Wasserwirtschaft und Hydrosystemmodellierung

Flash flood modeling with a specific focus on arid regions and infiltration

Motivation

Ziel dieser Arbeit ist es, verschiedene Methoden und Anwendungen der Sturzflutmodellierung mit Schwerpunkt auf aride Gebiete und Infiltration zu untersuchen.Sturzfluten gehören zu den gefährlichsten Naturgefahren und können überall auf der Welt auftreten. Die fortschreitende globale Erwärmung verstärkt Sturzfluten verursachende Starkniederschläge. Beobachtungen haben in den letzten Jahrzehnten bereits eine deutliche Intensivierung von Starkniederschlägen gezeigt (siehe z.B. IPCC, 2021). Je nachdem, welches Szenario der globalen sozio-ökonmischen Entwicklung und der damit verbundenen Treibhausgasemissionen betrachtet wird, prognostizieren Klimamodelle für fast alle Landgebiete einen weiteren erheblichen Anstieg von Starkniederschlägen bis Mitte und Ende dieses Jahrhunderts. Die fortschreitende Urbanisierung erhöht die Intensität von und die Gefährdung durch Sturzfluten in Städten aufgrund des zunehmenden Anteils versiegelter Flächen und der höheren Bebauungsdichte. In ariden Gebieten stellen Sturzfluten in den über die meiste Zeit trockenen Flusseinzugsgebieten, so genannten Wadi-Systemen, ein hohes Risiko für Infrastruktur, Städte und Gemeinden dar.

Die Sturzfluten-Modellierung unterstützt die Planung und Umsetzung verschiedener Arten von Maßnahmen des Sturzflutrisikomanagements. Dazu gehören einerseits nicht-strukturelle Maßnahmen wie Frühwarnsysteme und Gefahren- und Risikokarten, die für die Stadt- und Landschaftsplanung sowie die Risikokommunikation eingesetzt werden können, und andererseits bauliche Maßnahmen wie Rückhaltebecken und Umleitungskanäle. Die Kombination von hydrologischen und hydrodynamischen Modellen ist vorteilhaft, da somit die kurzen Rechenzeiten hydrologischer Modelle zur Erstellung von Abflussganglinien aus größeren Einzugsgebieten mit der hohen räumlichen Auflösung und Genauigkeit hydrodynamischer Modelle und den sich hieraus ergebenen detaillierten Informationen zu Überschwemmungsgebieten für bestimmte (urbane) Gebiete, verbunden werden können. Für ländliche Einzugsgebiete sollten die Modelle Infiltration berücksichtigen, da diese einen erheblichen Einfluss auf Sturzfluten haben kann, insbesondere in ariden Gebieten, deren Böden typischerweise eine sehr geringe Anfangssättigung aufweisen. Darüber hinaus ist die Berücksichtigung der Infiltration notwendig, wenn die Wirksamkeit nachhaltiger wasserwirtschaftlicher Systeme in Städten, bespielsweise in Form von Versickerungsbecken und -gräben, mit dem Modell untersucht werden soll.

Untersuchungsgebiet

Das Hauptuntersuchungsgebiet dieser Arbeit ist die Stadt El Gouna im Einzugsgebiet des Wadi Bili in der östlichen Wüste Ägyptens. Die östliche Wüste Ägyptens ist durch zahlreiche Wadi-Systeme gekennzeichnet, die aus den Bergen kommend in den Nil oder das Rote Meer entwässern. Niederschläge sind in dieser Region zwar selten, aber manchmal sehr stark und können in den Wadisystemen Sturzfluten auslösen. Viele Städte und Siedlungen befinden sich in den unteren Einzugsgebieten und Deltas der Wadis. Nur wenige Gebiete sind durch Dämme, Entwässerungskanäle oder andere bauliche Schutzmaßnahmen geschützt. In den meisten Fällen sind Niederschlagsdaten in den Bergen nur über Satelliten verfügbar, in den flachen Teilen des Einzugsgebiets in der Nähe des Roten Meeres oder des Nils gibt es ggf. eine oder einige wenige Niederschlagsmessstationen. In den meisten Wadis gibt es keine Messpegel, so dass fast keine Abflussbeobachtungen verfügbar sind. Am 8. und 9. März 2014 verursachten starke Regenfälle Sturzfluten in verschiedenen Wadis. Für das Ereignis in El Gouna wurden während dieses Ereignisses Messungen von Niederschlag und Fließgeschwindigkeiten und Wasserstände zur Abschätzung des Abflusses durchgeführt, die in Hadidi (2016) veröffentlicht sind. El Gouna ist eine touristische Stadt mit vielen Lagunen und liegt an der Küste des Roten Meeres etwa 20 km nördlich von Hurghada. Der wichtigste Wadi, der die Stadt El Gouna beeinflusst, ist der Wadi Bili. Das Einzugsgebiet des Wadi Bili hat eine Ausdehnung von ca. 880 km² von den Red Sea Hills bis zur Müdnung in das Rote Meer.

