Kunstgeschichte der Moderne
© Ägyptisches Museum und Papyrussammlung, SMB

Perzeptionen Ägyptens. Die Zeichnungen der Preußischen Ägypten-Expeditionen (1842-1845) – Digitale Erschließung und interdisziplinäre Auswertung

Karl Richard Lepsius (1810–1884) gilt heute als Begründer der deutschen und Wegbereiter der internationalen Ägyptologie. Er leitete im Auftrag des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. (1795–1861) eine dreijährige, staatlich finanzierte Expedition nach Ägypten und Äthiopien. Als herausragende Ergebnisse dieser Forschungsreise gelten neben den mitgebrachten Objekten, vor allem die vor Ort entstandenen rund 2.000 Zeichnungen, von denen heute noch 1.743 erhalten sind. Zusätzlich wurden in Ägypten 75 Gipsabgüsse sowie etwa 8.000 Abklatsche (Papierabdrücke von Reliefs und Inschriften) hergestellt.

Die Expedition begleiteten die Maler Ernst Weidenbach (1818–1882), Max Weidenbach (nach 1818–1892), Johann Jakob Frey (1813–1865) und Friedrich Otto Georgi (1819–1874), der Architekt Georg Erbkam (1811–1876), der Gipsformer Carl Franke, der Theologe Heinrich von Abeken (1809–1872) und Karl Richard Lepsius. Der Vizekönig Mehmed Ali (1770–1849) erteilte den Expeditionsmitgliedern einen Ferman, eine Vollmacht, die es Lepsius ermöglichte, das ganze Land zu bereisen, Ausgrabungen durchzuführen, Objekte seiner Wahl mitzunehmen und alle notwendigen bzw. gewünschten Abklatsche, Zeichnungen und Gipsabgüsse anzufertigen. Viele der Zeichnungen wurden in dem großformatigen Werk Denkmäler aus Ägypten und Äthiopien (1849–1859) veröffentlicht. Das 12-bändige Tafelwerk, ebenfalls aus der Privatschatulle des Königs finanziert, spielt bis heute in der Ägypten-Forschung eine zentrale Rolle. Sowohl die Zeichnungen als auch Lithografien dienten zudem als Vorlage für die Wandgestaltung der Ägyptischen Abteilung im Neuen Museum.

Während der Expedition standen den Künstlern diverse technische Hilfsmittel zur Verfügung. Neben einem Zeichentisch, einem Theodolit und einem Fraunhofer-Teleskop benutzten sie für die Landschaftsaufnahmen die Camera lucida, mit deren Hilfe sie ein einwandfreies Proportionsschema der vor ihnen liegenden Landschaft auf ein Blatt Papier zeichnen konnten. Damit erfüllten sie Lepsius' Anspruch, der eine streng sachliche Aufnahme der Landschaften mit ihren Denkmälern forderte. Aus diesem Grund können die Zeichnungen meistens nur durch die Signatur der Künstler oder durch Tagebuchaufzeichnungen zugeordnet werden. Allerdings lagen den Zeichnungen und Lithografien kein rein „wissenschaftliches Sehen“ zu Grunde. Sie sind nicht nur Dokumentationen des Gesehenen, sondern zeigen auch Bildkonstruktionen und Fiktionen. Man kann auch von der Verschiebung einer „authentischen“ Grundlage zu einem pittoresken Bild sprechen.

Eine der Hauptaufgaben im Projekt ist die kunsthistorische Untersuchung und Auswertung der Zeichnungen aus dem Bereich Topografie und Architektur, wie Landschaftsansichten und archäologische Stätten. Eine Analyse dieser sowie die später entstandenen Lithografien und Gemälde mit anderen Illustrationen aus dem 19. Jahrhundert offenbart eine bemerkenswerte Entwicklung im Ägyptenbild. In einem internationalen Vergleich mit anderen Künstlern sowie Reisen und Expeditionen nach Ägypten zeigt sich, dass die Bilder der Lepsius-Expedition einer Darstellungstradition angehören, die sich im 18. Jahrhundert etablierte und teilweise bis heute anhält. Damit stellt sich die Frage, ob die Zeichnungen der reinen wissenschaftlichen Dokumentation dienten, oder ob sie nicht vielmehr einem von europäischen Vorstellungen geprägten und damit konstruierten Bild Ägyptens entsprachen.

Siehe auch: translocations: Ikonographie

Projektlaufzeit
2018 - 2021

Förderung 

Kooperationspartner*innen 

 NameInstitutionE-Mail
LeitungProf. Dr. Bénédicte SavoyTechnische Universität Berline.goulko@tu-berlin.de
 Tonio Sebastian RichterFreie Universität Berlin 
Wissenschaftliche*r Mitarbeiter*inDr. des. Mariana JungTechnische Universität Berlinmariana.jung@tu-berlin.de