Ausgezeichnet gelehrt

Preis für vorbildliche Lehre 2023

Um hervorragende Lehre an der TU Berlin sichtbar zu machen, vergibt die Gesellschaft von Freunden der TU Berlin e.V. jährlich den Preis für vorbildliche Lehre. Dabei wird jedes Jahr der Fokus auf ein spezielles Format gelegt. Der Preis für 2023 wird für besonders innovative und studierendenzentrierte Invertedbzw. Flipped Classroom Formate vergeben. Die GrundideedesInverted ClassroomModell ist es, die Inhaltsvermittlung, die traditionell gemeinsam vor Ort mit dem*der Lehrenden stattfindet, und das Üben und Vertiefen, das zu Hause allein erledigt wird, zu vertauschen. Darüber hinaus gibt es keine allgemeingültige Definition dieses Lehr-/Lernformats, weshalb es sowohl in der Konzeption, als auch in der konkreten Umsetzung durchaus Unterschiede gibt.
Ausgezeichnet werden Prof. Dr. Juri Rappsilber mit seinem Team für eine Lehrveranstaltung im Fachgebiet Bioanalytik sowie Thies Johannsen für seine Lehrveranstaltung „Engineering for Impact – Verantwortungsvolle Innovationen“. Dotiert ist der Preis mit insgesamt 4.000 Euro. Das Preisgeld soll in der Lehre eingesetzt werden.

 

Gesunder Menschenverstand in der Lehre

Preis für vorbildliche Lehre für Prof. Dr. Juri Rappsilber und sein Lehrteam, Fachgebiet Bioanalytik, Institut für Biotechnologie

„Um gute Lehre anzubieten, muss man vor allen Dingen auf den gesunden Menschenverstand hören und offen bleiben für Anregungen“, sagt Prof. Dr. Juri Rappsilber. Er leitet das Fachgebiet Bioanalytik an der TU Berlin und erhält gemeinsam mit seinem Lehrteam, bestehend aus wissenschaftlichen und studentischen Mitarbeiter*innen, den Preis für seine Lehrveranstaltung „Bioanalytik I und II“, eine Pflichtveranstaltung, die sich an Bachelor-Student*innen der Biotechnologie richtet. Zwischen 80 und 100 Student*innen belegen diese Veranstaltung. „Wir haben alle ein gemeinsames Ziel: Die Student*innen sollen durch die Lehre, die wir ihnen anbieten, erreicht werden. Sie sind ja hier, weil sie lernen wollen. Unsere Aufgabe besteht darin, ihnen zu helfen, dass sie produktiv und effektiv vorankommen“, beschreibt Juri Rappsilber die Rolle, die er und sein Team als Lehrende anstreben. In der nun ausgezeichneten Lehrveranstaltung erarbeiten sich die Student*innen das grundlegende Wissen mithilfe spezieller Materialien selbst. Hierbei können sie unter anderem auf eine Vielzahl verschiedener vom Fachgebiet erarbeiteten Materialien zurückgreifen. So stehen ihnen diverse Videoformate zur Verfügung. Neben Videos von Vorlesungen gibt es diverse interaktive Versuchsvideos zur experimentellen Durchführung. Zu den Vorlesungsvideos erhalten sie Übungszettel zur Lernerfolgskontrolle und es gibt auf die Lektionsinhalte zugeschnittene, niedrigschwellige, wöchentliche Tests als Mittel zur regelmäßigen Lernerfolgskontrolle und als wichtige Hilfestellung zu semesterbegleitendem Lernen.

Die Präsenztermine werden zur Vertiefung, zur Anwendung und zur Diskussion genutzt. Zudem gibt es das Angebot einer Professoren-Sprechstunde und ein begleitendes Praktikum. „Die Lehrveranstaltung hätte ich so alleine nicht entwickeln können, sie ist das Ergebnis der Arbeit als Lehrteam. Gemeinsam mit meinen wissenschaftlichen Mitarbeitern Christian Forbrig und ursprünglich noch Sven Giese haben wir mit den Tutor*innen das Format erstmals umgesetzt und dann dank eines Studienreformprojekts mit Verstärkung von Edward Rullmann konsequent weiterentwickelt“, sagt Rappsilber. Jedes Semester werden neue Aspekte basierend auf den Erfahrungen des Teams, dem Feedback der Student*innen und den Anregungen der Zentraleinrichtung Wissenschaftliche Weiterbildung und Kooperation der TU Berlin (ZEWK) eingearbeitet. „Die Lehre, die wir heute hier anbieten können, ist das Ergebnis von vielen Jahren, in denen wir unsere Angebote immer weiterentwickelt haben. Jeder Kurs ist bei uns anders, alles bewegt sich, verändert sich. Wir überlegen im Team, was gut und was weniger gut bei den Student*innen ankommt und achten auch auf die Rückmeldungen der Student*innen, ihr Feedback ist wichtig“, sagt Juri Rappsilber. „Wir müssen dabei natürlich auch auf unser eigenes Zeitkontingent schauen, denn wir haben alle noch zahlreiche weitere Projekte auf dem Tisch. Daher gehört zur Verbesserung unseres Lehrangebots auch, dass wir schauen, was für uns in der Umsetzung von Maßnahmen zeitlich realistisch ist.“ Gefragt danach, wie sich Lehre im Laufe der Jahre verändert hat, sagt Juri Rappsilber: „Sie ist spannender geworden, weil es viel mehr Werkzeuge gibt und wir diese auch einsetzen, wir probieren viel mehr aus. Das macht Spaß.“

