Grün ist alle Theorie

Maria Andrea Mroginski vom TU-Exzellenzcluster „UniSysCat“ simuliert Katalysatoren für die Energiewende

Frau Professorin Mroginski, in einer Ausstellung im Humboldt Forum liegt ein Ding unter Glas, das aussieht wie eine verwirrte Portion Spirelli. Was hat es damit auf sich?

Ich sage immer, es sind Spaghetti (lacht). Aber Sie haben recht, es sieht eigentlich eher aus wie Spiralnudeln. Tatsächlich ist das das Modell eines Enzyms, einer Hydrogenase. Sie repräsentiert unseren Exzellenzcluster UniSysCat im sogenannten Humboldt Labor.

Was macht die Hydrogenase so besonders, dass sie ausgestellt wird?

Sie kann ein Wasserstoffmolekül in zwei einzelne, positiv geladene Wasserstoffionen und zwei Elektronen spalten. Und sie kann auch die umgekehrte Reaktion ermöglichen, also die Bildung eines Wasserstoffmoleküls. Im ersten Fall wird Energie in Form von elektrischem Strom frei, im zweiten Fall kann ich Strom und damit Energie in Form von Wasserstoff speichern. Die Hydrogenase bleibt bei diesen Vorgängen jeweils unverändert, sie wirkt also als Katalysator.

Die Hydrogenase scheint wie gemacht für den Einsatz in der Energiewende. Hat man sie extra dafür designt?

Nein, tatsächlich kommt sie überall im Boden vor, etwa im Bakterium Ralstonia Eutropha. Sie spaltet auch dort Wasserstoff auf, was für die Lebensvorgänge des Bakteriums eine entscheidende Rolle spielt. Wir versuchen nun, die Effizienz der Hydrogenase zu verbessern und sie tauglich für den industriellen Einsatz als Katalysator zu machen.

Sie sind Theoretikerin und stehen nicht im Labor. Was ist ihre Aufgabe?

Wir versuchen, im Computer die Eigenschaften der komplexen Biomoleküle zu simulieren. Unsere Hydrogenase zum Beispiel hat rund 5.000 Atome. Indem wir Vorhersagen über ihr Verhalten machen und diese dann mit den experimentellen Daten vergleichen, können wir dazulernen. Vor allem die modernen Grafikkarten helfen uns dabei. Sie können die komplexe Reaktionsdynamik in kurzer Zeit ausrechnen. Und natürlich vereinfachen wir, wo immer es geht. Manchmal reichen uns klassische mechanische Gesetze. In anderen Fällen müssen wir die Quantenmechanik anwenden, die ja letztlich alle Abläufe im Mikrokosmos bestimmt. Exakt lösen können wir deren Gleichungen aber nur für ganz kleine Moleküle – es gibt deshalb eine Vielzahl an Näherungslösungen. Die hohe Kunst ist zu wissen, wann welche Näherung angewandt werden kann.

Was sind Ihre nächsten konkreten Ziele bei der Hydrogenase?

Ich arbeite mit mehreren Kolleg*innen daran, die Hydrogenase mit Enzymen zu kombinieren, die unter anderem Kohlendioxid verarbeiten. Zusammen mit der Hydrogenase könnten so nützliche Kohlenwasserstoffe aus CO2 entstehen. Und wir müssen die Enzyme auf die Oberfläche von Elektroden bekommen. Deren Wechselwirkungen mit Oberflächen, das ist noch einmal eine Wissenschaft für sich.

Mit dem Begriff Katalysator verbindet man ja nichts Biologisches, sondern eher Metalle, die im Auto das Abgas unschädlich machen.

Tatsächlich sind auch Metalle in der Hydrogenase enthalten! Im sogenannten aktiven Zentrum dieses Riesenmoleküls befinden sich Nickel- und Eisenatome. Wir wollen herausfinden, wie die Spaltung beziehungsweise Synthese von Wasserstoff dort im Detail abläuft. Es stimmt aber, in der Katalysatorforschung gibt es sowohl die chemischen Katalysatoren, wie sie im Auto verbaut sind, als auch die biologischen, die Enzyme. Bei denen verstehen wir die genauen Abläufe häufig noch nicht.

Kann hier auch die künstliche Intelligenz hilfreich sein?

Tatsächlich hat ein UniSysCat-Kollege, Dr. Tobias Gensch, gerade eine große Datenbank mit Hilfe von maschinellem Lernen aufgebaut. Dabei geht es um aktive Zentren, die Phosphor enthalten. Er konnte damit aus 1.500 bekannten Verbindungen die Eigenschaften von 300.000 neuen Varianten solcher aktiven Stellen vorhersagen. Das erleichtert das Design von maßgeschneiderten Katalysatoren ungemein.

UniSysCat (Unifying Systems in Catalysis)

UniSysCat (Unifying Systems in Catalysis) ist ein Exzellenzcluster mit mehr als 260 Forschenden, die gemeinsam an aktuellen Fragen der Katalyse arbeiten. Ein wichtiges Ziel ist es, die Chemie mithilfe neuer Katalysatoren "grüner" zu machen. Hierfür wollen die Forschenden auch von Katalysatoren in der Natur lernen.

Das Interview führte Wolfgang Richter.