Mobil arbeiten – im Büro, Zuhause oder in der Bahn

Für TU-Mitglieder wird die Vision nun Wirklichkeit – eine Dienstvereinbarung ist unterzeichnet

Frau Gliem, die Corona-Situation und die spontane Versetzung von rund 8000 Beschäftigten vor mehr als einem Jahr ins Homeoffice hat viele neue Erfahrungen gebracht – und die Vision vom Mobilen Arbeiten befeuert. Wie sieht diese Vision der TU Berlin aus?

Tatsächlich haben wir eine Dienstvereinbarung zum Mobilen Arbeiten unterzeichnet. Das Mobile Arbeiten ist im Prinzip ein ortsunabhängiges Arbeiten. Unser Plan ist, dass – nach Corona – bis zu 40 Prozent der monatlichen Arbeitszeit außerhalb der Universität geleistet werden kann. Zuhause, in der Bahn, im Café, in einer anderen Stadt, wenn man zum Beispiel Care-Verpflichtungen hat, oder sogar im Ausland. Man kann also beispielsweise zwei Tage die Woche mobil arbeiten oder auch eine ganze Woche im Monat. Es basiert auf Freiwilligkeit – niemand wird zum Mobilen Arbeiten gezwungen – und auf Absprache mit dem oder der jeweiligen Vorgesetzten, um sicherzustellen, dass die betrieblichen Belange funktionieren. Andere Dienstvereinbarungen und Regelungen gelten natürlich weiter wie die DV-Flex, die es erlaubt, zwischen 6 Uhr und 19.30 Uhr zu arbeiten. Denn das Mobile Arbeiten ist nicht als Freibrief gedacht, nachts oder am Wochenende zu arbeiten. Im Prinzip sollen Präsenzarbeit und Mobiles Arbeiten zu Äquivalenten werden.

 

Wie viel Kontrolle ist denn dabei möglich und nötig?

Das Ganze basiert auf gegenseitigem Einverständnis und Vertrauen. Schon jetzt gibt es ja die Telearbeit, die parallel bestehen bleibt. Bei der Telearbeit arbeiten Beschäftigte an festen Tagen von zuhause aus. Auch hier gelten ja die normalen Arbeitszeiten, und es ist Erreichbarkeit gefordert. Da ist viel eigenverantwortliches Strukturieren gefragt. Anders herum darf das Mobile Arbeiten nicht zur Entgrenzung führen, zum Beispiel zur Arbeit nachts, in Krankheit oder Urlaub, nur weil man sich jederzeit und von überall auf der Welt einwählen kann. Es liegt sowohl in der Verantwortung der Führungskraft, dieses nicht zu verlangen oder zu suggerieren als auch bei den Beschäftigten, dieses nicht zu tun.

 

Was ist der Vorteil für die Uni?

Wir erwarten tatsächlich eine Win-Win-Situation. Als Arbeitgeberin wollen wir auf verschiedene Lebensumstände eingehen, Beruf und Privatleben in Einklang zu bringen, Arbeit individuell zu gestalten und damit die Arbeitszufriedenheit und -motivation zu steigern. Gleichzeitig möchten wir mit der Institutionalisierung des Mobilen Arbeitens unsere Wettbewerbsfähigkeit als Arbeitgeberin steigern und uns – gerade auch im öffentlichen Dienst – positiv hervorheben.

 

Können alle Beschäftigten mobil arbeiten?

Grundsätzlich ja. Es wird aber, wie gesagt, niemand zum Mobilen Arbeiten gezwungen. Es gibt ja Personen, die das gar nicht möchten. Einige Bereiche entziehen sich allerdings dieser Arbeitsform. Denken Sie an Pförtner*innen oder Handwerker*innen. Doch auch hier kann man eventuell verwaltende Arbeitspakete identifizieren und bündeln – wie das Schreiben von Berichten oder Abrechnungen –, die dann im Mobilen Arbeiten geleistet werden können. Voraussetzung ist immer eine gute Kommunikation im Team. Das ist auch eine Kulturfrage. Es muss erkannt werden, dass Mobiles Arbeiten und Präsenzarbeit gleichwertig sind, dass Sichtbarkeit am Büroarbeitsplatz keine Vorteile verschafft.

 

Gibt es Rückmeldungen, wie das Homeoffice bei den Beschäftigten ankommt?

Das coronabedingte Homeoffice, das wir derzeit erleben, ist ja anders als es das Mobile Arbeiten in ‚normalen‘ Zeiten sein wird. So sind die Erfahrungen, abhängig von der persönlichen Situation, natürlich sehr unterschiedlich. Wer drei Kinder mit Homeschooling versorgen muss, wird es ganz anders erleben, als jemand, der das nicht muss. Das ist also nicht vergleichbar mit einem Mobilen Arbeiten nach Corona. Doch einen Eindruck konnten wir schon aus Rückmeldungen gewinnen, die unser Präsident erhalten hat. Er hatte in seinen 'Weekly Bulletins' aufgefordert, ihm zu schreiben, wie man mit der Situation zurechtkommt. Das war auch für die Planungen des Mobilen Arbeitens ganz spannend, denn die meisten Rückmeldungen waren grundsätzlich positiv. Alle hatten natürlich mit der persönlichen Situation zu kämpfen, mit der Plötzlichkeit, mit der Ausstattung Zuhause. Man war ja nicht vorbereitet, viele saßen am Küchentisch.

 

Welchen Unterschied gibt es denn zum Telearbeitsplatz?