Auf Augenhöhe mit den Student*innen

Preis für vorbildliche Lehre für Thies Johannsen, Fachgebiet Konstruktion von Maschinensystemen im Institut für Konstruktion von Maschinensystemen

Thies Johannsen arbeitet als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet Konstruktion von Maschinensystemen der TU Berlin und vermittelt in seiner Lehrveranstaltung „Engineering for Impact – Verantwortungsvolle Innovationen“ Grundlagen des innovationsorientierten Wissens- und Technologietransfers. Student*innen aller Fächer sowohl aus den Bachelor- als auch aus den Masterstudiengängen können daran teilnehmen. „Wir versuchen den Student*innen Rüstzeug, Werkzeuge, Tools und Methoden mit auf den Weg zu geben, die sie später im Beruf anwenden können, wenn es darum geht, wissensbasierte Lösungen für komplexe Herausforderungen zu finden“, beschreibt Thies Johansen ein Ziel des Seminars. In Gruppen entwickeln die Teilnehmer*innen ein technologiebasiertes Anwendungskonzept für eine innovative Lösung einer aktuellen gesellschaftlichen Herausforderung. Gemeinsam erarbeiten sie beispielsweise eine Lösung im Bereich des Pflegenotstands. Wie lässt sich hier mit wissensbasieren Ansätzen Abhilfe schaffen? Welche technologische Innovation könnte in einem Teilbereich des Pflegenotstands zum Einsatz kommen? Eine solche Lösung könnte zum Beispiel ein Sensor sein, der pflegebedürftige Menschen unterstützt. Viele Aspekte müssen hier berücksichtigt, viele Stakeholder einbezogen werden, bis man gemeinsam zu einer anwendungsfähigen Lösung kommt. Dabei werden die Student*innen intensiv begleitet und lernen Techniken des wissenschaftlichen Arbeitens und Schreibens kennen. Neben der Selbstlernphase der Student*innen werden Vorlesungselemente mit Workshops und Gastvorträgen von Praktiker*innen kombiniert. Diese bereiten das jeweilige Sitzungsthema aus ihrer Perspektive und auf der Grundlage ihrer praktischen Erfahrungen vor und stellen diese Vorbereitung den Student*innen als Videos, Texte, Case Studies und Methoden zur Verfügung. Dadurch haben Student*innen die Möglichkeit, in den informierten Austausch mit den Expert*innen zu treten.

„Ich habe mich für dieses spezielle Lehrformat entscheiden, da ich hier den Fokus auf unterschiedliche Formate legen kann. Es lässt sich eine andere Form des Wissens vermitteln, eine deutlich anwendungs- und erfahrungsbezogene Form. Student*innen können sich ausprobieren. In den Evaluationen habe ich oft das Feedback erhalten, dass die Student*innen zu Beginn sehr skeptisch waren, weil sie sehr viel selbst einbringen mussten. Am Ende waren sie dann überrascht, wieviel hängen geblieben ist, welche neuen Perspektiven sie einnehmen konnten“, sagt Thies Johansen, der eigentlich gar keinen Lehrvertag hat, aber aus Interesse an der Lehre die Veranstaltung anbietet. „Wichtig ist mir, den Student*innen einen Schutzraum zu bieten. Wir haben gemeinsam die Aufgabe eine vertrauensvolle Atmosphäre herzustellen, in der Lernen gelingen kann, aber auch scheitern darf, um wiederum aus dem Scheitern zu lernen. Ich versuche, den Student*innen stets auf Augenhöhe zu begegnen, weil sie die Expert*innen ihres Lernprozesses sind“, beschreibt er sein Verständnis von guter Lehre.

Präsentation und Auszeichnung auf internationalen SEFI-Jahreskonferenz

Um auf dem neuesten Stand zu bleiben und sich auch international zur Hochschuldidaktik auszutauschen, wurden beide mit dem Lehrpreis ausgezeichneten Veranstaltungen als Best Practice im Rahmen der internationalen SEFI-Jahreskonferenz, eine wissenschaftliche Konferenz mit Schwerpunkt auf der Ingenieurausbildung und die größte Veranstaltung dieser Art in Europa, präsentiert. Im Rahmen dieser Konferenz wurden dieses und letztes Jahr die Beiträge von Prof. Dr. Juri Rappsilber und seines Teams in Folge mit dem Best Paper Award geehrt.

Lobende Erwähnung

Lobend erwähnt wurden beim diesjährigen Preis für vorbildliche Lehre außerdem Jean-Philippe Hashold von der Zentraleinrichtung Moderne Sprachen (ZEMS) für seinen Kurs „Italiano per fini accademici“, Prof. Dr. Steffi Knorn, Fachgebiet Regelungstechnik, mit ihrem Team für das Seminar „Signale und Systeme für Prozesswissenschaften“ sowie Prof. Dr. Uwe Nestmann, Fachgebiet Modelle und Theorie Verteilter Systeme, mit seinem Team für die Lehrveranstaltung „Formale Sprachen und Automaten“.

Autorin: Bettina Klotz