Das BZHL setzt mit seinen Weiterbildungs- und Beratungsangeboten Impulse für die reflektierte Lehrpraxis, angelehnt an das Modell des „reflective practioner“ (Kolb, 1984), in dem Lernen wie folgt verstanden wird: “Learning is the process whereby knowledge is created through the transformation of experience” (Kolb, 1984, p. 38). Deshalb bietet das BZHL Lernformen an, die erfahrungsorientiert sind und das aktive Experimentieren ermöglichen, wie Microteachings, Lehrbesuche, um diese dann in Workshop-Feedbacks, kollegialen- und Einzelberatungen im Sinne der Reflexion zu betrachten.
Hoher Praxisbezug und direkter Einbezug des Lehralltags der Teilnehmenden in den Workshops sind eine wesentliche Voraussetzung für nachhaltigen Transfer des Gelernten in die Praxis. Wenn das Lernfeld im Rahmen des Workshops schon sehr ähnlich gestaltet wird wie das „Arbeitsfeld“ der Lehrenden, ist dies eine gute Voraussetzung für nachhaltigen Transfer (Baldwin & Ford aus Kauffeld/Grote/Frieling, 2009).
Da das Themenfeld der Hochschullehre zunehmend komplexer wird und sich durch Berücksichtigung von Erkenntnissen der Bezugsdiszplinen verwissenschaftlicht, bietet das BZHL Lerninhalte wie Videos, inhaltliche Zusammenfassungen, OERs, Podcasts etc. an, die eine fundierte Auseinandersetzung mit (grundlegenden) wissenschaftlichen Erkenntnissen zu verschiedenen Teilthemen im Feld des Lernens und Lehren an Hochschulen ermöglichen. Dabei folgt das BZHL insbesondere den Erkenntnissen der psychologisch-pädagogischen Lehr-Lernforschung, gemäß derer die Kenntnis grundlegender Fachtermini, Konzepte und Zusammenhänge im jeweiligen Themenbereich eine wesentliche Voraussetzung für kompetentes Handeln darstellen (Kerres, 2021).
Bei allen Angeboten des BZHL geht es darum, bei den Lehrenden eine forschende Haltung zu ihrer Lehrtätigkeit zu initiieren, die im Sinne von Boyers Scholarship of Teaching and Learning (1990) eine Weiterentwicklung der Lehre auch über das Ende der Weiterbildung hinaus ermöglicht. Forschung und Lehre gehen zusammen. Im Sinne des Verständnisses von Bildung von Humboldt, verstehen wir den Zweiklang auch so, dass bildungswissenschaftliche Forschung zu Lernen und Lehren an der Hochschule auch das konkrete Lehren informiert. Unser Anspruch ist, unsere Vorschläge für lernorientiertes Lehren auf Erkenntnissen der Lern-Lehrforschung zu basieren, die Lehrende als Anregung und Reflexionsfolie für ihre didaktischen Entscheidungen berücksichtigen können .
Im Kontext der hochschuldidaktischen Debatte unterstützt das BZHL die Gestaltung/Ausrichtung der Lehre vor dem Hintergrund der vielfältigen Erkenntnisse zum Lernen der Studierenden. So gestaltet das BZHL die Weiterentwicklung der hochschuldidaktischen Grundlagen und damit auch die kritische Auseinandersetzung z.B. mit dem Shift from Teaching to Learning (z.B. Reinmann, 2018) durch ein Zusammenbringen fundierter wissenschaftlicher Erkenntnisse der Bezugsdisziplinen mit. Dabei engagieren wir uns für ein transdisziplinäres Verständnis von Hochschullehre, in dem die Erkenntnisse verschiedener Forschungsdisziplinen zu etwas Neuem werden (Wildt & Rhein, im Druck).
Literatur:
Boyer, E. (1990): Chapter 2: Enlarging the Perspective. Scholarship Reconsidered: Priorities of the Professoriate. New York: Carnegie Foundation for the Advancement of Teaching, 15-25.
Kauffeld, S.; Grote, S.; Frieling, E. (Hrsg.), (2009): Handbuch Kompetenzentwicklung. Schäffer-Poeschel, Stuttgart.
Kerres, M. (2021): Didaktik. Lernangebote gestalten. utb.
Kolb, D. A. (1984): Experiential learning: Experience as the source of learning and development (Vol. 1). Englewood Cliffs, NJ, Prentice-Hall.