Simulationsergebnisse

Das hydrologische Modell wurde anhand der von Hadidi (2016) veröffentlichten beobachteten Abflussganglinie kalibriert, eine Validierung war aufgrund fehlender weiterer Beobachtungsdaten nicht möglich. Das kalibrierte Modell wurde anschließend verwendet, um weitere Extremereignisse in Form der geschätzten 100-jährlichen Niederschlagsmenge und eines angenommenen Worst-Case-Szenarios zu simulieren, beide mit der gleichen zeitlichen Niederschlagsverteilung, wie sie während des Sturzflutereignisses im März 2014 gemessen wurde. Die Simulationsergebnisse des hydrologischen Modells zeigen eine stark nicht-lineare Beziehung zwischen Niederschlag und Abflussreaktion des Wadi Bili-Einzugsgebiets. Die Sturzflut, die aus dem Wadi Bili in die Stadt El Gouna eindringt, wurde mit dem 2D-Flachwassermodell hms simuliert unter Anwendung des Digitalen Oberflächenmodells AW3D30 (©Jaxa) zur Berücksichtigung der Topografie. Die verschiedenen mit dem hydrologischen Modell simulierten Ganglinien wurden als Randbedingung am Wadi-Oulet vor Erreichen der Küstenebene angesetzt und die zugehörigen zeitlichen Niederschlagsverteilungen wurden als Quelle in jeder Zelle des 2D-Modellgebiets verwendet. Durch die Verwendung des Green-Ampt-Modells kann die Infiltration berücksichtigt werden. Die Ergebnisse des 2D-Flachwassermodells zeigen z.B. die Ausbreitung der Sturzflut in Form von Fließgeschwindigkeiten und Wassertiefen in jeder Zelle des Berechnungsgebietes für Zeitschritte zwischen 1-3 Stunden über Simulationszeiträume von 43-72 Stunden.

Verschiedene bauliche Minderungsmaßnahmen im stromaufwärts gelegenen Wadi-Einzugsgebiet (hydrologisches Modell) und in der unmittelbaren Umgebung von El Gouna (2D-Flachwassermodell) werden auf ihre Wirksamkeit hin untersucht. Den Simulationsergebnissen zufolge können Rückhaltebecken im stromaufwärts gelegenen Wadi-Einzugsgebiet, die so ausgelegt sind, dass sie das im März 2014 beobachtete Ereignis vollständig abfangen, die flussabwärts gerichtete Hochwasserwelle des 100-jährlichen Ereignisses erfolgreich reduzieren und verzögern, allerdings wird der Spitzenabfluss während des angenommenen Worst-Case-Szenarios nicht durch die Rückhaltebecken beeinflusst. Zusätzlich zur Verringerung der Überschwemmungen können solche Becken das Süßwasser im flussaufwärts gelegenen Einzugsgebiet zurückhalten und speichern, so dass es für die Beduinen in diesem Gebiet nutzbar wird. Den Simulationsergebnissen zufolge hat die Verringerung des Abflusses durch Rückhaltebecken im stromaufwärts gelegenen Wadi-Einzugsgebiet nur einen geringen Einfluss auf die Überschwemmungen in El Gouna, da in den in den betrachteten Fällen die lokal gefallenen Niederschläge deutlich mehr zur Überflutung in El Gouna beitragen als die Hochwasserwelle aus dem Wadi, außer im angenommenen Worst-Case-Szenario. Dagegen könnten Rückhaltebecken und Entwässerungskanäle direkt um El Gouna die Wassertiefen im betrachteten Gebiet selbst im angenommenen Worst-Case-Szenario deutlich reduzieren. Allerdings muss man sich bewusst sein, dass überlastete bauliche Maßnahmen wie überlaufende Rückhaltebecken oder Kanäle die Überschwemmungen an anderen Stellen sogar noch verstärken können.

