Institut für Festkörperphysik

Prof. Dr. Wolfgang Richter

02.01.1940 - 12.02.2013

Professor Dr. Wolfgang Richter war von 1988 bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2005 am Institut für Festkörperphysik der Technischen Universität Berlin tätig.

Professor Dr. Wolfgang Richter hat durch sein Wirken das Institut für Festkörperphysik und viele Generationen von Wissenschaftlern maßgeblich geprägt. Seine wissenschaftlichen Arbeiten führten zu neuen, grundlegenden Erkenntnissen im Bereich der Oberflächen- sowie Grenzflächenoptik und haben wesentlich zur industriellen Anwendung der optischen in-situ Spektroskopie beigetragen. Für sein akademisches Werk hat er zahlreiche Ehrungen im In- und Ausland erhalten.

Wir haben Wolfgang Richter als Hochschullehrer, als Wissenschaftler und insbesondere als Mensch sehr geschätzt und werden ihm immer ein ehrendes Gedenken bewahren.

 

Nach längerer Krankheit verstarb unser geschätzter Kollege und früherer Mentor Wolfgang Richter im Februar 2013 in Rom im Alter von 73 Jahren. Seit unserer Zeit als seine Diplomanden und Doktoranden der ersten Generation verband uns mit ihm nicht nur die Tatsache, dass wir unter seiner Anleitung wissenschaftlich „Laufen“ gelernt haben, sondern auch eine fortwährende wissenschaftliche Kooperation und persönliche Freundschaft.

Sein Hauptarbeitsgebiet und wissenschaftliche „Liebe“ war die Festkörperoptik – insbesondere an Grenz- und Oberflächen. Schon in seiner Promotion an der Universität zu Köln befasste er sich mit Infrarotspektroskopie an Tellur. In den anschließenden Postdoc-Jahren bei Elias Burstein (Philadelphia) und Manuel Cardona am MPI für Festkörperforschung (Stuttgart) rückte die resonante Raman-Spektroskopie an Verbindungshalbleitern ins Zentrum seines Interesses. Nach der Habilitation bei Peter Grosse (RWTH Aachen) hat er diese Thematik als Professor an der Universität Ulm und an der RWTH Aachen (1979–88) vertieft. Hierbei spielten epitaktische Schichtsysteme eine immer wichtigere Rolle. Bald kristallisierte sich die Zielrichtung heraus, die Wolfgang Richters Forscherlaufbahn bis zuletzt prägen sollte: die optische Analyse von Oberflächen und die direkte in situ Beobachtung von Wachstumsprozessen epitaktischer III-V-Halbleiterschichten. Hinzu kam die Entwicklung der metall-organischen Gasphasenepitaxie an der RWTH Aachen. Doch wenig war bekannt über die komplexen Prozesse in der Gasphase und insbesondere auf der Substratoberfläche, die von den gasförmigen Precursoren zu kristallinem GaAs führen sollten. Beides zusammenzubringen machte es erforderlich, ein klassisches Problem der Oberflächenphysik zu lösen: die Oberflächenanalyse unter Nicht-UHV-Bedingungen.

Die Berufung auf eine C4-Professur an die TU Berlin 1988 er möglichte es Wolfgang Richter, beide Seiten des Problems gleichzeitig anzugehen: sowohl Oberflächen im UHV als Referenz optisch zu charakterisieren als auch optische in-situ-Tools zu entwickeln, die Wachstumsprozesse der Gasphasenepitaxie in Echtzeit verfolgen können und die Entwicklung der Oberflächenstruktur und -morphologie aufzeigen. Über die etwa 20 Jahre seines Schaffens in Berlin hat dieser Ansatz viel bewegt. Klar gezeigt ist heute an vielen Beispielen, wie mit Ellipsometrie, Raman-Spektroskopie und insbesondere Reflexions-Anisotropie-Spektroskopie elementare Oberflächenanregungen spektroskopisch analysiert werden können. Durch den Fortschritt in „Computational Material Science“ lassen sich diese spektralen Fingerprints in atomare Strukturinformation übersetzen. Die in-situ optischen Sensoren sind heutzutage Standardoption in kommerziellen MOVPE-Reaktoren.

Neben der Wissenschaft haben Wolfgang Richter auch die Menschen und ihre Lebensverhältnisse interessiert. Schon früh pflegte er wissenschaftliche Kontakte in die damalige DDR, die er nach der Maueröffnung weiter auszubauen konnte. Kooperationen mit Kollegen an der HU Berlin, der FSU Jena (insbesondere Friedhelm Bechstedt), der Akademie der Wissenschaften in Adlershof sowie nach Dresden, Leipzig und Halle wurden etabliert und haben über die Jahre hinweg zum vertieften Verständnis der Oberflächenoptik und zur kontinuierlichen Weiterentwicklung der MOVPE beigetragen.

Daneben widmete er sich in verschiedenen Funktionen der Gestaltung der deutschen und der Berliner Forschungslandschaft, in Zeiten des Umbruchs und der Wiedervereinigung eine große organisatorische, aber insbesondere auch menschliche Aufgabe. Seit 1992 war er Mitglied und später Vorsitzender der Berliner Physikalischen Gesellschaft und hat am Aufbau dieser traditionsreichen Sektion im wiedervereinten Berlin mitgearbeitet. Als Kuratoriumsvorsitzender des Magnushauses hat er sich erfolgreich für dessen Erhalt engagiert. Im Jahr 1995 hat er die große Festtagung zum 150-jährigen Bestehen der DPG organisiert.

Nach seiner Pensionierung in Berlin (2005) folgte Wolfgang Richter einem Ruf auf eine Professur an die Universität Rom Tor Vergata, wo mit Rudolfo DelSole ein langjähriger Partner aus der theoretischen Festkörperoptik arbeitete. Hier widmete er sich bis zuletzt wieder seiner ersten Liebe: der Raman-Spektroskopie an Oberflächen und dünnen organischen Schichten, und das mit möglichst hoher Orts-auflösung.

Die Erkrankung, an der Wolfgang Richter im Februar verstorben ist, setzte ihm schon einige Jahre immer wieder zu. Unterkriegen ließ er sich dabei nie – solange Kaffee und Pfeife in Reichweite und ein physikalisches Problem zu diskutieren waren. Seine wissenschaftlichen Arbeiten führten nicht nur zu neuen grundlegenden Erkenntnissen, das optische in-situ-Monitoring ist durch ihn und seine Mitarbeiter hoffähig geworden. Geschätzt haben wir immer die unkomplizierte, offene und freundschaftliche Arbeitsatmosphäre in seiner Gruppe. Wir vermissen ihn sehr.

Norbert Esser, Jean Geurts und Dietrich RT Zahn