Es ging um industriefinanzierte Forschungsprojekte, um Stiftungsprofessuren und um Wirtschaftsunternehmen, die ganze Forschungszentren finanzieren und ihre Angestellten mit nützlichen Fragestellungen in die Promotion schicken.
Wie viel Einfluss durch die Privatwirtschaft tut der Forschung gut? Ist beides - Wirtschaft und Forschung - überhaupt noch voneinander zu trennen?
Gekaufte Forschung?
Gleich zu Anfang wies der Gastwissenschaftler am CCST, Dr. LI Tuoyu, vor einem interessierten Publikum aus Studierenden und externen Besuchern aus Unternehmen, auf eine grundsätzliche Problematik hin, die bei der Zusammenarbeit zwischen Industrie und Universitäten bestehe: die unterschiedlichen Interessen.
Während Forschung darauf ausgerichtet sei, Wissen um des Wissens und der Forschung willen zu generieren, sei die Industrie vor allem an der Verwertbarkeit der akademischen Arbeit interessiert.
Der weltweite Wettbewerb zwischen Ländern hat Innovationsstrategien hervorgebracht, die die Zusammenarbeit zwischen Universitäten und der Industrie (University Industry Cooperation, UCI) und die Kommerzialisierung der Wissensproduktion vorantreiben. Dr. LI untersuchte bei seinem vergleichenden, evidenz-basierten Forschungsansatz insbesondere die Indikatoren Publikationsanzahl und Patente.
Während dabei in den USA die Zusammenarbeit zwischen Universitäten und der Industrie am weitesten fortgeschritten sei, hätte China derweil ein Problem mit der Balance zwischen Innovationen und Industriezusammenarbeit.
Änderung der Lehrpläne
Deutsche wie chinesische Hochschulen intensivieren ihre Bemühungen, ihre Curricula den neuen Themen und Inhalten der Industrie 4.0 bzw. Made in China 2025-Strategie anzupassen. Die Ausbildung der IngenieurInnen steht auf dem Prüfstand und muss an die neuen Gegebenheiten angepasst werden.
Eines ist sicher: Interdisziplinarität wird die künftigen Studiengänge im Ingenieurwesen bestimmen, die Informatik wird zum wesentlichen Bestandteil des Studiums, wenn Machine-to-Machine-Communication und Cyber-Physical Systems im kommenden Jahrzehnt Standard werden – ob im Auto, im Krankenhaus oder in der industriellen Fertigung.
Auch darüber forscht Dr. LI von der Zhejiang Universität vergleichend: „Wir studieren die Neuausrichtung der Technologie-Ausbildung in China und Deutschland. Bei meinem Forschungsaufenthalt in Berlin habe ich mir genau angeschaut, wie sich die Ingenieurs-Ausbildung wandelt. Hier wird viel mehr Wert auf die Vorbereitung der AbsolventInnen auf die Industrie 4.0-Revolution gelegt, sehr angewandt mit realen Fragestellungen aus der Industrie.“
Forschungsgelder sitzen allerdings auch zum großen Teil in außeruniversitären Einrichtungen wie den Max-Planck- oder Helmholtz-Instituten, der Fraunhofer-Gesellschaft, den Leibniz-Instituten.
Wo in Deutschland bereits vielfach Fächer- und Institutionen-übergreifend MaschinenbauerInnen, ElektrotechnikerInnen und InformatikerInnen zusammenarbeiten, ist man in China noch nicht so weit.
„Diese Nähe zur Industrie und diese Interdisziplinärität wünschte ich mir für Chinas Hochschulen ebenso. Es müssen dringend mehr realistische Szenarien und Daten zu Themen wie Smart Technologies und Embedded Systems gesammelt werden; deshalb ist eine enge Zusammenarbeit mit anderen Universitäten, Hochschulen und Unternehmen so wichtig!“
Nur so können wir den technologischen Fortschritt erreichen, den wir uns mit Innovationsprojekten wie Made in China 2025 vorgenommen haben“, schlussfolgerte Dr. LI.
Kulturelle Faktoren bei der Zusammenarbeit wichtig
In der anschließenden Diskussion ging es vor allem um Aspekte einer Zusammenarbeit westlicher Universitäten mit chinesischen Konzernen. Kulturelle Faktoren würden dort ebenso eine wichtige Rolle spielen, wie auch die Sorge westlicher Partner vor einer zu großen Nähe chinesischer Großkonzerne zur kommunistischen Partei.
In diesem Zusammenhang plädierte Dr. LI stark für Mediatoren, die mit beiden Kulturen vertraut seien und so Brücken zwischen den verschiedenen Mentalitäten bauen könnten.
Die Diskussionen wurden anschließend in kleineren Runden bei chinesischem Essen von den TeilnehmerInnen mit dem Dozenten weitergeführt.
Haben Sie Interesse an unserem China Lunch? Dann kommen Sie vorbei, diskutieren und essen Sie mit! Unsere Reihe wird am 9. Dezember 2019 mit Andrea Střelcovás Vortrag „Chinesische Neuausrichtung des Wissenschafts-, Technologie- und Innvotationssystems“ fortgeführt, bevor sie mit der Veranstaltung „A Comparative Study of Urban Agritecture between New York und Shanghai“ von Dr. des. ZHOU Hemeng, am 20.01.2020 beschließt.
