Im Fokus: Stärke, Zucker, Fette

In den Laboren des Fachgebietes Lebensmittelverfahrenstechnik wird geforscht, damit industriell hergestellte Lebensmittel gesund sind

Unspektakulär sieht sie aus, die Anlage zur superkritischen Schmelzmikronisierung. Aber mit ihr wurde die Margarineherstellung „revolutioniert“ und Eckhard Flöter ist dabei gewesen. 14 Patente hält er an diesem relativ neuen Verfahren, bei dem mit superkritischem CO2 eine verflüssigte Fettmischung unter Hochdruck durch eine Düse versprüht wird. „Dadurch entstehen sehr kleine Kristalle, die dispergiert im Produkt effektiver sind als normal und damit gesundheitlich verbesserte Produktzusammensetzungen ermöglichen“, so Professor Flöter. Unlängst holte er die Anlage – die in der akademischen Welt einzigartig sei, wie er sagt – in die Labore seines Fachgebiets Lebensmittelverfahrenstechnik. Und er hat Neues mit ihr vor – zum Beispiel die aufwendige Herstellung von Schokolade zu vereinfachen oder neue raffinierte, verschiedene Sinne anregende Wahrnehmungen zu kreieren.

Ersatz für ungesunde Fette

In den Laboren des Fachgebiets werden Stärke, Zucker und Fette erforscht. Die Hochleistungsflüssigkeitschromatografie dient unter anderem dazu, die Zusammensetzung von Fetten, Ölen oder Wachsen zu analysieren. Derzeit untersucht Maria Scharfe Bienen- und Sonnenblumenwachs. „Mit Hilfe der Analyse erfahren wir, wie die Wachse aufgebaut und welche Eigenschaften damit verbunden sind“, so Scharfe. Ziel ihrer Grundlagenforschung ist es, Raps- und Sonnenblumenöl mit Wachsen so viskos oder fest werden zu lassen, dass sie in der Backwarenherstellung wie Fette funktionieren. So sollen die ungesunden Fette in Backmargarine ersetzt werden.

Dekanter-Zentrifuge im Einsatz

Mit Fetten beschäftigt sich auch Myrofora Kyrimlidou. Ihre Dekanter-Zentrifuge mit schnell rotierender Trommel trennt Suspensionen dichtebasiert in feste und flüssige Bestandteile. In ihr befindet sich eine ebenfalls leicht unterschiedlich rotierende Schnecke. Durch die Zentrifugalkräfte setzen sich die Feststoffe an der Trommelwand ab und werden dann durch die rotierende Schnecke zum „Ausgang“ der Anlage transportiert. „Ich nutze die Dekanter-Zentrifuge, um feste, kristallisierte von flüssigen Triglyceriden, molekulare Bestandteile von Fetten und Ölen  zu trennen“, erklärt Myrofora Kyrimlidou. In der Praxis wird diese Trennung im großen Maßstab beim Palmöl durchgeführt und bildet die Basis für die vielfältige Funktionalität des Palmöls. Der heutige Prozess ist jedoch langwierig und liefert suboptimale Trennergebnisse.

Untersuchung von Stärke interessiert auch Lebensmittelhersteller

Die Gel-Permeationschromatografie, gekoppelt mit einem Laser-Lichtstreudetektor, benötigt Dr. Marco Ulbrich zur Analyse der molekularen Zusammensetzung von Stärke. „In Lebensmitteln kommt hauptsächlich modifizierte Stärke zum Einsatz, da native Stärke, wie sie in der Natur vorkommt, nur bedingt funktioniert. Modifizierung ist ein Eingriff in die molekulare Struktur. Wenn man den Zusammenhang zwischen molekularer Struktur, Prozessbedingungen und Produkteigenschaften versteht, kann man Stärken viel zielgerichteter und effektiver einsetzen“, sagt Dr. Marco Ulbrich. An diesem Wissen sind Stärkeproduzenten und Lebensmittelhersteller gleichermaßen interessiert.

