteren Universitätssatelliten jetzt für die Ausbildung neuer Student*innen ein. 

Das klingt originell und gleichermaßen nachhaltig. Wie sind Sie darauf gekommen? 

Tony Erdmann: Ich war als studentische Hilfskraft für den Satellitenbetrieb beschäftigt. Als das damalige Projekt und meine Stelle ausgelaufen sind, kam die Idee auf, den Betrieb in die Hände von Student*innen zu legen. Man kann die Satelliten natürlich nicht einfach so übergeben. Aber mit der Vermittlung von Grundkenntnissen und mit fachlicher Betreuung ist es eine einmalige Gelegenheit, während des Studiums in direkten Kontakt mit Satelliten zu kommen.  

Ein Highlight war die Idee, im hands-on-Ansatz mit den Student*innen in das Mission Control Center, also das MCC, zu gehen. Das MCC wird an der TU Berlin am Ernst-Reuter-Platz als Lehrlabor geführt, wurde aber vor der Projektwerkstatt selten genutzt. Die Nutzung war jetzt durch Corona eingeschränkt, aber diese hands-on-Erfahrung im MCC hat das Format natürlich wesentlich getrieben.

Wie organisieren Sie die Projektwerkstatt?  

Burkan Akyil: Die Projektwerkstatt bietet Module an, wie es sie in jedem Studiengang gibt. Sie sind auch in diversen Modulkatalogen vorhanden. Als Wahlpflichtfach oder freie Wahl können Student*innen unser Projekt wählen. Wir unterteilen die Projektwerkstatt in ein Projektmodul mit 6 Leistungspunkten und ein Grundkursmodul mit drei Leistungsunkten. Damit decken wir einen großen Bereich ab – auch für Student*innen, die vielleicht einfach einmal in die Raumfahrt reinschnuppern möchten. Das ist eine recht einmalige Gelegenheit, echte Satelliten, die im Orbit 500 Kilometer über uns fliegen, tatsächlich „anzufassen“. 

Wir haben ein Vorlesungsformat und halten wöchentlich eine Vorlesung, in der wir Grundlagen über Raumfahrttechnik und Satellitenbetrieb vermitteln. Zusätzlich dazu gibt es wöchentlich ein Übungsformat im MCC, bei der wir mit den Student*innen die Satelliten betreiben. Dafür benutzen wir ein Labormodell, das an das Netzwerk gebunden ist und mit dem wir Testbetriebe durchführen können. Das vermittelt dann tatsächlich ein MCC-feeling wie im Space Center in Houston oder im European Space Operations Centre (ESOC) in Darmstadt.  

Hinzu kommen semesterspezifische Aufgabenpakete in der Projektphase. Das sind zum Beispiel einfache Experimente zur Bildaufnahme, Diskussionen zu Weltraumschrott oder tagesaktuelle Überlegungen zu zukünftigen Weltraumaktionen. Abgeschlossen wird die Projektwerkstatt mit einer Präsentation als Prüfungsleistung und einem Abschlussbericht, die dann für die neuen Teilnehmer*innen zur Verfügung steht.

Auf welche Dauer ist die Projektwerkstatt angelegt? 

Tony Erdmann: Projektwerkstätten werden immer für zwei Jahre gefördert. Wir planen aber einen Verlängerungsantrag, insbesondere weil wir in den Digitalsemestern nicht in das MCC gehen konnten und der hands-on-Aspekt dadurch leider fehlte. Außerdem betreiben wir bereits drei Satelliten und haben die Aussicht, dass uns demnächst wahrscheinlich sogar mit TechnoSat ein noch komplexerer Satellit zur Verfügung stehen wird.

Und wie kommt die Projektwerkstatt bei den Student*innen an?  

Tony Erdmann: Es gibt einen Andrang, mit dem wir nicht gerechnet haben. Wir haben die ursprünglich 20 Plätze auf 30 hochgesetzt und haben eine Warteliste eingerichtet. Das Anmeldeverfahren haben wir außerdem mit einer Motivationsabfrage verknüpft, weil wir mit unserem Angebot auch interdisziplinäre Teilnehmer*innen ansprechen wollen. 

Was sind die großen Herausforderungen bei der Projektwerkstatt? 

Tony Erdmann: Wir mussten zu Beginn die Lehrveranstaltung neu aus dem Boden stampfen. Auch für die praktischen Elemente im MCC galt es, die technischen Voraussetzungen erst einmal zu schaffen. Unter Pandemie-Bedingungen ist jetzt der simulierte Betrieb auch noch im Internet zu streamen, da wir nicht ins MCC kommen.

Welche Erfahrungen haben Sie persönlich am meisten überrascht? 

Tony Erdmann: Für mich war die Lehrerfahrung neu, aber ich bin überrascht, wie leicht es mir mittlerweile fällt, wöchentlich einen eineinhalbstündigen Kurs zu leiten. 

Burkan Akyil: Für mich war die Eigenverantwortung mit der Projektwerkstatt neu. Ich bin schon Tutor an einem Fachgebiet. Da trägt aber der Dozent die Verantwortung, ich bin nur Wissensvermittler. Bei der Projektwerkstatt ist die Gruppe kleiner und agiert nach einer gewissen Zeit miteinander. Es ist persönlicher und hat eine starke Gruppendynamik.

 

Das Gespräch führte Christina Camier.