Elektrolyseure – die Raffinerien des 21. Jahrhunderts

In den Laboren von Peter Strasser wird an Elektrokatalysatoren für ein von fossilen Kohlenstoffen freies Zeitalter geforscht

Im Jahr 2012 erblickt eine neue DEMS-Generation im zweiten Stock des Gebäudes der Technischen Chemie das Licht der Welt. Die vier Buchstaben stehen für Differentieller Elektrochemischer Massenspektrometer. Konstruiert hat die Apparatur, die aus einem scheinbar unentwirrbaren Geflecht aus Schläuchen und Flaschen besteht, Dr. Jorge V. Ferreira. Mit ihm schaut der Wissenschaftler den Molekülen quasi bei ihrer elektrokatalytischen Reaktion zu und das in einer zeitlichen Auflösung im Millisekundenbereich. Diese zeitliche Auflösung ermöglicht es, den gesamten Reaktionsablauf zu verfolgen, den chemischen Reaktionsmechanismus bei der Umwandlung von Strom zu Gas (Power-to-Gas-Technologie) oder bei der Umwandlung von Strom zu Flüssigkraftstoff (Power-to-Liquid-Technologie) aufzuklären und das Verhalten von Katalysatormaterialien vorherzusagen. Die dabei gewonnenen Daten sind die Grundlage für die Entwicklung neuer Katalysatoren für die Energiewende. Seine Laborversion hat der aus Portugal stammende Wissenschaftler mittlerweile zu einem marktreifen Produkt entwickelt und das Start-up „LiquidLoop“ gegründet. Die zeitliche Auflösung, die DEMS liefert, macht das Gerät einzigartig in der Forschungslandschaft.

DEMS ist das Ergebnis der Doktorarbeit von Jorge V. Ferreira, die er bei Prof. Dr. Peter Strasser, Leiter des Fachgebiets für Elektrochemie und Elektrokatalyse, schrieb. „Das Gerät ist essenziell für unsere Forschungen, da wir neue Katalysatoren auf der Basis eines tiefen Verständnisses ihres elektrokatalytischen Mechanismus entwickeln, nicht nach dem Prinzip trial and error“, sagt Peter Strasser. Wissensbasierte Herstellung, Charakterisierung und Testen von neuen Katalysatoren – das ist das Kerngeschäft im Labor seiner Arbeitsgruppe.

Zeitalter der erneuerbaren Energieträger und einer kohlenstoffneutralen Wirtschaft

Diese neuen Elektrokatalysatoren wiederum sind ein wichtiges Kettenglied, um das fossile Energiezeitalter hinter sich zu lassen und einzutreten in das Zeitalter der erneuerbaren Energieträger und einer kohlenstoffneutralen Wirtschaft. Peter Strasser hat dafür ein anschauliches Bild zur Hand. „Was im 20. Jahrhundert die fossilen Rohstoff-Raffinerien waren, in denen Grundchemikalien für unsere Industrie und Mobilität raffiniert wurden, das werden im 21. Jahrhundert Elektrolyseure sein. Angetrieben von Elektrizität aus Wind, Wasser und Sonne und mit Hilfe von Katalysatoren wandeln sie Wasser, CO2, Biomasse oder Stickstoff in chemische Vor- und Endprodukte für Kraftstoffe für den Verkehr sowie in Roh- sowie Feinchemikalien für die Konsumgüterproduktion, die pharmazeutische und die Düngemittelindustrie um. Die Elektrolyseure sind die E-Raffinerien des 21. Jahrhunderts“, erklärt Peter Strasser.