Entwicklung neuartiger Zuckerprodukte

Mit der Pilotkristallisationsanlage können die Wissenschaftler*innen den industriellen Herstellungsprozess von Zucker abbilden und erforschen – unter anderem, welche Auswirkungen ein geringerer Energieeinsatz während der verschiedenen Produktionsphasen auf die Kristallisation des Zuckers und damit auf seine Qualität hat. Neben Untersuchungen zu den Effekten von Nicht-Zuckerstoffen aus Rüben oder Zuckerrohr war Dr.-Ing. Karl Schlumbach kürzlich auch an der Entwicklung neuartiger Zuckerprodukte beteiligt, wie zum Beispiel an der eines Zuckers, der den gleichen Geschmack liefert, auch wenn die Zuckermenge im Lebensmittel um 40 Prozent reduziert wird.

Autorin: Sybille Nitsche
 

Das Team

Prof. Dr. Eckhard Flöter, Leiter des Fachgebiets Lebensmittelverfahrenstechnik

„Ernährung steht heute unter der Prämisse: weniger Kohlenhydrate, weniger Zucker, weniger Fett. Mein Fachgebiet arbeitet genau mit diesen Zutaten. Wir wollen damit ernährungsphysiologisch gesündere, gut schmeckende Lebensmittel entwickeln, die ressourcenschonend produziert werden. Anwendungsnahes Arbeiten und Grundlagenforschung gehen da Hand in Hand. Wir untersuchen auf mikroskopischem und molekularem Niveau, wie Stärke, Zucker, Fette und Öle kristallisieren, aggregieren und wechselwirken. Daraus gewinnen wir neue Erkenntnisse, die sowohl der Gewinnung der Rohstoffe als auch der Entwicklung neuer Verfahren zur Lebensmittelherstellung zugutekommen.“

Myrofora Kyrimlidou, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachgebiet

„Ich untersuche die Umwandlung der derzeit ineffizienten industriellen Batch-Prozesse in effiziente, kontinuierliche Prozesse. Unser erster Prozessentwurf, die Entrainment-Fraktionierung, die mittels fein dispergierter kalter Wassertropfen das Fett kristallisieren und die fettbeladenen Tropfen in der Dekanter-Zentrifuge abtrennen soll, hat sich leider noch nicht als konkurrenzfähig erwiesen.“

Maria Scharfe, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachgebiet

„Oleogele sind in „Schwammstrukturen“ immobilisierte Öle. Ziel ist es, gesättigte Fette zu ersetzen, um das Risiko kardiovaskulärer Erkrankungen zu reduzieren. Ich untersuche, was die Eigenschaften der Öle für diese Gele bedeuten. Dieser Einfluss wurde bisher vernachlässigt. Meine Erkenntnisse zur Aggregation von Nanofibrillen sind nicht nur wissenschaftlich bedeutsam, sondern ermöglichen die Entwicklung gesünderer Produkte, die dem Produktionsprozess und Vertrieb standhalten.“

Dr. Marco Ulbrich, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet

„Auch auf dem Gebiet der Stärke interessiert uns, wie ein Gel wirklich funktioniert. Avancierte Analysemethoden erlauben es uns, den Zusammenhang zwischen Polysaccharid-Eigenschaften, dreidimensionaler Netzwerkbildung und Strukturparametern zusehends zu enträtseln. Neben der Chromatografie spielen hierbei zielgerichtete enzymbasierten Vorbehandlungen eine zentrale Rolle.“

Dr.-Ing. Karl Schlumbach, Oberingenieur am Fachgebiet, Leiter des Berliner Zuckerinstituts

„Das Berliner Zuckerinstitut repräsentiert die Wiege der deutschen Zuckerindustrie. Unsere internationale Anerkennung, die wir durch neu installierte Ausstattung und Forschungsresultate wiedererlangt haben, rechtfertigt mittlerweile, dass wir als Fachgebiet die Mutterorganisation des Instituts sind.“