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Echo einer kosmischen Eruption

Was die Tiefsee über die Milchstraße verrät

Höchstens 33.000 Jahre alt sind 19 Atome des radioaktiven Isotops Eisen-60, die Dr. Jenny Feige, Astrophysikerin am Zentrum für Astronomie und Astrophysik der TU Berlin und ihre Kolleg*innen in Sedimenten aus der Tiefsee gefunden haben. Da diese Form des Eisens natürlicherweise nicht auf der Erde vorkommt, muss es aus dem Weltall auf die Erde gerieselt sein und stammt wahrscheinlich aus einer Supernova, einer Sternenexplosion.

Jenny Feige gehört zu einem internationalen Team von Wissenschaftler*innen aus Canberra in Australien, Wien, Berlin und Dresden um Professor Anton Wallner vom Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR). Schon vor einigen Jahren hatte das Team radioaktiven Sternenstaub gefunden und damit nachgewiesen, dass es vor etwa 2,6 Millionen Jahren sowie vor etwa sechs bis sieben Millionen Jahren mehrere Supernovae in relativer Nähe zu unserem Sonnensystem gegeben haben muss. Der untersuchte Sternenstaub stammt aus Sedimenten aus 4.000 Meter Tiefe im Meer an der Südwestspitze Australiens.

Gab es eine Supernova in der Nähe unseres Planeten auch, als schon Menschen auf der Erde lebten?

„Die Sedimente sind wie ein Archiv unserer Erdgeschichte und des Universums“, erklärt Jenny Feige, „und sie geben uns ganz neue Einblicke in Aufbau und Entwicklung unserer Milchstraße.“ Sie führte damals wie heute die entscheidenden Untersuchungen durch, unter anderem am Beschleuniger Massenspektrometer des HZDR, der Groß-Anlage DREAMS. Der Nachweis ist äußerst schwierig, denn zunächst muss das extraterrestrische Eisen vom irdischen in aufwendigen chemischen Prozessen getrenntwerden. Gab es also auch vor wenigen Jahrtausenden, im Menschenzeitalter, eine Supernova in der Nähe der Erde?

Interstellare Wolke könnte Einfluss auf unser Klimageschehen haben

„Der Fund bedeutet zunächst nur, dass uns auch in jüngster Vergangenheit Eisen-60 aus Supernovae erreichte, allerdings weniger als vor einigen Millionen Jahren“, so Jenny Feige. Und er beweist, dass sich unsere Erde bereits seit mindestens 33.000 Jahren durch eine dichte Gas- und Staubwolke bewegt, die als lokale interstellare Wolke bekannt ist und die auch Einfluss auf unser Klimageschehen und auf die Strahlung haben könnte, der die Erde ausgesetzt ist. Wäre die Wolke in den letzten Millionen Jahren aus einer Supernova entstanden, würde sie mehr Eisen-60 enthalten. Mitunter verteilen sich solche Wolken allerdings auch über Jahrmillionen im Weltall.

Weitere Forschung nötig

Studienleiter Anton Wallner erklärt: „Das in Staubpartikeln eingeschlossene Eisen-60 im interstellaren Medium könnte auch mehrmals reflektiert, gewissermaßen ‚herumgeschubst‘ worden sein, könnte also noch von älteren Supernova- Explosionen stammen, und wir messen eine Art Echo dieser kosmischen Eruptionen.“ Gewissheit kann erst die weitere Forschung schaffen.

Die Studie erschien in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) DOI:10.1073/pnas.1916769117.

Originalpublikation

Der Text ist am 29. November 2020 in der Sonderbeilage der TU Berlin im Der Tagesspiegel erschienen.

Autorin: Patricia Pätzold