Grüner Wasserstoff: der Energieträger der Zukunft

Einer dieser Elektrolyseure ist der Wasserstoffelektrolyseur zur Erforschung der Wasserelektrolyse und der Herstellung von grünem Wasserstoff. Bei der Wasserelektrolyse wird Wasser mit Hilfe von elektrischem Strom in Sauerstoff und Wasserstoff aufgespalten. Da der elektrische Strom künftig nur noch aus Wind, Wasser und Sonne geliefert werden soll, spricht man auch von grünem Wasserstoff. Wasserstoff gilt als einer der Energieträger der Zukunft. Der Wasserelektrolyseur, an dem Malte Klingenhof forscht, ist ein Unikat. Er wurde speziell für den Unibetrieb ausgestattet: Es gibt eine Teststation für die Anionen-Austausch-Membranelektrolyse (engl. Anion Exchange Membrane, kurz AEM) sowie die saure Proton-Exchange-Membran-Wasserelektrolyse, kurz PEM. Bei PEM ist es das Ziel, den Einsatz des seltenen und extrem teuren Edelmetalls Iridium als Katalysator zu minimieren; bei der AEM-Elektrolyse neu entwickelte edelmetallfreie Katalysatoren in einem größeren Maßstab zu testen.

Ein weiteres wichtiges Gerät ist der CO2-Elektrolyseur, an dem Sven Brückner forscht. „Mit ihm oxidieren wir an der Anode Wasser zu Sauerstoff und an der Kathode reduzieren wir CO2 zu reinem Kohlenmonoxid. Zwar ist Kohlenmonoxid giftig, aber es dient zum Beispiel als Zwischenprodukt für die Herstellung hochwerti- ger Kunststoffe und von synthetischen Flüssigkraftstoffen. Das Treibhausgas CO2, was in riesigen Mengen bei der Zementherstellung anfällt, wird so zu einem Rohstoff“, erklärt Brückner. Auch bei der CO2-Elektrolyse liegt ein Augenmerk von ihm auf den Katalysatoren. „Wir verwenden statt Edelmetallen kostengünstige Katalysatoren auf Nickel- oder Kobalt-Basis.“

Autorin: Sybille Nitsche

Das Team

Prof. Dr. Peter Strasser, Leiter des Fachgebiets Elektrochemie und Elektrokatalyse

Im Juni 2020 verabschiedete die Bundesregierung ihre Nationale Wasserstoffstrategie, deren Ziel es ist, in Deutschland grünen Wasserstoff aus erneuerbaren Energien zu industrialisieren und zu skalieren. Im Rahmen dieses Programmes konnte unsere Arbeitsgruppe mehrere Konsortialprojekte einwerben. Die Forschung zur elektrokatalytischen Erzeugung von grünem Wasserstoff, insbesondere direkt aus Meerwasser, wird für uns daher hohe Priorität haben. Unser Ziel ist es, Wasserelektrolyseure effizienter und kostengünstiger zu gestalten, um so zu einer wasserstoffbasierten Energieinfrastruktur, Mobilität und Industrie beizutragen.

Sven Brückner, Doktorand am Fachgebiet Elektrochemie und Elektrokatalyse

Ich konzentriere mich auf die elektrochemische CO2-Reduktion im industriellen Maßstab. Deshalb wurde Anfang Juni 2021 ein neuer Teststand installiert mit einer größeren elektrochemischen Zelle. So soll der Schritt aus dem Labor hinaus in die industrielle Anwendung ermöglicht werden. Dafür müssen wir auch die Katalysatorforschung vorantreiben. Denn wir benötigen Katalysatoren, die auch stabil sind. Ein akademischer Katalysator, der nur 100 Stunden hält, ist für eine industrielle Anwendung nutzlos.

Malte Klingenhof, Doktorand am Fachgebiet Elektrochemie und Elektrokatalyse

Ich nutze den Wasserelektolyseur, um die Katalysatoren, die wir hier im Labor herstellen, hinsichtlich ihrer Aktivität für die Sauerstoffevolutionsreaktion und die Wasserstoffevolutionsreaktion zu testen. Die Arbeit an dem Gerät hat mir geholfen zu verstehen, dass nicht allein die Herstellung eines Katalysators und sein Aufbringen auf eine Membran entscheidend sind für die elektrochemische Reaktion im Wasserelektrolyseur, sondern die gesamte Prozessführung.