Zentrum für Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung

Das Forschungsprofil des ZIFG

Intersektionale Geschlechterforschung als kritische Ontologie der Gegenwart

Im Alltag erfahren wir [Geschlecht] zumeist als »natürliche«, unhintergehbare Gegebenheit. In den Gender Studies wird [Geschlecht] – genauso wie beispielsweise race, Sexualität oder Klasse – hingegen als an der Nahtstelle von Natur und Kultur situierte, historisch gewordene Ordnungskategorie verstanden, die wiederum selbst gesellschaftliche und kulturelle, sprachliche und technologische, mediale und natürliche Wirklichkeiten sowie wissenschaftliches Wissen und wissenschaftliche Praxis (mit) gestaltet.

Vor diesem Hintergrund betreiben wir am ZIFG Geschlechterforschung als Kritische Ontologie der Gegenwart. Im Zentrum einer solchen kritischen Ontologie der Gegenwart steht das Dreieck Macht – Wissen – Subjekt. Wir fragen nach dem, was und wer wir gegenwärtig sind und wie wir zu dem geworden sind, was wir sind. Wir betonen also die Historizität gesellschaftlicher Verhältnisse und Kategorien und untersuchen diese in der Matrix historisch verschränkter patriarchal-androzentrischer und kolonial-eurozentrischer Normen.

Als kritische Ontolog_innen gehen wir von dem Grundsatz aus, dass die Dinge in der Welt nicht einfach vorliegen, sondern das Ergebnis von Praktiken und Prozessen sind, die ihrerseits bestimmten diskursiven und materiellen Bedingungen unterliegen. Die Frage, was wir wissen können, sowie die Fragen, wer wir sein und werden können und wie wir unser Zusammenleben einrichten, versuchen wir von der Geschichte dieser Bedingungen her zu beantworten. Die Ordnungen des Wissens – der Gegenstand der Epistemologie – und die Ordnungen des Seins – der Gegenstand der Ontologie – verstehen wir daher sowohl ko-konstitutiv als auch als ko-konstruiert. Dies ist besonders relevant in einer Welt, in der wissenschaftliche Erkenntnisse und technische Verfahren und Praktiken nicht nur untrennbar verbunden sind, sondern auch materielle Effekte zeitigen.

Besondere Schwerpunkte der Forschung am ZIFG bilden die durch Wissenschaft und Technik induzierten Transformationen, die wesentlich das Selbstverständnis der Menschen ebenso wie das soziale Zusammenleben und die gesellschaftlichen Naturverhältnisse berühren.

Hierzu gehören:

  • die transdisziplinäre und intersektionale Analyse der Formierung von Geschlechterverhältnissen und Geschlechterordnungen im Spannungsfeld von Gesellschaft, Geschichte, Technik, Kultur, Wissenschaft, Bildung, Globalisierung und Postkolonialität;

  • die Analyse der vergeschlechtlichten und vergeschlechtlichenden Implikationen der im Zeichen von Technologisierung und Digitalisierung stehenden Transformationen in den Selbstverhältnissen und der Wissensproduktion;

  • die Analyse von Hochschultransformationsprozessen sowie die wissenschaftliche Reflexion gleichstellungs- und diversitätspolitischer Instrumente im Kontext dieser Transformation;

  • geschlechtersensibilisierte Fachkultur-, Professions- und Institutionenforschung;

  • die kritische Dekonstruktion wissenschaftlichen Wissens, die zur Dekolonisierung der westlichen Universität sowie den Gender Studies selbst beiträgt;

  • die Frage nach neuen Formen von Kollektivität (unter anderem im urbanen Kontext) sowie die Untersuchung der gesellschaftlichen (auch technikgestützten) Organisation von Sorge und Sorgebeziehungen.