Medieninformation | 23. Oktober 2020 | sn

Wenn sich Malschichten von berühmten Gemälden lösen

Die Schwingungsexpertin Prof. Dr.-Ing. Kerstin Kracht untersucht die zerstörerische Wirkung von Vibrationen und Stößen auf Kunstwerke und will Lösungen zur präventiven Konservierung entwickeln

Piet Mondrians berühmtes Triptychon „Evolution“ wird zum Forschungsgegenstand an der TU Berlin. Anhand des Kunstwerkes will Prof. Dr.-Ing. Kerstin Kracht zusammen mit dem Kunstmuseum Den Haag das Dauerschwingungs- beziehungsweise Dauerbruchverhalten von Ölgemälden auf textilen Bildträgern, deren Malschicht Zinkseifen beinhalten, untersuchen.

„Bei diesem Gemälde, aber auch bei ‚Fastnacht‘ von Max Beckmann zeigen sich sogenannte Delaminierungen, das sind Abhebungen im Malschichtaufbau. In der Farbschicht wurden Zinkseifen nachgewiesen, die die Ursache für die Malschichtabhebungen sein könnten“, erklärt Kerstin Kracht. Delaminierungen reagieren auf dynamische Kräfte wie Schwingungen und Stöße äußerst sensitiv. Was diese dynamischen Kräfte letztendlich bewirken, ob sie die Delaminierungen beschleunigen oder verstärken, wird sie in weiterführenden Studien untersuchen mit dem Ziel, Maßnahmen zur präventiven Konservierung weiterzuentwickeln.

Das Gemälde des niederländischen Malers aus dem Jahr 1911 befindet sich im Besitz des Kunstmuseums Den Haag.

Förderprogramm der TU Berlin unterstützt alternative Karrierewege

Kerstin Krachts Forschungen finden im Rahmen des „Joint Programmes for Female Scientists & Professionals“ statt. Es ist ein Förderprogramm der TU Berlin für Frauen aus der Wirtschaft, das alternative Karrierewege von Frauen unterstützen und Frauen aus der Wirtschaft ermöglichen möchte, ihre Erfahrungen an Studierende und den wissenschaftlichen Nachwuchs weiterzugeben. Als Gastprofessorin kehrt Dr.-Ing. Kerstin Kracht mit Beginn des Wintersemesters 2020/2021 für ein Jahr an die TU Berlin zurück, an der sie studierte und promovierte. Neben ihren Forschungen wird sie in diesem Wintersemester auch zwei Vorlesungen zu den Themen „Interdisziplinäre Mechanik in Theorie und Anwendung“ und „Mechanische Schwingungen für Kunstwerke und Kulturobjekte“ für die Studierenden der Restaurierungs- und Kunstwissenschaften am Fachgebiet „Kontinuumsmechanik und Materialtheorie“ halten. Die finanziellen Mittel für ihre Studien unter anderem zur künstlichen Alterung des Mondrian-Gemäldes erhält sie ebenfalls aus dem „Joint Programmes for Female Scientists & Professionals“ der TU Berlin.

Europaweit gefragt

Seit 16 Jahren erforscht Kerstin Kracht neue Methoden, um Kunstwerke und Kulturgüter vor Schocks und Vibrationen während des Transports, Ausstellungen und der Lagerung im Depot zu schützen. Ein Nischenthema. Mittlerweile gehört sie zu einem sehr kleinen gefragten Kreis von Expertinnen und Experten in Europa. 2009 hat sie zusammen mit einem Berliner Unternehmen den Basissockel für die weltbekannte Büste der Nofretete im Neuen Museum Berlin schwingungsisoliert und 2019, ebenfalls mit dieser Firma, ein schwingungsisoliertes Podest für die Goldene Tafel von Lüneburg, einen 700 Kilogramm schweren Altar, entwickelt. Und zusammen mit einer niederländischen Firma entwickelte sie eine gemäldespezifische schwingungs- und schockreduzierende Lagerung von Gemälden in Transportboxen. Den Grundstein für ihr Renommee legte sie mit ihrem Studium der Physikalischen Ingenieurwissenschaft an der TU Berlin. 2017 machte sie sich als Ingenieurin für Schwingungstechnik und Strukturdynamik selbstständig und gründete ihr unabhängiges Ingenieurbüro.

Weiterführende Informationen

Lesen Sie auch das ausführliche Portrait über Prof. Dr.-Ing. Kerstin Kracht "Damit Nofretete nicht vom Sockel fällt".

 

Prof. Dr.-Ing.

Kerstin Kracht

k.kracht@tu-berlin.de

Einrichtung Fachgebiet Kontinuumsmechanik und Materialtheorie