Künftig sollen beide Instrumente parallel genutzt werden, da sie in einigen Punkten sehr unterschiedlich sind. Die Telearbeit ist verbindlicher, weil man sich gemeinsam mit dem oder der Vorgesetzten auf einen Zeitraum festlegt. Der Arbeitgeber ist auch in der Pflicht, bestimmte Dinge zu prüfen, eben die Arbeitsbedingungen am festen Arbeitsplatz Zuhause, zum Beispiel ausreichende Beleuchtung und Ergonomie. Das Mobile Arbeiten geht dagegen nicht einher mit dieser festen Ausstattung, eben weil der Arbeitsplatz variieren kann. Vielmehr ist angedacht, dass bei den normalen Austauschzyklen der technischen Ausstattung am Büroarbeitsplatz mehr auf Mobilität geachtet wird, also Laptop mit Dockingstation, die man mitnehmen kann, statt Desktop-Computer. Dafür ist es maximal flexibel und erfordert neben genauen Absprachen mit dem Team mehr Eigenverantwortung. Der eigene Arbeitsplatz im Büro bleibt selbstverständlich erhalten, da die Mobilität ja eben freiwillig ist. Auch für Führungskräfte gibt es natürlich neue Herausforderungen. Denn schließlich müssen Personen geführt werden, die man gar nicht sieht. Viele tun sich leicht, anderen fällt es nicht so leicht, ihren Tag und ihre Arbeit eigenständig zu strukturieren. Es muss also ein Mechanismus im Führungsstil gefunden werden, der funktioniert.

 

Und wie wird man das Mobile Arbeiten beantragen?

Einmalig wird ein Antrag gestellt, den wir digital verfügbar machen. Die Führungskraft bestätigt ihn, dann geht der Vorgang an die Personalabteilung. Bei Konflikten beginnt ein Mediationsprozess, in den auch Interessenvertretungen wie der Personalrat eingebunden sind. Dort wird ausgelotet, was geht und was nicht. Wir sind aber optimistisch und glauben, dass das in weiten Bereichen unserer Universität funktioniert. Denn in dieser hinter uns liegenden Corona-Zeit haben wir alle gelernt, was auch in Bereichen möglich ist, die man gar nicht für Homeoffice geeignet gehalten hätte. Dennoch bleibt es ein innovatives Instrument, mit dem wir noch mehr Erfahrungen sammeln müssen. Zum Beispiel haben wir die ganz wichtige Aufgabe, die Digitalisierung voranzutreiben. Die Äquivalenz zwischen Präsenz und Mobilem Arbeiten kann nur hergestellt werden, wenn unsere Prozesse möglichst weitgehend digitalisiert sind. Denn mit den ‚gelben Mappen‘ funktioniert das nicht.    

 

Wann wird die neue Dienstvereinbarung kommen, wie lange wird sie gelten, und welche Stellen sind an der Ausarbeitung beteiligt?

Die Personalräte, Personalabteilung, Schwerbehindertenvertretung, Frauenbeauftragte, Sicherheitstechnische Dienste, Gesundheitsmanagement und Datenschutz haben bereits seit einigen Jahren an einem solchen Instrument gearbeitet. Die pandemiebedingten Erfahrungen haben das Ganze aber jetzt erweitert, so dass Ende Juni 2021 die Unterschriften gesetzt wurden. Wirklich greifen und anfangen zu leben wird das Instrument allerdings erst, wenn die Pandemie vorbei ist. Solange die noch nicht im Griff ist, werden wir ohnehin empfehlen, zu Hause zu arbeiten. Die DV Mobiles Arbeiten soll dann aber mindestens bis 2025 fortführt werden, um dann möglichst dauerhaft nutzbar zu sein. Geplant sind in der Zwischenzeit jährliche Evaluationsgespräche zwischen Personalräten und Hochschulleitung sowie eine größere Evaluation mit Umfrage. Um die Einführung des Mobilen Arbeitens vorzubereiten, hat mich der TU-Präsident Christian Thomsen gebeten, eine neue Arbeitsgruppe „Mobiles Arbeiten“ ins Leben zu rufen und zu leiten.   

 

Was ist die Aufgabe der neuen Arbeitsgruppe „Mobiles Arbeiten“?

Sie besteht aus vier Untergruppen. Die erste befasst sich mit der Qualifizierung: Wie funktioniert gute Zusammenarbeit? Wie führe ich ein mobiles Team? Wie gehe ich mit den Tools um? Wie grenze ich mich ab? Die zweite Gruppe beschäftigt mit einem „Knigge“, einer Etikette zum Mobilen Arbeiten: Wann kann man die Kolleg*innen anrufen? Ist 6 Uhr morgens okay, weil ich da ja schon arbeite? Dann gibt es eine Gruppe zum Leitbild: Wo soll die Entwicklung des Mobilen Arbeitens hingehen? Und eine vierte Gruppe zur Technik: Welche Konferenztools können wir nutzen, was brauchen wir noch? Wie können wir hybrid arbeiten, zum Beispiel Arbeitssitzungen mit präsenten und digital zugeschalteten Teilnehmer*innen? Welche Voraussetzungen müssen noch geschaffen werden? Wie sieht es mit Datenschutz und Datensicherheit aus?

 

Gibt es eigentlich bei anderen Universitäten auch derartige Überlegungen?

Aus meiner Sicht ist es durchaus ein Alleinstellungsmerkmal der TU Berlin. Es ist mir nicht bekannt, dass zumindest die großen Berliner Universitäten etwas Vergleichbares bereits haben, außer ähnliche Instrumente wie die Telearbeit. Im Bundesgebiet kann das aber natürlich sein. Sicher sind wir nicht die einzigen, die die Chancen des Mobilen Arbeitens erkannt haben.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Patricia Pätzold