Das interdisziplinäre Verbundprojekt untersucht den Umgang mit Wissen in den Technikwissenschaften. Damit leistet es einen Beitrag zur Wissens- und Wissenschaftsforschung und versteht sich damit als Grundlagenforschung. Das Ziel besteht in der Herausarbeitung von Spezifika der Technikwissenschaften und der Dynamik technikwissenschaftlichen Wissens. Dabei werden gängige Klassifikationen des technikwissenschaftlichen Wissens (theoretisches Wissen, Regelwissen, Erfahrungswissen usw.) überprüft. Vor allem aber wird der dynamische Umgang mit diesem Wissen – von der Gewinnung bis zur Anwendung – untersucht und in Form von Modellen systematisiert. Im Zentrum der Untersuchungen stehen verschiedene geistes-, sozial- und wirtschaftswissenschaftliche Perspektiven der Technikwissenschaften, welche fallstudienbezogen untersucht und integriert werden. Die Hochschulforschung bildet dabei das Kerngebiet der Untersuchungen; dort, wo es notwendig ist, werden auch Kontextfaktoren wie Wirtschaft, Politik oder Öffentlichkeit mit einbezogen.
Im Rahmen des Projektes soll eine theoretisch-systematische Grundlage geschaffen werden, um den Umgang mit Wissen in den Technikwissenschaften zu verändern und zu gestalten. Das Verbundprojekt erwartet aufgrund seiner Ergebnisse vielfältige Reflexionsangebote für die Technikwissenschaften: präzisere Formulierungen des Selbstverständnisses der Technikwissenschaften, eine genauere Platzierung der Technikwissenschaften im System der Wissenschaften, eine Verbesserung der internen und externen Kommunikationsfähigkeit durch die Klärung zentraler Wissensbegriffe, ein Verständnis für die Dynamik von Wissensnetzwerken und eine Erhöhung der Reflexivität technikwissenschaftlicher Arbeit.
Teilprojekt 1 - Von Artefakten zu Wissensfakten. Zur Verwissenschaftlichung des Konstruierens durch informationstechnische Artefakte am Beispiel des Einsatzes von CAD, CAM und CAE im Maschinenbau
Inhalt: Eine Besonderheit der Dynamik technikwissenschaftlichen Wissens ist, dass Wissen in Konstruktionsvorgängen mit Artefakten gewonnen wird und sich in Artefakten manifestiert. Eine Schlüsselfunktion erhalten wiederum computerbasierte Konstruktionswerkzeuge, die zur Genese technikwissenschaftlichen Wissens eingesetzt werden und in ihrer Handhabung das gewonnene Wissen verfügbar machen. Das Ziel dieses Teilprojektes ist es, die epistemische Wirksamkeit informationstechnischer Artefakte in Konstruktionsprozessen und die daraus resultierenden Folgen für die Wissensdynamik in den Technikwissenschaften genauer zu untersuchen. Denn sie stellen nicht nur wichtige Hilfsmittel in der Wissensakquisition, Wissenskoordination und Wissensintegration dar. Sondern durch ihre Rahmenbedingungen in der Entwicklung gehen sie zugleich konstituierend in die Wissensgenerierung ein.
Daraus ergeben sich zwei Ebenen der Untersuchung. Zum einen werden computerbasierte Artefakte als Wissensmanifestationen betrachtet, in denen sich Wissen niederschlägt und verkörpert wird. Zum anderen steht ihre Rolle als Wissenswerkzeuge und den mit ihnen verbundene Erkenntnispraktiken im Fokus. Aus der Perspektive des Gebrauchs ist zu klären, wie sich die epistemischen Voraussetzungen der Werkzeuge in der Entwicklung niederschlagen und wie mit ihrer Hilfe neues technikwissenschaftliches Wissen erzeugt wird. Dabei entfaltet sich die theoretisch-begriffliche Analyse entlang empirischer Fallbeispiele. Sie entstammen dem Bereich des Maschinenbaus am Leitbeispiels der Fahrtzeugtechnik/ Bremssystem und zielen darauf, den Einsatz von CAD (computer-aided design), CAE (computer-aided engineering) und CAM (computer-aided manufacturing) unter wissensbezogenen Fragen offenzulegen und kritisch zu prüfen.
Nicht zuletzt durch die noch immer weit verbreitete Einschätzung von technikwissenschaftlichem Wissen als bloße Anwendung eines aus anderen Bereichen zur Verfügung gestellten Wissens ist ein vertieftes Verständnis der Dynamik technikwissenschaftlichen Wissens ein großes Forschungsdesiderat. Dieses Defizit begegnet das Teilprojekt auf zweierlei Weise: Erstens kann es wissenstheoretische Besonderheiten des Bereichs herausarbeiten und stellt damit einen wichtigen Baustein einer noch zu entwickelnden allgemeinen Wissenschaftstheorie der Technikwissenschaften dar. Zweitens versprechen die Ergebnisse Hinweise für den Umgang mit dem weltgestaltenden Potenzial informationstechnischer Artefakten. Die Aufklärung der zugrundeliegenden Prozesse vermag es, die Voraussetzungen von Technikgestaltung bereits in ihrer Entwicklungsphase aufzudecken. Ihre kritische Analyse kann wesentlich dazu beitragen, die bislang wenig ausgeprägte Reflexivität in den Ingenieurwissenschaften zu erhöhen.
Dr. Sabine Ammon
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
Oktober 2016 bis September 2020
Prof. Dr. Sabine Ammon
Prof. Dr. Nina Baur
Prof. Dr. Hans-Liudger Dienel
Prof. Dr. Markus A. Feufel
Prof. Dr.-Ing. Claudia Fleck
Dr. Jannis Hergesell
M.Sc. Julius Jenek
Dr.-Ing. Anke Märten
Prof. Dr.-Ing. Henning Jürgen Meyer
Prof. Dr.-Ing. Steffen Müller
Prof. Dr.-Ing. Rainer Stark
Dipl.-Ing. Wei Min Wang