Architekturtheorie

Mission Statement und Forschungsprofil des Fachgebiets Architekturtheorie

Das Fachgebiet Architekturtheorie am Institut für Architektur der TU Berlin (Prof. Dr.- Ing. habil. Jörg H. Gleiter) verfolgt in Forschung und Lehre den Ansatz einer Kritischen Theorie der Architektur, umso mehr heute einer Kritischen Theorie des Anthropozäns.Entsprechend der zentralen Bedeutung der Architektur für den Menschen kann die Architekturtheorie aber nicht im engen Sinne bei der Architektur, d. h. allein beim Gedacht-, Gemacht- und Gebrauchtwerden der Architektur stehen bleiben. Besonders heute, im größeren Kontext der allgegenwärtigen Umweltproblematik, der Frage nach dem Verbrauch der Ressourcen – organische wie anorganische, natürliche wie menschliche –, dem Klimawandel, dem Landverbrauch und dem Bevölkerungswachstum und – vor allem – der Frage nach der Generationengerechtigkeit, Inklusion und Chancengleichheit kann die Architekturtheorie nur als eine kritische Kulturtheorie ihr kritisches Potenzialentwickeln und ihre gesellschaftliche Wirkungsmacht entfalten.


Forschung wie Lehre fokussieren dabei einerseits auf die allgemeinen Grundlagen der Architektur – Architekturtheorie als Grundlagenwissenschaft – wie auch auf die aktuelle, spezifische und lokale Problematik. Dabei ist das Fachgebiet Architekturtheorie der Erkenntnis verpflichtet, dass die globalen Probleme heute nur in individueller Verantwortung und in lokalem Engagement gelöst werden können.


                                 »So stehen hinter der Architekturtheorie immer der Zweifel
                              und die alles beherrschende Frage: „Was heißt: sich im Denken
                                        orientieren?“ Und Orientierung im Denken, das wird 
                                                      dringender denn je gebraucht.«

                                        Jörg H. Gleiter, Architekturtheorie zur Einführung,
                                                   Hamburg: Junius Verlag 2022, S. 11

Für die Architekturtheorie ist die Erkenntnis leitend, dass die Architektur immer schon ein Projekt der Transformation der Erde war und ist. Um sich eine ihm angemessene Umwelt zu schaffen, muss der Mensch mittels Geräten, Maschinen und Architektur in das System Erde eingreifen. Er kann nicht anders. Auch die imaginäre Urhütte war schon ein Eingriff in das System Erde, so folgenlos dies anfänglich noch für das System Erde als Ganzes gewesen sein mag. 

Das heißt aber, dass mittels der Architektur der Mensch immer schon in einer dialektischen Spannung zum System Erde steht. Daher liegt dem theoretischen Ansatz des Fachgebiets Architekturtheorie die Überzeugung zugrunde, dass das Anthropozän jenes Zeitalter ist, in dem die generelle dialektische Spannung zwischen Architektur und System Erde offen aufbricht, zur Sichtbarkeit kommt und jetzt zum großen, allumfassenden Thema der Architektur wird. Dass diese dialektische Spannung heute zum Thema wird in der Architektur – aber nicht nur in der Architektur –, darin liegt der Unterschied zwischen der Kritischen Theorie der Architektur in der Moderne und der Kritischen Theorie im Anthropozän. 

Wie zeigt sich dies, welches sind die Defizite und welches sind die Abhängigkeiten? Wie kann dieses Spannungsverhältnis zukunftsorientiert kreativ und produktiv gestaltet werden? Welches sind die geeigneten materiell-technischen, ästhetisch- sinnlichen und konzeptuell-theoretischen Mittel dazu? Gegenüber der kritischen Theorie von Moderne und Postmoderne, was nur gut fünf Jahrzehnte zurückliegt, verschieben sich unter den aktuellen Bedingungen des Systems Erde – Ressourcenverbrauch, Klimawandel, wachsende und schrumpfende Weltbevölkerung, aber auch Digitalisierung und Globalisierung – das Erkenntnisinteresse der Architekturtheorie und die Erwartungen, die man an sie hat. 

Mit Hannah Arend gilt es festzustellen, dass eine nicht hintergehbare Voraussetzung menschlichen Lebens die »Angewiesenheit« menschlicher Existenz auf Gegenständlichkeit und Objektität“ und damit auf Architektur ist. Im Gewirr der Vorsätze und Meinungen, der Vorurteile und der Klischees, aber auch des gut gemeinten Glaubens hat die Kritische Theorie der Architektur die nicht ganz kleine Aufgabe, das implizite Wissen explizit zu machen, ins Bewusstsein und zur Sprache zu bringen und unter der Frage »Was heißt: sich im Denken orientieren« (Kant) dem
Denken zugänglich zu machen.


Berlin, 5. Oktober 2022 Jörg H. Gleiter

Forschungsschwerpunkte des Fachgebiets:

- Kritische Theorie der Architektur im Anthropozän

- Projekt Erde: Das architektonische Projekt und die Produktion, Transformation und Gestaltung  
  von Wissen  

- Phänomen und Logik der Zeichen: Grundlagenforschung zur Theorie der
  Architektur

- ARS DFG-Verbundprojekt (mit UdK): Digitales Repositorium der architektonischen  
  Wissensproduktion

- Digitale Notation und Dokumentalität 

- Architekturpsychologie