Fachgebiet Audiokommunikation

Kulturdatenanalyse von Produktionskulturen in der klassischen Musik

Wie bereits das ebenfalls von der DFG geförderte Vorgänger-Projekt „Das Tonstudio als diskursiver Raum“ (GZ: MA 7142/2-1) zeigen konnte, ist die klassische Tonaufnahme kein abgeriegeltes Terrain, das nur dem Werk oder dem Künstler verpflichtet ist. Vielmehr hat sie Teil an ästhetischen und gesellschaftlichen Veränderungen. Dies geschieht auch durch die an der Tonaufnahme beteiligten Menschen, die musikkulturelles Kapital mitbringen und/oder erwerben, am gesellschaftlichen Diskurs teilhaben und dies in ihre Philosophie der Tonaufnahme einfließen lassen. Wesentlich für ein besseres theoretisches Verständnis der diskursiven Struktur und der ästhetischen Konzepte in der klassischen Musikproduktion ist aber nicht nur die Analyse der Kommunikation zwischen den beteiligten Personen einer Tonaufnahme, sondern auch ein besseres Verständnis der konkreten Handlungsweisen im Verlauf des Produktionsprozesses selbst.

Das Vorhaben „Kulturdatenanalyse von Produktionskulturen in der klassischen Musik“ zielt daher darauf ab, Grundlagen für eine Medienproduktionsforschung im Bereich der klassischen Musik zu schaffen. Einerseits soll dies durch Hospitationen in Tonstudios in Nordamerika und in Großbritannien erreicht werden: Ein Vergleich der dort erzielten Daten mit den Ergebnissen der Vorstudie zielt auf ein vertieftes Verständnis von Produktionskulturen, ihren Abläufen und den Habitus von Musikern und Ingenieuren in internationaler Gegenüberstellung. Es wird zu zeigen sein, dass die Bedeutung, die dem Beruf ,Ingenieur‘ zugeschrieben wird, auch sozial konstruiert ist.

Unsichtbar bleiben bislang auch die konkreten Handlungsweisen der beteiligten Tonmeister im Verlauf des Produktionsprozesses, da sich eine Beschreibung der Produktionsschritte kaum sprachlich darstellen lässt. Das hier skizzierte Vorhaben zielt daher außerdem darauf ab, Visualisierungen im Sinne einer Abstraktion des gesamten Montage-Prozesses zu entwickeln.

Vermutlich ist das Werk, also die Tonaufnahme, vielschichtiger als bisher angenommen: sie ist in Produktionskulturen eingewoben, die man mit innovativen Methoden sichtbar machen muss, damit sie überhaupt zur Kenntnis genommen werden können. Übergeordnetes Ziel des Projektes ist eine Verknüpfung von Technik-, Wissens- und Mediengeschichte, mit der Absicht, Strategien der akustischen Wissensproduktion offenzulegen und somit einen Beitrag zu einer zeitgemäßen Form musikalischer Interpretationsforschung zu leisten.

Förderung

Deutsche Forschungsgemeinschaft, DFG MA 7142/2-2, WE 4057/25-2

Publikationen

Martensen, K. (2023). ,The phonograph is not an opera house‘. Caruso im Spiegel von Ästhetik und Technik der Tonaufnahme. In T. Seedorf (Ed.), TENORISSIMO (pp. 120–132). München: edition text + kritik.

Martensen, K. (2022). Das Tonstudio als diskursiver Raum: Theorie, ästhetisches Konzept und praktische Umsetzung in der klassischen Tonaufnahme. Würzburg: Königshausen u. Neumann.

Martensen, K. (2022). Klassische Musik im Tonstudio. In M. Ahlers, B. Jörissen, M. Donner, & C. Wernicke (Eds.), MusikmachDinge im Kontext. Forschungszugänge zur Soziomaterialität von Musiktechnologie (pp. 41–64). Hildesheim: Universitätsverlag Hildesheim and Olms.

Martensen, K. (2022). Soundtechnologien -- sichtbar gemacht. Softwaregestützte Inhaltsanalyse von Rezeptionsdokumenten mit MaxQDA. In J. Caskel, F. Vollmer, & T. Wozonig (Eds.), Softwaregestützte Interpretationsforschung (pp. 373–392). Würzburg: Königshausen u. Neumann.

Martensen, K. (2021). Tiefenbohrungen in den musikwissenschaftlichen Werk- und Autorschaftsbegriff mit digitalen Werkzeugen. Editio. Internationales Jahrbuch Für Editionswissenschaft, 35, 182–206.

Martensen, K. (2020). Mikrophon und Habitus. Überlegungen zum Mikrophongebrauch in der Klassischen Tonaufnahme. Rundfunk Und Geschichte. Objektgeschichten Des Rundfunks, 46(1–2), 47–58.

Martensen, K. (2019). The phonograph is not an opera house: Quellen und Analysen zu Ästhetik und Geschichte der frühen Tonaufnahme am Beispiel von Edison und Victor. In R. Grotjahn, M. Kob, & K. Martensen (Eds.), Technologien des Singens (Vol. 1). München: Allitera Verlag.