„Ohne eine Steuer auf Fleisch wird es nicht gehen“

Der Umweltökonom Prof. Dr. Linus Mattauch über den wahren Preis für ein Kilo Rindfleisch und darüber, warum die Besteuerung von Geschlachtetem besser ist als Verbote

Herr Prof. Dr. Mattauch, Sie haben sich mit der Frage beschäftigt, ob Fleisch in den Ländern des globalen Nordens im Zusammenhang mit dem Klimawandel zu billig ist. Warum haben Sie sich dieser Frage angenommen?

… weil es da eine Forschungslücke gibt.

 

Inwiefern?

13 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen sind auf die Viehzucht zurückzuführen. Die Viehzucht hat zudem Auswirkungen auf die Nitratbelastung von Böden und Gewässern sowie auf die Biodiversität: Wälder werden abgeholzt, um neue Weideflächen zu schaffen und Futtermittel anzubauen. Auch gibt es einen Zusammenhang zwischen bestimmten Erkrankungen und einem hohen Fleischkonsum. Während wir im Strom- und Verkehrssektor die Treibhausgasemissionen besteuern, um zu erreichen, dass sie sinken, bleiben die genannten Umwelteffekte des Fleischkonsums unberücksichtigt. Der Fleischpreis bildet sie nicht ab und ist somit zu niedrig angesetzt. Aber um wie viel? Um ihn angemessen zu gestalten, muss man das Ausmaß der mit der Viehzucht und dem Fleischkonsum verbundenen externen Umwelt- und Gesundheitsauswirkungen ökonomisch richtig bewerten, und das ist bislang für Fleisch noch nicht gemacht worden.

Hätten Sie denn eine Modellrechnung parat, was ein Kilo Rindfleisch kosten müsste, in das all die genannten externen Effekte wie CO2-Ausstoß, Nitratbelastung, massive Verringerung der Biodiversität eingepreist sind?

Die externen Kosten aus Klimawandel und Nitratbelastung belaufen sich für Rindfleisch im globalen Durchschnitt auf 5.76 bis 9.21 US-Dollar pro Kilogramm – abhängig davon, ob gleichzeitig auch Milchprodukte erzeugt werden. In Industrieländern hieße das, dass ein Kilogramm Rindfleisch durchschnittlich 35 bis 56 Prozent teurer werden würde, Lamm- und Schweinefleisch 19 Prozent und Geflügel 25 Prozent. Dies ist aber nur eine erste Überschlagsrechnung, die noch niedrig angesetzt ist, denn die Schäden durch Biodiversitätsverlust sind nicht einbezogen. Wieviel ein in Deutschland gegessenes Schnitzel über globale Landnutzungseffekte zum Verlust an Regenwald beiträgt, verstehen Wissenschaftler*innen noch nicht richtig. Außerdem sind die negativen Gesundheitsfolgen für den Menschen und die Auswirkungen auf das Tierwohl nicht berücksichtigt. Zusammengenommen könnten die sozialen Kosten also um ein Vielfaches höher liegen. Wie man diese beziffert, ist auch immer eine Frage moralischer Werturteile.

Bei einem solchen Preis wäre das Kilo Rindfleisch unverkäuflich.

Ja. Natürlich kann die Politik nicht einmal eben den Preis verzehnfachen. Aber dieser reale Preis könnte ein Signal sein zu beginnen, darüber nachzudenken, auch Fleisch zu besteuern, um seinen Verbrauch zu senken. Denn das muss das Ziel sein, weil ohne eine Reduzierung des Pro-Kopf-Fleischverbrauchs in den Ländern des globalen Nordens es nicht gelingen wird, den Artenverlust zu stoppen und die planetaren Grenzen nicht weiter zu strapazieren. Auch gehört es zu meiner Forschungsagenda, wie umweltpolitische Maßnahmen über gesundheitliche Vorteile begründet werden können. Als Umweltökonom bin ich mir sicher, dass eine Besteuerung der oben genannten Effekte und damit eine Preiserhöhung von Fleisch der effizienteste Weg ist, die Belastung unseres Planeten und gesundheitsschädigende Folgen durch Viehzucht und Fleischkonsum einzudämmen.

Noch eine Steuer mehr und dann auch noch bei dem Thema Ernährung. Dafür in der Bevölkerung Akzeptanz zu gewinnen scheint unmöglich.

Natürlich muss man die graduell einführen und klein anfangen. Schauen Sie, alle Klimaökonomen sagen, dass der aktuelle CO2-Preis Kohle, Benzin, Diesel, Heizöl und Gas, der Anfang 2021 in Deutschland eingeführt wurde, viel zu niedrig ist. Aber entscheidend war, dass er überhaupt erst einmal eingeführt wurde – von zuvor Null Euro auf 25 Euro pro Tonne CO2. Das könnte auch für die Fleischbesteuerung ein Weg sein. Aber ich gebe zu, dass der Ansatz der Umweltökonomik, sozial unerwünschte Dinge zu besteuern, damit sie weniger nachgefragt werden, nichts ist, dem Menschen intuitiv folgen. Dahingegen ist der Vorschlag einer Tierwohl-Abgabe clever. Die erhobene Abgabe auf tierische Produkte wird an einen spezifischen Zweck gekoppelt: Die Landwirte sollen damit die Verbesserung der Haltungsbedingungen finanzieren können. Das steigert Akzeptanz, weil nachvollziehbar wird, wofür die Steuer ist.

Wenn ich Sie richtig verstehe, führt über kurz oder lang an einer Fleischsteuer nichts vorbei. Wird aber auf ein Akzeptanzproblem stoßen. Nehmen wir einmal an, Sie hätten die Möglichkeit, vor skeptischen bis eine solche Fleischsteuer vehement ablehnenden Politikern zu sprechen. Welche Argumente würden Sie aufgrund Ihrer Untersuchungen ins Feld führen, um sie zu überzeugen?

In der Wahrnehmung von Politiker*innen scheint das Klimaproblem das dominante Umweltproblem zu sein. Studien zeigen, dass Treibhausgasneutralität ohne ambitionierte Maßnahmen im Ernährungssektor nicht zu erreichen ist. Es geht nicht ohne Reduktion des Fleischkonsums. Es gibt zwar viele andere lohnende Maßnahmen wie etwa Verordnungen für eine umwelteffizientere Viehhaltung oder Subventionen für pflanzliche Ersatzprodukte. Aber es ist schwer vorstellbar, dass die notwendige Transformation hin zu weniger Fleisch ohne Preiserhöhungen möglich ist. Eine Steuer erscheint mir da als das sehr viel liberalere Instrument, als Fleischkonsum über Verbote zu reduzieren. Außerdem, und hier taugt der Vergleich zur CO2-Steuer auf Benzin, schafft sie ja Einnahmen: mit denen könnten nicht nur die Landwirte unterstützt, sondern auch einkommensschwache Haushalte kompensiert werden.

Das Interview führte Sybille Nitsche.