Kunstgeschichte

Unzeitgemäße Techniken. Zur Wiederaufnahme und Fortsetzung künstlerischer Verfahren

11.-13.06.2015 

Prof. Dr. Magdalena Bushart, Henrike Haug, Stefanie Stallschus 

Künstlerische Techniken und Verfahren entstehen und verschwinden; dieser historische Wandel gilt als wesentlicher Motor für eine Weiterentwicklung der Künste. Was aber passiert, wenn das Wissen um bestimmte Arbeitsweisen, Handlungen und Praktiken nicht erlischt, sondern reaktiviert wird? Wenn es wieder belebt, wieder entdeckt, neu eingeübt werden soll oder muss? Die vierte Tagung des Forschungsprojektes ‚Interdependenzen. Künste und künstlerische Techniken’ fragt nach den ‚unzeitgemäßen’ Techniken und zweifelt dabei bewusst die traditionellen kunsthistorischen Entwicklungsmodelle an. Es soll nicht darum gehen, Fortschritts- oder Verfallsgeschichten weiterzuschreiben, sondern die historiographischen Anachronien zu berücksichtigen, die aus der „Wiederbelebung“ als einer Figur der Nachträglichkeit resultieren. Erst die Reaktivierung eines Vergangenen setzt die Techniken in ein spannungsreiches Verhältnis zueinander und definiert, was unter „alt“ und „neu“ zu verstehen ist.

Die große Erzählung der abendländischen Kunstgeschichte benennt immer wieder
‚Renaissancen’ nach Zeiten des Niedergangs und Verfalls – ein Wiederaufblühen des
künstlerischen Schaffen, das zugleich auch die inventio alter Techniken bedeutete – wobei inventio sowohl ‚Wiederauffindung’ wie ‚Neufindung’ meint. Jeder dieser Epochen wird mindestens eine Wiederaufnahme eines verlorenen (zumeist antiken) Verfahrens zugeschrieben: Was für die karolingische Zeit der Bronzeguss ist, sind für die Normannen in Süditalien die textilen Techniken des Mittelmeerraumes und für die florentinische Renaissance die Kunst des Gemmenschnitts oder die Porphyrbearbeitung. Die eigentliche Blütezeit der unzeitgemäßen Techniken allerdings scheinen das ausgehende 18. und das 19. Jahrhundert zu sein; die Historismen dieser Epoche bildeten offensichtlich einen fruchtbaren Boden für die Wiederbelebung alter Techniken, die sowohl experimentell als auch systematisch forschend
wieder aufgedeckt wurden. Die Beschleunigung technischer Entwicklungen und die Verkürzung von Technologiezyklen seit der Industrialisierung begünstigt das Phänomen der Techniknostalgie, d.h. die symbolische Reaktivierung älterer Techniken um ihrer historischkulturellen Nebenbedeutungen wegen. Darüber hinaus bietet die Gegenwartskunst zahlreiche Beispiele für ein gesellschaftspolitisches Engagement, das dem Sterben von Techniken und dem Verlust von praktischem Wissen entgegen zu wirken versucht.

Reaktivierungen sind demnach dynamische Prozesse, an denen unterschiedlichste Akteure, Dinge und Ideen mitwirken. Vor diesem Hintergrund soll nach konkreten Konstellationen solcher Prozesse, ihren Ursachen und Auswirkungen gefragt werden. Wie muss man sich die Wiederauffindungen vorstellen? Handelt es sich um glückliche Zufälle von experimentierenden Handwerkern oder um das Ergebnis systematischer Studien? Wie entsteht die ‚Erinnerung’ an einstmals geübte Techniken? Welche Überlieferungsformen und Vorbilder geben Hinweise auf ältere Verfahren? Welche Rolle spielen Quellenschriften, welche der Befund der überlieferten
Artefakte?

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