Fachgebiet Audiokommunikation

Das Tonstudio als diskursiver Raum

Bei einem Blick in die Analysemöglichkeiten der Historischen Musikwissenschaft in Bezug auf die klassische Tonaufnahme werden aktuell zwei Probleme sichtbar: Einen Forschungsansatz, der alle Beteiligten einer Tonaufnahme sichtbar macht, also die Musiker und die Ingenieure, gibt es im Bereich der klassischen Tonaufnahme bisher nicht. Wie Technik als nicht-menschlicher Mitspielerhier methodisch eingebunden werden könnte, ist ungeklärt. Dadurch entstehen ‒ pointiert formuliert ‒ zwei Kernfragen: Wie Sound auf einer klassischen CD entsteht, können wir mit herkömmlichen Herangehensweisen nicht beschreiben. Und wir haben innerhalb der Historischen Musikwissenschaft bisher kaum Möglichkeiten, das Verhältnis von Menschen und Technik im Tonaufnahmestudio zu beschreiben und zu analysieren, auch wenn wichtige Aspekte bereits ausgearbeitet wurden. Mein DFG-Projekt »Das Tonstudio als diskursiver Raum« (https://gepris.dfg.de/gepris/projekt/419911712) möchte dazu beitragen, diese Fragen für die Tonaufnahme im Bereich klassischer Musikzu beantworten. Auf der Basis von zahlreichen Produktionshospitationen in deutschen Tonstudios und in der hiesigen Tonmeisterausbildung wurden die Produktionsprozesse bei einer solchen Tonaufnahme unter Einbezug aller musikalisch und technisch Beteiligten sichtbar gemacht. Hierfür wird das Sprachhandeln der Beteiligten analysiert, aber auch das Entstehen von technischer Klangästhetik. Diskursanalytisch wird der Prozess der Bedeutungszuweisung beschrieben, insbesondere in Bezug auf Mikrofone, die ich als ,magische Gegenstände‘ auffasse. Ferner wird die Tonaufnahme in einer Zeitschriften- und Filmanalyse von außen betrachtet. Zugleich wurde versucht, Überlegungen zur Klangwissenschaft, die in der Historischen Musikwissenschaft bereits angestellt wurden fortzuentwickeln und für den Bereich der Tonaufnahme klassischer Musik nutzbar zu machen.

Versteht man Tonaufnahme als das Werk des Musikers und des Ingenieurs, liefert diese Herangehensweise eine Methode, um die Entstehung dieses Werks mittels ,Soundtechnologien‘ ‒ verstanden als künstlerisch-technischer Schaffensprozess ‒ angemessen zu beschreiben. So wird sichtbar, dass Musikproduktion ein doing und soziale Praxis ist. Und wir können beobachten, wie doing technology vor sich geht, wie also das Verhältnis zwischen Mensch und Technik ausgehandelt wird. Mein Projekt soll daher auch die immer noch im Fluss befindliche Diskussion zum Werkbegriff bereichern.

Projekt Team

  • Karin Martensen

Förderung

Deutsche Forschungsgemeinschaft (Projektnummer: 419911712)