Alumni-Programm

Netzwerken als Beruf

TU-Alumna Evelyne de Gruyter ist Geschäftsführerin des Verbands deutscher Unternehmerinnen

Evelyne de Gruyter hat Anfang der neunziger Jahre Betriebswirtschaftslehre (BWL) an der TU Berlin studiert und erinnert sich an folgende Situation in einem Seminar: „Es ging um das Thema ‚Gesellschaftsformen‘ von Unternehmen, speziell um Kommanditgesellschaften auf Aktien. Der Professor wandte sich an die wenigen Frauen in der Vorlesung und sagte ‚Sie kennen doch als Frauen das Beispiel Henkel – die Waschmittelfirma‘. Die Anspielung auf das Thema Waschmittel war mehr als eindeutig“. Es hat sich zum Glück vieles verbessert in Bezug auf Gleichstellung und Anspielungen wie diese würde heute kein Dozent mehr äußern. Betrachtet man jedoch den Anteil von weiblichen Führungskräften in Unternehmen wird schnell klar, dass nicht alles gut ist und von gleichberechtigter Teilhabe unternehmerisch tätiger Frauen in der deutschen Wirtschaft nicht die Rede sein kann. Im Jahr 2022 lag der Anteil der Frauen in den Vorständen der 200 größten deutschen Unternehmen bei 15,6 Prozent. Unter anderem um hier Abhilfe zu schaffen, gibt es den Verband deutscher Unternehmerinnen e.V. (VdU). Er repräsentiert über 1.800 frauengeführte, insbesondere mittelständische Unternehmen aus Industrie, Handwerk, Handel und Dienstleistung. Evelyne de Gruyter ist seit 2020 Geschäftsführerin.

Begeisterung für Unternehmertum

„Ich komme aus einer Unternehmerfamilie und Unternehmertum hat mich schon immer interessiert und begeistert. Das war letztendlich auch der Grund für die Entscheidung BWL zu studieren“, sagt Evelyne de Gruyter. Parallel zum Studium hat sie im Hotel InterContinental in Berlin-Tiergarten ein Management-Trainee-Programm absolviert. „Es war eine spannende Zeit kurz nach dem Mauerfall. Gefühlt hat sich die Anzahl der BWL-Studierenden innerhalb kurzer Zeit verdoppelt, denn viele junge Studierende aus den neuen Bundesländern kamen an die TU Berlin. Eine große Herausforderung für die Uni, aber dennoch großartig, weil man plötzlich mit Menschen zusammenkam, die einen vollkommen anderen Hintergrund hatten“, erinnert sich Evelyn de Gruyter. Nach dem Studium war sie zunächst für ein Jahr für eine Unternehmensberatung in New York tätig. Sie kehrte nach Deutschland zurück und arbeitete im Management der familieneignen Hotel-Gruppe. „Die schlechte Vereinbarkeit von Beruf und Familie in dieser Branche war einer der Gründe, warum ich mich beruflich hieraus verabschiedet habe“, so Evelyne Gruyter. Nach einer Familienpause und weiteren Stationen in der Wirtschaft wurde ihr 2016 die Arbeit beim VdU angeboten. „Es war ein absoluter Zufall und letztendlich das Ergebnis von Netzwerken. Die damalige Präsidentin des Verbandes war eine gute Freundin von mir und war immer der Meinung, dass ich mit meinem Interesse für politische und gesellschaftliche Themen auch gut in den Verband passen würde“, sagt Evelyne de Gruyter. Gesucht wurde damals die Leitung für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und de Gruyter wagte den Wechsel in ein vollkommen anderes Arbeitsumfeld. Nach vier Jahren, im Jahr 2020, wurde sie VdU-Geschäftsführerin.

Arbeit an der Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Politik

„Besonders spannend ist für mich an diesem Job die Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Politik, an der wir mit unserer Arbeit ansetzen. Es macht Spaß Menschen zusammenzubringen und man merkt, dass diese Begegnungen etwas bewirken. Poltische Interessensvertretung und Netzwerkbildung sind die Kernaufgaben unseres Verbandes“, sagt Evelyne de Gruyter. Nicht umsonst liegt die Geschäftsstelle in Berlin-Mitte mit kurzen Wegen zu Ministerien, Bundestag oder anderen Verbänden. Regelmäßig ist Evelyne de Gruyter dort zu diversen Terminen. Der VdU setzt sich unter anderem für eine Steigerung des Frauenanteils in den Unternehmens-Aufsichtsräten und -Vorständen ein und hat gemeinsam mit anderen Frauenverbänden und Parlamentarierinnen das „Bündnis der Berliner Erklärung“ – ein deutschlandweites Bündnis für Gleichstellung ins Leben gerufen. „Wir engagieren uns schon seit vielen Jahren für einen höheren Anteil von Frauen in Aufsichtsräten und führen eine Datenbank mit über 700 Frauen, die für diesen Job in Frage kommen könnten. Unternehmen können geeignete Kandidatinnen bei uns anfragen“, erklärt Evelyne de Gruyter.

Netzwerken ist der andere nicht minder wichtige Teil der Arbeit von Evelyne Gruyter: „Wir bieten ein Netzwerk und halten es beispielweise durch zahlreiche Events und Treffen lebendig. Netzwerken ist und bleibt ein unendlich wichtiges Thema und ich habe den Eindruck, dass Frauen gegenüber Männern hier noch einiges aufzuholen haben. Vielleicht liegt es daran, dass Frauen noch immer zumeist die Familienarbeit leisten, für die Netzwerkpflege fehlt vielen dann einfach die Zeit und Kraft“. Mehr als 300 Veranstaltungen bietet der VdU seinen Mitgliedern pro Jahr an. Evelyne de Gruyter steckt aktuell mitten in den Vorbereitungen für ein wichtiges Event im kommenden Jahr, denn 2024 begeht der Verband seinen 70. Geburtstag. Ein weiterer willkommener Anlass zum Networking. Olaf Scholz hat bereits zugesagt.

 

Autorin: Bettina Klotz