Moodle für Pflegeausbildung – das ist nur gemeinsam zu schaffen

Im Mittelpunkt der großen Aufmerksamkeit, die Pfleger*innen seit der Corona-Pandemie erfahren, stehen ihre gesellschaftliche Bedeutung und außerordentliche Leistung. Kaum wahrgenommen wird hingegen, in welchem enormen Wandel sich die Ausbildung der Pfleger*innen aktuell befindet. Anfang 2020 hat ein neues Pflegeberufegesetz die bisher separaten Ausbildungen zur Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege zu einer generalistischen Pflegeausbildung zusammengefasst. Im dem Projekt „DAPF 4.0 – Digitale Akademie Pflege 4.0“ entwickeln Lehrende und Lernende gemeinsam eine digitale Plattform für Blended-Learning in der Pflegeausbildung, also eine Verbindung aus Präsenz- und Digitalunterricht. Prof. Dr. Petra Lucht und Sandra Tausch vom Zentrum für Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung an der TU Berlin erläutern, wie die digitale Akademie als sichtbarer Prototyp im Verlauf der Bürger*innen-Forschung entsteht.

 

Was ändert sich gerade in der Pflegeausbildung?

Sandra Tausch: In der Pflegeausbildung vollziehen sich aktuell vor allem drei Änderungen. Seit Anfang 2020 hat ein neues Pflegeberufegesetz das alte Altenpflege- und Krankenpflegegesetz abgelöst. Die bisher separaten Ausbildungen zur Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege wurden zur einer generalistischen Pflegeausbildung zusammengefasst. Die Ausbildung soll eine zeitgemäße Ausbildung neuer Pflegefachkräfte sicherstellen, theoretisches Wissen und Praxisfähigkeiten verknüpfen, vielfältigere Jobperspektive bieten, das Berufsbild der Pfleger*innen aufwerten, einem Fachkräftemangel entgegenwirken, kurz: den Entwicklungen in der Gesellschaft und dem Gesundheitswesen Rechnung tragen. Mehrere Pflegeberufe – Altenpflege, Gesundheits- und Krankenpflege sowie Gesundheits- und Kinderkrankenpflege – werden zu Pflegefachfrau und –mann gebündelt. Dabei müssen Kompetenzen zu der Pflege von Menschen aller Altersgruppen und in allen Versorgungsbereichen vermittelt werden: in Krankenhäusern, in stationären Pflegeeinrichtungen und in der ambulanten Pflege. Die neue Ausbildung muss nun sukzessive an den Pflegeschulen umgesetzt und verankert werden.

Außerdem erfordert der Digitalisierungsschub, dass digitale Medienkompetenzen stärker in die Pflegeausbildung und -didaktik integriert werden. Die COVID-19-Krise erhöht den Druck und bietet gleichzeitig die Chance, digitale Lehrangebote zu schaffen.

Wie können Sie mit der Digitalen Akademie 4.0 die Quadratur des Kreises mitgestalten?

Petra Lucht: In der Pflegeausbildung gibt es noch keine etablierte Lehrplattform, wie etwa „Moodle“ für Schulen und Hochschulen. Wir wollen das „Moodle für die Pflegeausbildung“ erstellen. Die offene Plattform soll die Ausbilder*innen darin unterstützen, digitale Lehr- und Lernszenarien zu erstellen, individualisiertes Lernen zu ermöglichen und eigene Medienkompetenz aufzubauen.

In unserem Forschungsverbund mit dem FrauenComputerZentrumBerlin e.V., der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin, den Pflegeschulen „Gesundheitscampus Potsdam der Gesundheitsakademie Potsdam gGmbH” und der “Wannseeschulen für Gesundheitsberufe e.V. - Pflegeschulen” bilden Lehrende und Lernende eine „Community of Practice“. Wir erfassen und adressieren die demografischen, sozialen, beruflichen und Bildungsunterschiede. Wir vermitteln den Ausbilder*innen und Auszubildenden ein prozessorientiertes Wissen dazu, wie Wissensvermittlung funktioniert, sodass sie die digitale Akademie zunehmend selbständig umsetzen können und wir uns immer weiter zurückziehen.

Können Sie Beispiele für die Angebote auf der Plattform nennen?

Sandra Tausch: Mit den beiden Berliner Pflegeschulen „Gesundheitscampus Potsdam der Gesundheitsakademie Potsdam gGmbH” und der “Wannseeschulen für Gesundheitsberufe e.V. –Pflegeschulen” sowie dem Frauencomputerzentrum entwickeln wir partizipativ Online-Tools für Blended-Learning-Konzepte. Die Ergebnisse stellen wir als ein „Baukasten zum Mitnehmen“ online bereit. Unsere Verbundparter*innen, das FrauenComputerZentrumBerlin e.V. und die Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin, führen drei Jahre lang Coaching-Angebote „On the Job“ sowie Schulungen durch. So werden Lehrkräfte in der Pflegeausbildung dabei unterstützt, Kompetenzen für den Umgang mit sowie für den Einsatz von digitalen Technologien und Tools zu erwerben. Um die Projektergebnisse zu verstetigen und deutschlandweit zu verbreiten, wird während des Projektes die Online-Plattform „Digitale Akademie Pflege 4.0” aufgebaut mit aktuellen Informationen rund um das Thema Pflegeausbildung, einer systematischen Übersicht über die in der Pflegeausbildung benötigten digitalen Kompetenzen, mit didaktischen Konzepten und Lernmodulen sowie Selbstlernkurven und Tutorials, Good Practice-Beispielen und Austauschmöglichkeiten über Foren.

Warum integrieren Sie Citizen Science in die Digitale Akademie Pflege 4.0?

Petra Lucht: Die Digitale Akademie Pflege 4.0 ist explizit transdisziplinär, also als gemeinsames Forschen und Gestalten mit allen Beteiligten, ausgerichtet. Die Ausbildung soll nahe an der Praxis sein. Wir müssen wissen, wie der Berufsausalltag aussieht, damit wir davon ableiten können, welche Kompetenzen gefordert sind und in der Pflegeausbildung vermittelt werden müssen.

Sandra Tausch: Wir wollen, dass die digitale Akademie tatsächlich genutzt wird. Am Ende soll ein Produkt stehen, das gebraucht wird, nicht was sich Expert*innen vorstellen. Deshalb entwickeln wir die Online-Plattform zusammen mit den eigentlichen Nutzer*innen. So können wir die Bedarfe, Wünsche, bereits erkannte Probleme der Nutzer*innen einbeziehen und berücksichtigen. Es wäre eine Ressourcenverschwendung, wenn wir das nicht tun würden. Durch ihre Partizipation wissen wir, was sie wirklich nutzen.

Petra Lucht: Die Technikfolgenabschätzung erfolgt sozusagen innerhalb des Projekts. Es kostet in der Entwicklung etwas mehr Zeit, der Gewinn ist aber, dass wir sofort die Nutzer*innen beteiligt haben. Der fertige Prototyp soll dann bundesweit geöffnet werden. Und wir hoffen natürlich, dass die digitale Pflege-Akademie auf die Berlin-Brandenburgische Pflegelandschaft ausstrahlt.

 

Das Gespräch führte Christina Camier.

Kontakt

Prof. Dr.

Petra Lucht

Fachgebiet Gender in MINT und Planung / Feminist Studies in Science, Technology and Society (Feminist STS)

Einrichtung Zentrum für Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung (ZIFG)