Erbsenschalen - wertvoller Ballast

Dr. Rocío Morales forscht daran, die Erbsenschalen für eine gesunde Ernährung auf pflanzlicher Basis nutzbar zu machen

Was für die einen nur Abfall ist und lediglich noch zur Verfütterung an Tiere taugt, ist für Dr. Rocío Morales eine ungenutzte Ressource für eine gesunde Ernährung auf pflanzlicher Basis. Die Rede ist von Erbsenschalen. Sie sind reich an Ballaststoffen wie Cellulose, Hemicellulose und Pektin. Die Schalen fallen zu Tonnen an, wenn die Erbsen verarbeitet werden, um Stärke zu gewinnen. Allein in Deutschland sind es jährlich 30.000 Tonnen Erbsenschalen bei der Stärkeherstellung. Gemeint sind die Schalen der runden Erbse, nicht die Hülse. Laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) verlängern Ballaststoffe das Sättigungsgefühl, verlangsamen den Anstieg des Blutzuckers, senken das Cholesterin und das Risiko für Bluthochdruck. Die DGE empfiehlt 30 Gramm Ballaststoffe pro Tag für Erwachsene.

Im Mund fühlt sich das wie Sand an

Dr. Rocío Morales, die am Fachgebiet Lebensmitteltechnologie und -materialwissenschaften von Prof. Dr. Stephan Drusch forscht, hat nach Wegen gesucht, wie die in den Erbsenschalen vorhandenen Ballaststoffe für die menschliche Ernährung aufbereitet werden könnten. Denn die Schalen einfach anderen Lebensmitteln wie Milch, Joghurt, Backwaren oder veganen Wurstaufstrichen beizumischen, ist nicht möglich. „Cellulose und Hemicellulose zum Beispiel sind wasserunlöslich. Würde man Erbsenschalen der Milch unbearbeitet zugeben, würden sie sich nach kurzer Zeit absetzen. Eine solche Milch wäre unverkäuflich. Da könnte sie noch so ballaststoffreich sein“, sagt Dr. Rocío Morales. Zudem besteht Cellulose aus langen Fasern. Im Mund fühlt sich das dann wie Sand an. Und zu guter Letzt dürfen die Lebensmittel, die mit diesen Ballaststoffen angereichert werden, natürlich auch nicht nach Erbsen schmecken. Die cremige Konsistenz eines Joghurts, die homogene, das heißt stabile Konsistenz der Milch oder die elastische Textur des Brotes und der gewohnte Geschmack des jeweiligen Lebensmittels dürfen durch die Ballaststoffe nicht beeinträchtigt werden.

Viskosität und Wasserbindung müssen verbessert werden

Für den Einsatz in einer auf pflanzlicher Basis beruhenden ballaststoffreichen Ernährung müssen die technofunktionellen Eigenschaften der Erbsenfasern wie Viskosität und Wasserbindung daher grundlegend verbessert werden. Dafür müssen die Fasern zerkleinert und die Zellwandstruktur aufgebrochen werden. Das ist hochkomplex und alles andere als trivial. Die aus dem spanischen Granada stammende Wissenschaftlerin experimentierte mit zwei Methoden: einmal nur mit der Hochdruckhomogenisierung und mit der Hochdruckhomogenisierung in Verbindung mit der enzymatischen Vorbehandlung der Erbsenschalen. Als Enzyme verwendete sie Cellulase, Hemicellulase und Pektinase. Bei der enzymatischen Vorbehandlung der Erbsenschalen schneiden die Enzyme die Zellwände quasi auf und erleichtern deren Aufbruch. Danach werden sie der Hochdruckhomogenisierung ausgesetzt. Dabei werden die Partikelgröße verkleinert und die kompakte Struktur weiter aufgebrochen, was für die Anwendung der Erbenschalen als Lebensmittelzutat wichtig ist, um eine gute Wasserbindung zu erzielen und die gewünschte Konsistenz und Stabilität zum Beispiel in Milchprodukten zu haben, ohne dass sich ein Bodensatz bildet.

Enzymatische Vorbehandlung reduziert Energieverbrauch

„Ziel unserer Forschung war es, die Partikelgröße der Erbsenfasern zu verkleinern, die Fähigkeit der Erbsenfasern, Wasser zu binden, zu verbessern und so die Viskosität von Suspensionen, die wir mit aufbereiteten Erbsenfasern versetzten, zu erhöhen. Mit einer enzymatischen Vorbehandlung in Kombination mit dem mechanischen Verfahren der Hochdruckhomogenisierung ist uns das gelungen. Die Kombination von Cellulase und Hemicellulase war dabei am überzeugendsten und ermöglicht zum Beispiel, die Viskosität den speziellen Erfordernissen eines Lebensmittels anzupassen. So ist die Viskosität von Smoothies oder Trinkjoghurt eine andere als die von pflanzlichen Brotaufstrichen“, erklärt Dr. Rocío Morales. Auch zeigte sich, dass durch die enzymatische Vorbehandlung der Energieverbrauch bei dem Verfahren der Hochdruckhomogenisierung reduziert wird.

Bis die Erbsenschalen als Lebensmittelzutat jedoch eingesetzt werden können, wird noch weitere universitäre und industrielle Forschung notwendig sein, um die Anwendbarkeit im industriellen Maßstab in der Lebensmittelherstellung und den Geschmack zu verbessern.

Das Forschungsprojekt „Erbsenfaser 2.0 – Neue Konzepte zur Erhöhung der Wertschöpfung und zur Optimierung der organofunktionellen sowie nutritiven Eigenschaften der bei der Erbsenverarbeitung anfallenden faserreichen Nebenprodukte“ wurde vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft im Rahmen seiner Eiweißpflanzenstrategie mit 280.000 Euro drei Jahre gefördert. Das TU-Team forschte zusammen mit einem Team der Universität Hamburg.

Autorin: Sybille Nitsche