Reinmann, G. (2018): Shift from Teaching to Learning und Constructive Alignment: Zwei hochschuldidaktische Prinzipien auf dem Prüfstand. Redemanuskript des Eröffnungsvortrags am 08. Februar 2018 Vortragsreihe zur Hochschuldidaktik an der Freien Universität. https://gabi-reinmann.de/wp-content/uploads/2018/02/Vortrag_Berlin_Feb2018.pdf
Wildt, J., Rhein, R. (Hrsg.) (im Druck): Hochschuldidaktik als Wissenschaft – disziplinäre, interdisziplinäre und transdisziplinäre Bezüge. Transkript-Verlag. https://www.transcript-verlag.de/978-3-8376-6180-4/hochschuldidaktik-als-wissenschaft/?c=311000025
Das Berliner Zentrum ist ein Ort des Austauschs und der Interdisziplinarität über Hochschulgrenzen hinweg. Im BZHL treffen Lehrende des gesamten Fächerspektrums an Universitäten, Hochschulen für angewandte Wissenschaften sowie künstlerischen Hochschulen aufeinander. Dadurch lernen sie fachkulturübergreifend, reflektieren und erweitern ihre mögliche Rollenvielfalt und werden sich auch der kulturellen Selbstverständlichkeiten in ihrem Fach bzw. ihrer Hochschule bewusst. Sie werden zudem mit verschiedenen organisationalen Kontexten um sie herum konfrontiert und wirken ggf. auf diese zurück. So entsteht bestenfalls eine Weiterentwicklung der Hochschule und deren Organisation.
Lehrende kommen mit unterschiedlichen eigenen Lehr-/Lernerfahrungen, die z.T. fachkulturspezifisch geprägt sind und unterrichten Studierende, die ebenfalls Wünsche, Bedürfnisse und z.T. fachkulturspezifische Erwartungen mitbringen. Durch die Angebote und Ressourcen des BZHL sowie durch die Interaktion mit den Dozierenden des BZHL erhalten Lehrende Inspiration und Unterstützung für die wissenschaftlich fundierte Auswahl von Lehr- und Lernkonzeptionen, die zu ihnen selbst, zu ihren Studierenden und den Rahmenbedingungen passen, um Lehre bestmöglich und nachhaltig zu gestalten (Mörth, et al., im Druck).
Literatur:
Mörth, M., Paridon, H., Enders, N., Ulrich, I. (im Druck): Psychologie als eine Grundlage der Hochschuldidaktik. In Rhein, R., Wildt, J. (Hg.) Hochschuldidaktik als Wissenschaft. Disziplinäre, interdisziplinäre und transdisziplinäre Perspektiven. Transkript Verlag.
Als Lehrinnovationszentrum Berlins gestaltet das BZHL sein Angebot im Austausch mit den beteiligten 13 Hochschulen, den teilnehmenden Lehrenden im Kontext des hochschuldidaktischen Diskurses über Berlin und Deutschland hinaus. Dieser diskursive Ansatz ermöglicht es, gemäß der Adressatenorientierung in der Erwachsenenbildung (von Hippel, Tippelt, Gebrande, 2016) die Weiterbildungsangebote nah an den Bedürfnissen der Lehrenden, der Hochschulen und des sich stetig verändernden Feldes der Hochschullehre zu entwickeln. Es ist nicht statisch, sondern reagiert zum einen auf Impulse der Stakeholder und initiiert zum anderen mit eigenen Ideen neue Impulse auf Seiten der Stakeholder. Zu allen Themen versucht das BZHL eine Verbindung zur (psychologisch-pädagogischen) Lehr-Lernforschung oder zur Forschung anderer Bezugsdisziplinen herzustellen, um den Diskurs damit zu bereichern bzw. die Erkenntnisse in Entscheidungen der Programmplanung einfließen zu lassen.
Grundsätzliches Ziel unseres Angebots ist die Kompetenzentwicklung der Lehrenden. Unser Kompetenzverständnis beruht auf der Definition von Weinert (2001), nach dem Kompetenzen die „bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten [sind], um bestimmte Probleme zu lösen sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können.“ Dabei nimmt das BZHL Bezug auf den Hochschulqualifikationsrahmen (HRK, KMK, BMBF, 2017).
Einen Orientierungsrahmen für die Konzeption unseres Lehrpfades und unserer Angebote bilden die Selbstlernmaterialien des Hamburger Zentrums für universitäres Lernen und Lehren (HUL, 2022) sowie integrative didaktische Ansätze von Michael Kerres (2021). Diese sehen wir aufbauend auf einem ganzheitlichen, wissenschaftlich fundierten Verständnis der Persönlichkeitsentwicklung und des Lernens von Studierenden und Lehrenden an Hochschulen (vgl. HELF - Higher Education Learning Framework, Nugent et al, 2019). Zudem orientieren wir uns an Rahmenempfehlungen des Wissenschaftsrats, der KMK oder der HRK.
