Historische Bauforschung und Baudenkmalpflege
© Ann-Christin Stolz

Der Hekate-Tempel in Lagina

Das Heiligtum der Hekate von Lagina, das in der Antike über eine Heilige Straße mit der Stadt Stratonikeia verbunden war, befindet sind in Karien in der heutigen Westtürkei in der Provinz Muğla. Im Mittelpunkt der Forschungen steht der Tempel der Hekate als zentrales Bauwerk des Heiligtums mit dem dazugehörigen Altar und dem Propylon. Die Arbeiten vor Ort fanden in den Jahren 2011 sowie 2017 bis 2022 statt. Der Tempel wurde durch ein Erdbeben zerstört, wodurch die heute noch in situ befindlichen Fundamente, die Pflasterung und die Wände stark verformt wurden, und die Bauteile des Aufbaus verstürzten. Diese zahlreich erhaltenen Bauteile bilden die Grundlage für die Analyse des Bauwerks und ermöglichen eine nahezu vollständige zeichnerische Rekonstruktion des gesamten Aufbaus des Gebäudes.

Zunächst wurden 2011 im Rahmen der Bauaufnahme der Grundriss und die Schnitte im M 1:20 von den in situ erhaltenen Fundamenten, Wänden und der Pflasterung erarbeitet, in den weiteren Kampagnen insgesamt 623 Bauteile inventarisiert, fotografiert und beschrieben, die meisten dieser Bauteile im M 1:10 gezeichnet. Diese Dokumentation bildet die Grundlage für die zeichnerische Rekonstruktion und die Teilanastylose des Tempels.

Der Tempel wurde im späteren 2. Jh. v. Chr. zunächst als Antentempel mit zwei ionischen Säulen in antis errichtet. Von dieser Bauphase sind zahlreiche Bauteile des Wand- und Säulenaufbaus sowie die erste Lage des Gebälks mit dem Architraven erhalten. Die Wände und der Architrav trugen außen Inschriften, u.a. die südwestliche Längswand einen Senatsbeschluss – senatus consultum – aus dem Jahr 81 v. Chr. und die nordöstliche Längswand Priesterinschriften. Aufgrund der Ergebnisse der Bauforschung, dem Aufbau mit Bindern und unterschiedlich tiefen Läufern, deren Höhe nach oben hin abnimmt, kann die Anbringung dieser Inschrift rekonstruiert werden. Außerdem war es möglich, die zusammengehörenden Blöcke vor Ort auch wieder übereinanderzulegen.

Im 1. Jh. v. Chr. wurde der Tempel mit einer Ringhalle erweitert. Im Zuge dieser Umbaumaßnahmen wurden das Gebälk und Dach des Antentempels mit Ausnahme der Architravzone abgetragen. In dieser Bauphase kann der Tempel mit acht auf elf Säulen korinthischer Ordnung auf einer fünfstufigen Krepis rekonstruiert werden. Über dem im Vergleich zur ersten Bauphase deutlich größeren Bauwerk wurde das Gebälk und das Dach neu errichtet. Besonders bemerkenswert ist dabei der in der Forschung vielfach diskutierte Figurenfries, der außen die Ringhalle und innen die Wände bekrönte. Die Frieszone außen ist konstruktiv als Kniestock zu verstehen, die die Begehbarkeit des Dachstuhls mit den Erscheinungstüren gewährleistete. Mit der erweiterten Ringhalle, den Erscheinungstüren in den beiden Giebel und dem begehbaren Dach gehört der Hekatetempel in Lagina zur Gattung der Pseudodipteroi.

ProjektBauuntersuchung und Rekonstruktion des Hekatetempel in Lagina
ProjektleitungProf. Dr.-Ing. Thekla Schulz-Brize, TU Berlin; Prof. Dr. Bilal Söğüt, Pammukale Universität Denizli
Wissenschaftliche Mitarbeiter*innenPhilip Brize, Claudia Mächler, Thomas Palugyay, Ann-Christin Stolz, Shipan Zhao
Studentische Mitarbeiter*innenJosefine Beusch, Anika Fischer, Michael Salberg
FinanzierungDFG