Experimentalphysik/Elektronen- und Ionen-Nanooptik

Optik und Methoden der Off-axis Elektronenholographie

Einführung

Die Möglichkeiten des konventionellen Transmissionselektronenmikroskopie (TEM) werden dadurch eingeschränkt, dass in einem Elektronenmikroskop nur die quadrierte Amplitude der Elektronenwelle als Intensität aufgezeichnet wird, während ihre Phaseninformation verloren geht. Ganz nach Gabors Idee überwindet die Off-axis Elektronenholographie im TEM das Phasenproblem der Abbildung durch die Aufnahme eines objektmodulierten Interferogramms, des sogenannten Elektronenhologramms. Durch numerische Verarbeitung wird die quantitative Information der Elektronenwelle rekonstruiert und, im Falle der atomaren Auflösung, anschließend um Restaberrationen korrigiert, die zu Amplitude und Phase der Objektaustrittswelle führen. Da die Phaseninformation des Objekts ohne Übertragungslücken rekonstruiert wird, eröffnet sich ein weites, einzigartiges Feld sowohl für methodische Entwicklungen als auch für holografische Anwendungen in der Festkörperphysik, den Materialwissenschaften und der Chemie.

Spezielle Optik für Elektronenholographie

Mittels eines Möllenstedt-Biprismas, das eigentlich nur eine kleine Ergänzung zu einem FEG-basierten TEM ist, werden Referenzwelle und die objektmodulierte Austrittswelle zur Überlagerung gebracht, wobei auf dem Detektor ein Interferenzmuster entsteht, das sogenannte Off-axis Elektronenhologramm. Basierend auf den grundlegenden Überlegungen von Lichte [1] und Harada [2] bietet unser speziell entwickeltes FEI Titan 80-300 Holography Special Berlin TEM mit zwei Biprismen nach dem Bild-Cs-Korrektor eine höhere experimentelle Flexibilität zur Einstellung von Breite und Streifenabstand der Hologramme [3]. In diesem Doppelbiprisma-Aufbau, bei dem das erste Biprisma als Schatten dient und das zweite Biprisma in der Nähe seiner optimalen Position angeordnet ist, so dass sich Referenz- und Bildwelle überlagern, werden atomar aufgelöste Hologramme Streifenabständen von etwa 35 pm bei gleichzeitig hohem Streifenkontrast erzeugt. In Kombination mit einer verbesserten Stabilität des Instruments, geringerer Fresnel-Beugung und reduziertem Vignettierungseffekt wurde bereits eine vollständige Rekonstruktion der Objekt-Austrittswelle eines GaN-Kristalls bis zur Informationsgrenze von 75 pm des Instruments ohne Übertragungslücken nachgewiesen [4].

[1] H. Lichte, Ultramicroscopy 64 (1996) 79.
[2] K. Harada et al. Appl. Phys. Lett. 84 (1994) 3229.
[3] F. Genz u.a., Ultramicroscopy 147 (2014) 33.
[4] T. Niermann und M. Lehmann, Micron 63 (2014) 28.
Das Titan TEM wurde im Rahmen des DFG-Projekts INST 131/508-1 FUGG realisiert.

Hologrammaufnahme und statistische Auswertung

Durch Aufnahme einer Serie von Elektronenhologrammen mit 20 oder mehr Hologrammen und anschließender Rekonstruktion unter Berücksichtigung der Drifts von Probe und Biprisma über die gesamte Serie hinweg kann eine Bildwelle mit hohem Signal-Rausch-Verhältnis gewonnen werden, die für die weitere Auswertung sowohl bei mittlerer als auch bei atomarer Auflösung von Vorteil ist [1]. Auf der atomaren Skala werden durch den quantitativen Vergleich der vollständigen experimentell gewonnenen Bildwellen mit Wellenfunktionen, die im Rahmen von Simulationen zur Modellierung der Elektron-Objekt-Wechselwirkung und der Wellenausbreitung durch die Objektivlinse berechnet wurden, eine ganze Reihe wichtiger Proben- und Abbildungsparameter durch Least-Square-Anpassung ermittelt: Neben Probendicke, Ábweichungen von einer niedrig indizierten Zonenachse und Verzerrungsfelder werden Abbildungsparameter wie zweifacher Astigmatismus, Defokus und höhere Ordnungen extrahiert, die wiederum zur Korrektur von Restaberrationen verwendet werden. Folglich werden die experimentellen Unsicherheiten, die durch die ungenaue Kenntnis der Abbildungsparameter entstehen, stark reduziert, was eine Bewertung der Objektstruktur mit hoher Präzision ermöglicht.

[1] T. Niermann und M. Lehmann, Micron 63 (2014) 28.
Die Methodenentwicklung ist im Rahmen des DFG SFB 787 Teilprojekt A4 verfolgt worden.