Interdependenzen VII – Siebte internationale Tagung des Forschungsprojekts "Interdependenzen. Künste und künstlerische Techniken" des Fachgebiets Kunstgeschichte, Institut für Kunstwissenschaft und Historische Urbanistik, Technische Universität Berlin
Konzeption: Magdalena Bushart, Livia Cárdenas, Andreas Huth
Gedruckte Bilder und abgeformte Bildwerke haben eines gemeinsam: Sie gehen auf eine „Urform“ zurück, zu der sie in einem spannungsreichen/ambivalenten/komplexen Verhältnis stehen. Mit Hilfe eines (Negativ-)Bildes – einer Gussform, eines Druckstocks oder einer Druckplatte – in einem mechanischen Verfahren hergestellt, behaupten sie einen Ähnlichkeitsbezug sowohl zu einer Vorlage wie untereinander. Dennoch handelt es sich nicht um Reproduktionen, die mit dem Vorbild weitgehend identisch sind. Schließlich erfolgt die Übertragung der Vorlage in einer anderen als der ursprünglichen Technik und in der Regel in einem anderen Material als dem des ‚Urbildes‘ und mit Hilfe eines Mediums, das mit seinen technischen Vorgaben die Formgebung beeinflusst. Genau betrachtet stellen sie in technischer, materieller und formaler Hinsicht eher Varianten als präzise Abbilder der Vorlage dar. Und auch die vervielfältigten Werke sehen keineswegs gleich aus. Sie basieren zwar auf einer gemeinsame Abguss- bzw. Abdruckform, unterliegen aber auch den Bedingtheiten und Zufälligkeiten des Fertigungsprozesses. Hinzu kommt, dass die Produkte vielfach weiterbearbeitet, also „variiert“ wurden. Das gilt in besonderem Maße für das 15. und 16. Jahrhundert, jenen Zeitraum also, in dem die Verfahren des Abformens und Abdruckens durch den innovativen Einsatz von Materialien, die Erschließung überregionaler Märkte und die Entwicklung einer eigenen Ästhetik neu definiert worden sind: Die dreidimensionalen Objekte – wie beispielsweise Bildwerke aus Terrakotta oder Gips – wurden in Teilen umgestaltet und individuell polychromiert, die zweidimensionalen – vor allem Holzschnitte und Kupferstiche – koloriert, beschnitten oder silhouettiert. Das wirft die Frage auf, wie die Relation zwischen den Verwandtschaftsverhältnissen und der Individualität der Artefakte rezipiert wurde: Nahm man die Werke als Einzelstücke wahr, als Teil einer Serie, als Wiederholungen? Oder lag der Reiz gerade in dem Wissen um die Singularität der Stücke trotz ihrer offensichtlichen Gemeinsamkeiten?
Um die Vielfalt des Vervielfältigten in der Kunst des 14. bis 18. Jahrhunderts soll es in der siebten Tagung der Reihe „Interdependenzen. Die Künste und ihre Techniken“ gehen. Statt nach der normierenden Wirkung reproduzierter Bildwerke und Bilder (etwa durch die Etablierung bestimmter Bildtypen und die Standardisierung von Wissen), wollen wir nach den Varianten und ihren Varianzen fragen, die durch Abdruck- und Abformungsverfahren bzw. die Weiterbearbeitung entstehen. Uns interessieren zum einen die Unterschiede zwischen den Vorlagen und den Wiederholungen, zum anderen die Spielräume, die sich durch den jeweiligen Herstellungsprozess, aber auch die Möglichkeiten der Weiterbearbeitung auftun: Wie verhalten sich die Produkte zum jeweiligen Ausgangspunkt und wie verhalten sie sich untereinander? Wo sind Varianzen das Resultat bewusster Eingriffe, wo das Ergebnis des Produktionsprozesses? Welche Rolle spielen die Übertragungsmedien? Was bewirkt der Wechsel der Materialität? Welche Formen der Weiterbearbeitung lassen sich beobachten? Wie können gemeinsame und singuläre Eigenschaften der vervielfältigten Werke beschrieben werden? Was verbindet zwei- und dreidimensionale Vervielfältigungen, worin unterscheiden sie sich? Und schließlich: Wie ist das Spannungsverhältnis zwischen Ähnlichkeit und Abweichung rezipiert worden? Spielte es in der Wahrnehmung der Zeitgenoss:innen eine Rolle oder wird es mit Schweigen übergangen?