Der Green-Ampt-Ansatz, der in das robuste 2D-Flachwassermodell integriert ist, um die Infiltration zu berücksichtigen, wird für das Modellgebiet von El Gouna verwendet, da das Gebiet hauptsächlich aus natürlichen Oberflächen mit überwiegend sandigem Boden besteht. Literaturwerte für die Green-Ampt-Parameter der gegebenen Bodentypen führen zu einer starken Überschätzung der Infiltration. Um die Anwendbarkeit und die Grenzen der Literaturwerte für die Green-Ampt-Parameter zu beleuchten, werden verschiedene Niederschlags-Abfluss-Experimente aus der Literatur untersucht, für die beobachtete Abflussdaten vorliegen.

Verschiedene Quellen in Form von Satellitenbildern und Aussagen und Fotos aus der Bevölkerung dienen zur Verbesserung des digitalen Oberflächenmodells des Untersuchungsgebiets, zur Bewertung der Anwenbarkeit verschiedener Infiltrationseinstellungen und schließlich zur Validierung der Simulationsergebnisse für El Gouna.

Outlook

In der zukünftigen Forschung sollte die Berücksichtigung der Infiltration und damit verbundener Prozesse wie Oberflächenverkrustung oder Makroporeninfiltration in hydrodynamischen Modellen verbessert werden. Darüber hinaus sollten die Verkürzung der Rechenzeiten, die Verfügbarkeit und Nutzung hochauflösender Daten sowie die Einrichtung von Messgeräten für direkte Messungen weiter verbessert werden. Der zunehmende Zugang zu Satelliten- und Crowd-Sourced-Daten bietet das Potenzial, Sturzfluten weiter zu untersuchen und Sturzflutmodelle besser zu validieren. Bei der Untersuchung von urbanen Sturzfluten sollten die hydrodynamischen
Modelle das Entwässerungssystem und städtische Strukturen berücksichtigen. Generell müssen das Bewusstsein für das Risiko von Sturzfluten und das Sturzflutrisikomanagement weiter verbessert werden.

Publikationen

Tügel, F., Özgen, I., Hadidi, A., Tröger, U. & Hinkelmann, R. (2018): Modelling of flash floods in wadi systems using a robust shallow water model – case study El Gouna, Egypt. In: Gourbesville P., Cunge J., Caignaert G. (eds) Advances in Hydroinformatics. Springer Water. https://doi.org/10.1007/978-981-10-7218-5_41

Tügel F., Abdelrahman A.A.A., Özgen-Xian I., Hadidi A. & Hinkelmann R. (2020a): Rainfall-Runoff Modeling to Investigate Flash Floods and Mitigation Measures in the Wadi Bili Catchment, Egypt. In: Gourbesville P., Caignaert G. (eds) Advances in Hydroinformatics. Springer Water. https://doi.org/10.1007/978-981-15-5436-0_44 

Tügel, F., Özgen-Xian, I., Marafini, E., Hadidi, A. & Hinkelmann, R. (2020b): Flash flood simulations for an Egyptian city - mitigation measures and impact of infiltration. Urban Water Journal. https://doi.org/10.1080/1573062X.2020.1713171

Tügel, F., Hassan, A. & Hinkelmann, R. (2021): Applicability of the Green-Ampt model with literature parameter values to account for infiltration in rainfall-runoff simulations for ungauged catchments. Environmental Modeling and Assessment. https://doi.org/10.1007/s10666-021-09788-0

Tügel, F., Hadidi, A., Özgen-Xian, I., Hou, J. & Hinkelmann, R. (2022): Validation of flash flood simulations using satellite images and community-based observations - impact of infiltration and small-scale topographical features. Springer Book Wadi Flash Floods. https://doi.org/10.1007/978-981-16-2904-4

Project head:

Prof. Dr.-Ing. R. Hinkelmann

Scientific assistant:

Franziska Tügel M.Sc.

Project period:

October 2016 - March 2022

Simulation results