Durch die Vielheit der Fächer, die in Berlin gelehrt werden, wird durch das BZHL ein besonderes Augenmerk auf das Verhältnis von allgemeiner und fachspezifischer Hochschuldidaktik gelegt, denn Lehrkompetenz zeigt sich in den verschiedenen Kontexten auf verschiedene Weisen. Durch den Austausch mit Akteuren des DGHD-Netzwerkes auf Bundes- und der ICED auf internationaler Ebene (s. bspw. Swednet Framework, Roxå, Mårtensson, 2008) sowie mit regionalen Akteuren werden Gewichtungen und Schwerpunkte vorgenommen.
Literatur:
Erpenbeck, J.; von Rosenstiel, L. (Hrsg.), (2007): Handbuch Kompetenzmessung. Verstehen und bewerten von Kompetenzen in der betrieblichen, pädagogischen und psychologischen Praxis, Schäffer Poeschl, 2. Auflage.
HRK, KMK, BMBF (2017): Qualifikationsrahmen für deutsche Hochschulabschlüsse (HQR). https://www.hrk.de/fileadmin/redaktion/hrk/02-Dokumente/02-03-Studium/02-03-02-Qualifikationsrahmen/2017_Qualifikationsrahmen_HQR.pdf
HUL - Hamburger Zentrum für universitäres Lehren und Lernen (2022): Hochschuldidaktische Materialien zum Selbstlernen. https://www.hul.uni-hamburg.de/selbstlernmaterialien.html
Kerres, M. (2021): Didaktik. Lernangebote gestalten. Utb.
Nugent A., Lodge, J. M., Carroll, A., Bagraith, R., MacMahon, S., Matthews, K. E. & Sah, P. (2019): Higher Education Learning Framework: An evidence informed model for university learning. Brisbane: The University of Queensland. https://doi.org/10.14264/348c85f
Torgny Roxå & Katarina Mårtensson (2008): Strategic educational development: a national Swedish initiative to support change in higher education, Higher Education Research & Development, 27:2, 155-168, https://doi.org/10.1080/07294360701805291
von Hippel, A., Tippelt, R., Gebrande, J. (2016): Adressaten-, Teilnehmer- und Zielgruppenforschung in der Erwachsenenbildung. In: Tippelt, R., von Hippel, A. (eds) Handbuch Erwachsenenbildung/Weiterbildung. Springer Reference Sozialwissenschaften. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-20001-9_55-1
Weinert, F. E. (Hg.) (2001): Leistungsmessungen in Schulen. Weinheim u. Basel, Beltz. S. 27f.
Die Lehrenden, die an den Weiterbildungen des BZHL teilnehmen, sind verschieden. Sie bringen Erfahrungen aus ihrer eigenen Lernbiografie ein, sind von ihren Fachkulturen geprägt und haben verschiedene Ziele in der Hochschule. Darum nutzt das BZHL das Konzept der lernbiografisch formierten Lehrüberzeugungen (Kiehne, 2015), um ganz bewusst an den Vorbedingungen der Lehrenden anzuknüpfen und ihre Lernbiografie in eine durch formale Lern-Lehrkonzepte angereicherte Lehrbiografie weiterzuschreiben. Dabei bezieht sich das BZHL auf das Lehrkompetenzentwicklungsmodell Trautwein/Merkt (2013) mit der Erweiterung um die biografisch formierten Lehrkonzeptionen (Kiehne, 2015). Vor dem Hintergrund dieses Modells ist es insbesondere das formale Lehr-Lernwissen, zu dem mehr und mehr Verbindungslinien zu wissenschaftlichen Erkenntnissen aus der pädagogisch-psychologischen Lehr-Lernforschung hergestellt werden können, die als weitere Anregung für die Entwicklung des individuellen Lehrstils einfließen können. Die Entwicklung der Lehrperson in ihren sozialen und beruflichen Bezügen als verantwortlich handelndes Individuum, das sich seiner gesellschaftlichen Verantwortung bewusst ist, ist ein Anliegen unserer Weiterbildungsarbeit. Um eine umfassende Persönlichkeitsentwicklung mit gesellschaftlicher Verantwortung bei Studierenden nachhaltig anstoßen zu können, unterstützt das BZHL auch Lehrende bei der Entwicklung ihrer eigenen Persönlichkeit (Zielklarheit, Werte, Wohlbefinden, Lebenssinn etc.) (Frey, 2016; Schnell, 2020; Schmitz et al., 2018).
