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Tag IV und V der Startup-Reise (28. und 29. November 2019)

Shenzhen, die Metropole des Südens und die am schnellsten wachsende Stadt der Welt: In den letzten 40 Jahren wuchs die Stadt von ursprünglich einigen Tausend Einwohnern auf heute über 20 Millionen. Glänzende Wolkenkratzer, jeder besonders und in einem eigenen Stil gebaut, saubere Straßen, gepflegte Parkanlagen, gut gekleidete Menschen, das alles prägt das Stadtbild Shenzhens, das über den Erfolg der Reformpolitik und Wirtschaftsöffnung in ganz China Zeugnis ablegt.

Im Sommer 1980 wurde beschlossen, daß der kleine Fischerort Shenzhen gegenüber Hong Kong zur Sonderwirtschaftszone ausgebaut wird. Mit dieser Änderung und Öffnung des Landes zur Marktwirtschaft setzte der Zustrom von Talent, Kapital und Technologie nach Shenzhen ein, der bis heute andauert. Shenzhen wurde zur Stadt der Talente und der Stadt der Zuwanderer, die kamen, um ihre Träume vom besseren Leben zu verwirklichen. Und tatsächlich haben es hier viele geschafft: Shenzhen ist die Stadt mit dem höchsten BIP pro Einwohner in ganz China. Dieser Aufschwung dauerte in den 80ern und 90ern Jahren an, als Shenzhen zur Werkbank der Welt und zur Stadt der Fertigungsindustrie wurde. Heute ist, im Unterschied zu damals, Shenzhen eine Stadt von Gründern und Talenten, Entwicklern und Bastlern. Der Gründergeist ist allgegenwärtig, in jedem Jugendlichen oder Studenten schlummern mehrere Ideen, die ihn oder sie zu einem eigenen Startup mit Wachstumspotenzial führen können.

Am bekanntesten ist Shenzhen durch seine Hightech-Hardware-Industrie. Man sagt: Wenn man morgens eine Idee hat, kann sie schon am gleichen Abend als fertiges Produkt realisiert werden, so schnell materialisieren sich hier die Gedanken. In dieser Hardware-Metropole der Welt läuft alles nach dem Try- and Error-Prinzip: Das macht Shenzhen gleichermaßen zur Stadt des Erfolgs und des Scheiterns. Kein langes Überlegen, keine endlosen Wege, aber auch keine Datenschutzrichtlinien und keine formalen Hindernisse. Leichtigkeit der Entscheidungen und Leichtigkeit des Erflogs schweben über allem und jedem. Schnelllebig, vibrierend und pulsierend glänzt die Stadt der Gründer. Ihre Skyline droht die markante Skyline des benachbarten Hong Kongs in den Schatten zu stellen. Alles scheint hinter diesen Fassaden aus Glas und Stahl möglich zu sein.

Und unsere Startup-Reise? Erst hier in Shenzhen entfalten sich bei den Gründern die Potenziale: Sie pitchen bei Tencent, werden gedrillt bei Intebridge; sie besuchen die Ideen- und Produkteschmiede NOA labs und den Henks außergewöhnlichen, sozialeingestellten Inkubator Troublemakers sowie den Weltmarktführer in der Drohnenherstellung DJI; sie lassen sich vom erfolgreichen Startup DONGXii schulen und vom größten Hardware-Markt der Welt, Huaquangbei, begeistern.

Bei der Suche nach Partnern und Investoren formen die Gründer unser aller Zukunft: Durch die Auswahl der geförderten Produkte bestimmt man, was wir brauchen und wie wir künftig leben werden; welche Waren, welche digitalen Dienstleistungen oder Technologien wir nutzen werden. Welches Design, welche Convenience, welche Extension des Körpers und des Geistes, über all das wird hier an der Quelle der Ideen entschieden. Die künftigen Gewohnheiten und Wünsche werden schon heute entworfen, die Zukunft wird in Tech-Zentren wie Shenzhen geformt. 

Chinas Wirtschaftswunder ist längst noch nicht zu seinem Ende gekommen. Es lastet starker Erfolgsdruck auf Shenzhen, vielleicht wird die Stadt in der Lage sein, als Welt-Hightech-Versuchslabor zu bestehen, vielleicht wird sie scheitern, das ist vom heutigen Zeitpunkt her schwer zu sagen. Die Antwort liegt teilweise auch in der Entstehung dieser außergewöhnlichen Stadt, einem Präzedenzfall in der Geschichte Chinas. 

 

Text: Tania Becker