Starke Wissenschaft profitiert von der Nähe zur Gesellschaft

Prof. Dr.-Ing. Christine Ahrend, Erste Vizepräsidentin an der Technischen Universität (TU) Berlin, ist zuständig für Forschung, Berufungsstrategie und Transfer und verantwortet die Transferstrategie der TU Berlin. In einem Interview unterstreicht sie die Bedeutung, die der gegenseitige Wissensaustausch für die Universität und die Gesellschaft hat.

 

Frau Ahrend, die TU Berlin setzt sich aktiv für den Transfer in Gesellschaft, Wirtschaft und Lehre ein. Welche Bedeutung hat die Transferstrategie? Wie ist sie entstanden?

Mit transferaffinen Professor*innen machten wir als erstes eine Bestandsaufnahme. Danach bereitete eine Gruppe aus den Servicebereichen mit mir ein Transferaudit des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft vor. Dessen Ergebnisse waren die Grundlage für die nun vorliegende Transferstrategie.

Wir sahen, dass wir in den fünf Dimensionen Technologie und Wirtschaft, Gesellschaft, Politik, Lehre sowie Wissenschaftskommunikation gut aufgestellt sind. Als weitere Dimension wächst noch Kunst und Kultur heran. Es zeigte sich, dass es sehr viel wissenschaftliche Politikberatung auf allen Ebenen gibt. Die Fachgebiete sind in gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Netzwerken sehr gut verzahnt. Wir überlegen, wie wir den Wissensaustausch untereinander noch transparenter organisieren können, so dass beispielsweise jemand, die*der zum Thema Mobilität und Verkehr gut vernetzt ist, anderen mit diesem Netzwerk weiterhelfen kann. Der schlichte Ausdruck „Wissensmanagement“ drückt nur schwach die transformative Wirkung aus, die dieses organisierte Wissen für unsere Forschung und unseren Transfer in die Wirtschaft, in die Gesellschaft, in die Lehre und in die Politik haben könnte.

Und wie kann der interne Wissensaustausch verbessert werden?

Für die drei Aufgabenbereiche Forschung mit der Gesellschaft, Wissenschaftskommunikation und Technologietransfer soll es zuständige Ansprechpartner*in geben: für Wissenschaftskommunikation wird es über Stefanie Terp, Pressesprecherin der TU Berlin, für Forschen mit der Gesellschaft über Dr. Audrey Podann, Referentin für Strategische Projekte, und für Technologietransfer über Verena Rademacher, Leiterin der Forschungsabteilung, laufen. Sie halten den Wissensaustausch auf allen Arbeitsebenen im Fluss: Wer könnte zu welcher Frage eine Lösung beitragen? Wer ist in der Politikberatung aktiv? Welche Netzwerke in die Gesellschaft hinein gibt es an der TU Berlin? Welche Themen haben wir, die für diese Netzwerke interessant sein könnten? In der Stadtmanufaktur zu den Berliner Reallaboren bündeln wir bereits derartige Netzwerke und Wissensbestände. Wir wollen Dopplungen vermeiden und Ideen gezielt miteinander entwickeln.

Wie wollen Sie den Austausch mit der Gesellschaft organisieren? Wie können sich Wirtschaftsunternehmen und Bürger*innen einbringen?

Wenn Unternehmen, Vereine oder andere gesellschaftliche Akteur*innen uns bislang kontaktieren, wenden sie sich an verschiedene Stellen, zum Beispiel an den Wissenschaftsladen kubus, an das Zentrum Technik und Gesellschaft, an die Stadtmanufaktur für Berliner Reallabore oder an das Centre for Entrepreneurship. In Zukunft wollen wir die verschiedenen Zugänge hinein in die Uni an einem Treffpunkt bündeln. Wir planen so etwas wie ein „Office Science and Society“. Das ist wie ein Vorgarten an der TU Berlin gedacht, in dem die Gesellschaft willkommen ist. Bürger*innen können bei uns anklopfen, Fragen stellen und auch die Wissenschaft zu sich einladen.

Was kann der Dialog zwischen Universität und Gesellschaft bewirken?

Eine starke exzellente Wissenschaft profitiert von der Nähe zur Gesellschaft. Das bedeutet nicht, Zugeständnisse an die eigene Forschungsqualität zu machen, sondern Bürger*innenwissen zum Beispiel bei Lösungen zu komplexen, gesellschaftlichen Herausforderungen zusätzlich einzubinden. Es ist wie beim Tango, der seine dynamische Ausdruckskraft aus dem Spiel mit der ausbalancierten Körperbeherrschung der Tänzer*innen bezieht. Kooperation heißt, dass man weiß, was man selber kann und was man mit anderen besser machen kann. Beim Wissens- und Technologietransfer ist das wesentlich.

Welche Erwartungen setzen Sie in die Transferstrategie?

Ich wünsche mir, dass die TU Berlin allseits noch bekannterdafür wird, dass sie stark im Wissens- und Technologietransfer ist. Zurzeit ist uns selbst unsere eigene Stärke viel zu wenig bewusst. Ausgründungen sind bekannt, über Innovationen und einzelne Projekte wird berichtet, aber das volle Potenzial der Transferleistung kann in ihrer Gesamtwirkung um einiges sichtbarer werden.

 

Das Interview führte Christina Camier.

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