Im Dialog von Lehrperson, hochschuldidaktischem Wissen und unseren Dozentinnen und Dozenten im Kontext der Hochschule sollen so Entwicklungsräume für eine reflektierte Lehrpersönlichkeit geöffnet werden. So sind die verschiedenen Dozentinnen und Dozenten, die die Workshops im BZHL gestalten, mit ihrem Lehrhandeln im Sinne des Modelllernens (Albert Bandura, 1979) auch Modelle für das zukünftige Lehrhandeln der Teilnehmenden.
Literatur:
Bandura, A. (1979): Sozial-kognitive Lerntheorie. Klett-Cotta, Stuttgart.
Frey, D. (2016): Psychologie der Werte. Von Achtsamkeit bis Zivilcourage – Basiswissen aus Psychologie und Philosophie. https://doi.org/10.1007/978-3-662-48014-4
Kiehne, B. (2015): Die Biografie lehrt mit. Eine qualitative Untersuchung zum Zusammenhang von Lernbiografie und Lehrüberzeugung bei Nachwuchslehrenden. Waxmann, Münster.
Schmitz, B., Lang, J., Linten, J. (2018): Psychologie der Lebenskunst. Heidelberg, Berlin, New York: Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-662-55251-3
Schnell, T. (2020): Psychologie des Lebenssinns. Heidelberg, Berlin, New York: Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-662-61120-3
Trautwein, C.; Merkt, M. (2013): Lehrportfolios in Berufungsverfahren. In: Berendt, B.; Wildt, J.; Sczcyrba, B. (Hrsg.). Neues Handbuch Hochschullehre.
Ein Merkmal der Profession von Lehrenden ist, dass sie besondere Fähigkeiten auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse erworben haben. Durch die Aufbereitung wissenschaftlicher Erkenntnisse zum Lernen und Lehren möchte das BZHL Lehrende in ihrer Rolle als Wissenschaftler:innen in Bezug auf ihre Lehre ansprechen.
Lernbiografisch erworbene Überzeugungen sind handlungsleitend. Subjektive Überzeugungen sind jedoch fehleranfällig und stimmen nicht immer mit wissenschaftlichen Erkenntnissen überein. Lern- und Neuromythen sind auch unter Lehrpersonen weit verbreitet (u.a. Steins et al., 2022).
Neben den Erfahrungen der Lehrenden, den Wünschen und Bedürfnissen der Studierenden sowie den Rahmenbedingungen können qualitativ hochwertige Erkenntnisse aus der pädagogisch-psychologischen Lehr-Lernforschung in didaktische Entscheidungen der Lehrenden einfließen (Mörth, Paridon, Enders, Ulrich, im Druck). Um dies zu ermöglichen, stellt das BZHL Zugang zu wissenschaftlichen Erkenntnissen der Bezugsdisziplinen her und zeigt auf verschiedenen Ebenen Verbindungen auf. Auch hochschuldidaktische DozentInnen erhalten dadurch Anregungen und Rahmungen für ihre Angebote.
Die zur Verfügung gestellten (Selbstlern-)Materialien werden mehr und mehr unter Berücksichtigung transdisziplinärer wissenschaftlicher Erkenntnisse gestaltet. Die zunehmend stärkere Fundierung des formalen Lehr-Lernwissens durch Berücksichtigung pädagogisch-psychologischer Erkenntnisse und Erkenntnisse der Lehr-Lernforschung soll Lehrende in ihrer Rolle als Wissenschaftler:innen angesprochen und sie anregen, ihre subjektiven Lehrüberzeugungen vor diesem Hintergrund zu reflektieren. Zudem werden Lehrende durch das Rezipieren qualitativ hochwertiger Erkenntnisse und Studien zur Beforschung ihrer eigenen Lehre angeregt.
Literatur:
Mörth, M., Paridon, H., Enders, N., Ulrich, I. (im Druck): Psychologie als eine Grundlage der Hochschuldidaktik. In Rhein, R., Wildt, J. (Hg.) Hochschuldidaktik als Wissenschaft. Disziplinäre, interdisziplinäre und transdisziplinäre Perspektiven. Transkript Verlag.
Steins, G., Spinath, B., Dutke, S., Roth, M., Limbourg, M. (2022): Mythen, Fehlvorstellungen, Fehlkonzepte und Irrtümer in Schule und Unterricht. Springer.