Center for Cultural Studies on Science and Technology in China

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China wandert in die Welt – wo stehen wir?

„Was haben Zheng He und XI Jinping gemeinsam?“, fragte Prof. Dr. Eberhard Sandschneider am vergangenen Freitag im China Center in die Runde; zusammengekommen waren WissenschaftlerInnen, China-Programmverantwortliche an deutschen Hochschulen und Organisationen (DLR, DAAD) sowie China-Interessierte Studierende und Gäste zur Intensiv-Schulung Chinakompetenz I - alle mit ähnlichen Fragen im Gepäck: Sind wir auf die wachsende Bedeutung Chinas vorbereitet? Was bedeutet Chinas Entwicklung für unsere Wissenschaft, unsere Hochschule, unsere Programme?

Prof. Sandschneider nutzt ein historisches Erklärungsmodell von der Ming-Zeit bis heute, um diese Fragen zu beantworten: General Zheng He segelte Mitte des 15. Jahrhunderts mit seiner gigantischen Segelflotte in die Welt hinaus, auf friedlichem Expansionskurs. China war seinerzeit Hochkultur und führende Weltmacht. Chinas Staatsführer XI Jinping verfolgt mit seinem Traum das politische Ziel, erneut zur Weltführung aufzusteigen - insbesondere zur führenden Wissenschafts- und Technologiegroßmacht. Die sogenannte Belt- and Road-Initiative, BRI, ist die moderne Variante der maritimen Expeditionen des Zheng He – und mehr: Chinas Plan zur Weltspitze durch den Aufbau von Infrastruktur, von Märkten und Wertschöpfungsketten von Asien bis Afrika.

Ein Leitmotiv für Chinas Führung gilt bis heute: wie bekommt China eine moderne Gesellschaft und den Anschluss an den Westen hin, ohne westliche Werte zu übernehmen? Fest steht für die immer selbstbewusster werdenden Chinesen: „China führte einst die Welt an und China wird das zukünftig mit seinen technologischen Innovationen wieder tun“, davon ist sicher nicht nur der Gründer von SenseTime, TANG Xiao’ou, überzeugt. Sensetime ist chinesischer Hersteller von Technologie zur Gesichtserkennung und derzeit das wertvollste KI-Start-up der Welt (auf Chinesisch: Shang Tang, benannt nach der 1. Dynastie Chinas und deren ersten Kaiser Tang). Stabilitätsverlust durch die Digitalisierung - nein!, meint Prof. Sandschneider. Im Gegenteil: die Partei macht sich die Digitalisierung zunutze: Alles wird bei der Entwicklung Chinas der Führungsrolle der Partei untergeordnet – trotz Globalisierung wird China wieder autoritärer; Kai Strittmatter, langjähriger Auslandskorrespondent der SZ in China, spricht auch vom Digitalen Autoritarismus. 

Zurück an die Weltspitze? – „China ist auf dem Weg!“, ruft Prof. Sandschneider, und erläutert Chinas geo-politische Ambitionen: China ist auf der Überholspur - insbesondere in der Quantencomputerforschung, der Entwicklung des weltgrößten Netzes an Hochgeschwindigkeitszügen und der Supercomputer, im E-Commerce und im Elektronischen Geldverkehr: wer China Richtung Westen verlässt, reist von der Zukunft in die Zeit zurück!

Wird dies also Chinas Jahrhundert? Wie sollten wir mit dem erstarkten China umgehen? Wer wird den systemischen Wettbewerb gewinnen: ist die Welt von Morgen liberal und amerikanisch dominiert oder einem autoritären China unterworfen? Und wo stehen wir, wo bleibt Europa?

Dies diskutierten wir zunächst mit Prof. Sandschneider und weiter am Nachmittag mit Frau Dr. Sigrun Abels, Leiterin des China Center; diese hatte zuvor aktuelle Entwicklungen im chinesischen Hochschulsystem vorgestellt. An Thementischen tauschten wir uns schließlich über konkrete Fragen in der Deutsch-Chinesischen-Zusammenarbeit in Hochschulbildung und Forschung aus; und diskutierten mit Frau Dr. Ágota Révész und Frau Dr. Tania Becker (beide CCST) politische Begriffe wie Menschenrechte, Zivilgesellschaft, internationales Recht - global oder westlich?. 

Auf der Suche nach Leitlinien für die Zusammenarbeit mit chinesischen KollegInnen und WissenschaftlerInnen plädieren wir für die unbedingte Einhaltung eigener Werte, wie der Freiheit der Wissenschaft und Lehre – ein Balanceakt.

Wir verfügen über zu wenig Chinakompetenz, beklagte Prof. Sandschneider und empfahl mehr von solchen Veranstaltungen wie der des China Centers. Wasser auf unsere Mühlen; denn wir sind seit Oktober letzten Jahres dabei, in unserem TUWITECH-Projekt die Chinakompetenz an unserer Hochschule zu erhöhen.

Die Pilot-Veranstaltung mit Prof. Sandschneider war der Auftakt zu einem neu konzipierten Weiterbildungsprogramm für interne und externe China-Interessierte, das wir ab dem WS 2019/2020 in strukturierter Form am CCST anbieten werden.