Lehren - Karriereschub, nicht Karriereknick

Damit sich gute Lehre lohnt: Vorschläge der AG Anreizsysteme der Technischen Universität Berlin

Herr Prof. Henning Meyer, woran zeigt sich in der Universität, dass gute Lehre noch nicht die gleiche Anerkennung genießt wie exzellente Forschung? 

Wenn man sich die Laufbahn einer Nachwuchswissenschaftlerin oder eines Nachwuchswissenschaftlers anschaut, dann wird deutlich, dass sie – angefangen bei ihren Abschlussarbeiten, über die Promotion bis zum Berufungsverfahren – vorrangig nach ihrer Forschungsleistung gefragt und bewertet werden. Nach ihrem Engagement für eine gute Lehre nur bedingt. Wir müssen da zu einer Ausgewogenheit finden.  

Wie setzt sich diese unterschiedliche Anerkennung von Forschung und Lehre nach der Berufung dann an der Uni fort? 

Es sind mehrere Elemente, an denen man es festmachen kann. Zum einen ist es die Sichtbarkeit. Wer exzellent in der Lehre ist, ist nicht so sichtbar wie jemand, der exzellent in der Forschung ist. Zum anderen ist es das Belohnungssystem. An unserer Uni gibt es das LinF-System, das personen-und fachgebietsbezogene Aktivitäten in Forschung und Lehre erfasst. Für den Bereich der Forschung werden sehr viele Tätigkeiten aufgeführt. Für die Lehre ist die Anzahl der erfassten Tätigkeiten jedoch weitaus geringer. Es ist daher schwieriger, in der Lehre Punkte zu erwerben. Aber die Punkte fließen in die W-Besoldung ein. Die vielfältigen Lehraktivitäten werden von LinF bislang nicht angemessen widergespiegelt. Es muss dringend überarbeitet werden. 

Was meinen Sie mit fehlender Sichtbarkeit? 

Damit meine ich, welche Anerkennung erfahren Hochschullehrende, wenn sie eine innovative Lehre machen, die das Lernen fördert, forschungs- und praxisorientiert sowie digital und international ist. In der AG Anreizsysteme für gute Lehre, die ich seit Mai 2019 leitete, bestand Einigkeit darüber, dass man in erster Linie Anerkennung für Forschungsprojekte und -ergebnisse erhält, weniger für Engagement in der Lehre. Das müssen wir ändern. 

Ist die ideelle oder die finanzielle Anerkennung gemeint? 

In erster Linie die ideelle, aber natürlich spielt die finanzielle auch immer ein Rolle. 

Welches Ziel hat die TU Berlin hinsichtlich einer gleichberechtigten Anerkennung von Lehre? 

… Forschung und Lehre besser miteinander zu vereinen. Das heißt, auch gute Lehre muss die wissenschaftliche Karriere fördern und sie nicht ausbremsen.  

„In Berufungsverfahren muss die Lehre deutlich mehr Gewicht erfahren.“

Mit welchen Maßnahmen soll erreicht werden, dass die Lehrleistung den gleichen Stellenwert bekommt wie die Forschungsleistung? 

Die AG Anreizsysteme hat sieben Felder identifiziert, wo gehandelt werden muss. Eines ist die Überarbeitung des LinF-Systems. Die AG schlägt vor, elf neue Parameter für die Bewertung der Lehre in den LinF-Katalog aufzunehmen. So sollen Punkte für die hochschuldidaktische Weiterbildung vergeben werden, aber auch für Aufgaben wie den Vorsitz des Prüfungsausschusses, die Verantwortlichkeit für Studiengänge oder für die Position des Studiendekans. Auf dem Feld Lehrpreise wäre eine Maßnahme, den ‚Preis für gute Lehre‘ der Gesellschaft von Freunden durch Preise auf Fakultätsebene zu ergänzen. Und in dem Feld ‚Kommunikation: Anerkennung und Sichtbarkeit von guter Lehre erhöhen‘ muss in den Berufungsverfahren die Lehre deutlich mehr Gewicht erfahren. So muss zum Beispiel, das Lehrportfolio, das Auskunft gibt über die Lehrphilosophie, Lehrbiografie, Lehrpraxis der Bewerberin oder des Bewerbers, angemessen berücksichtigt werden. 

Das Interview führte Sybille Nitsche 

Prof. Dr.-Ing. Henning Meyer, Fachgebiet Konstruktion von Maschinensystemen, leitet die AG Anreizsysteme für gute Lehre.