Dauerlüften, Luftfilter – wie umgehen mit den Aerosolen in Innenräumen?

Prof. Dr.-Ing. Martin Kriegel ist Leiter des Hermann-Rietschel-Instituts der TU Berlin und forscht unter anderem an der Ausbreitung von Aerosolen: „Je nach Raumsituation entstehen spezielle Raumluftströmungen. Die dadurch entstehende Aerosolverteilung, kann man am besten einschätzen, wenn einem die wissenschaftlichen Hintergründe klar sind“, weiß der Forscher. Wie lüftet man eigentlich richtig, damit es tatsächlich zu einem effektiven Luftaustausch kommt? Was passiert mit den Viren, die über Aerosole in die Raumluft gelangen, wie lange bleiben sie dort und wie verteilen sie sich? Können Luftfilter helfen?

Zusammen mit seinem Team an der TU Berlin hat sich der Wissenschaftler darum bemüht, möglichst viele alltägliche Fragen rund um das Thema Aerosole und Belüftung zu sammeln und für die Öffentlichkeit verständlich zu beantworten.

Sein Fazit: „Entscheidend ist es, dass wir die bestehenden Regeln zum Lüften beachten. Sonderregeln sind derzeit noch nicht nötig.“

© Tobias Rosenberg

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Aerosole

Was sind Aerosole und wie groß sind sie?

Aerosole ist eine Art Kunstbegriff. Es handelt sich dabei um feste oder flüssige Partikel, die von der Luft getragen werden. Die Größe der Partikel, die Aerosole genannt werden, ist dabei nicht festgelegt. Es hängt lediglich davon ab, ob die Partikel sich mit der Luft bewegen oder ob sie durch die Schwerkraft nach unten fallen. Strömt die Luft sehr langsam, so wie in geschlossenen Räumen, dann sind Aerosole in der Regel etwas kleiner als 10 Mikrometer. Draußen bei kräftigem Wind werden auch Sandkörner oder Regentropfen sehr weit in der Luft getragen, so dass man diese dann auch Aerosole nennen könnte.

Was sind Tröpfchen?

Flüssige Partikel, die einen großen und dominanten Schwerkrafteinfluss haben, nennt man Tröpfchen. Ab einer Größe von 50 Mikrometer fallen diese in normalen geschlossenen Räumen in der Regel sehr schnell zu Boden. Tröpfchen sind für ein gutes menschliches Auge bereits sichtbar.

Wie verhalten sich Aerosole in der Luft?

Es gibt verschiedene Kräfte, die auf kleine Partikel wirken. Diffusion nennt man die eigenständige Bewegung von sehr kleinen Partikeln, die unabhängig von der Luftströmung stattfindet. Da auch kleine Partikel eine Masse haben, unterliegen sie der Schwerkraft und sinken zu Boden. Eine weitere Kraft, die auf kleine Partikel wirkt, ist die Luftbewegung im Raum, die die Partikel mit sich trägt. In ruhender Luft, also ohne jegliche Luftbewegung im Raum, sinkt ein Partikel der Größe von 10 Mikrometer etwa 3 mm pro Sekunde zu Boden. Die Luftgeschwindigkeit in einem Raum liegt jedoch durchschnittlich zwischen 50 mm bis 200 mm pro Sekunde. Der Vergleich zwischen Sink- und Raumluftgeschwindigkeit zeigt, dass die Luftgeschwindigkeit dominiert. Partikel, deren Bewegung hauptsächlich von der Luftgeschwindigkeit abhängt, nennt man Aerosole.

Wovon hängt es ab, wie sich Aerosole in der Luft bewegen?

Die Aerosole sind in ihrer Bewegung an die Bewegung der Luft gekoppelt. Es gibt zwei verschiedene Arten, wodurch es zur Luftbewegung im Raum kommt. Eine wird durch Wärmequellen erzeugt, die andere durch sogenannte erzwungene Luftbewegung. Letztere entsteht zum Beispiel durch Fensterlüftung, Lüftungs-/Klimaanlagen, Ventilatoren oder auch durch Personenbewegung.

An Wärmequellen steigt die Luft nach oben. Wenn Luft in einem Raum nach oben strömt, muss zwangsläufig an anderer Stelle wieder Luft nach unten strömen. Die Luftbewegungen können an jedem Ort in einem Raum anders sein. In der Regel gibt es immer eine Bewegung in alle drei Raumrichtungen. Menschen sind eine starke Wärmequelle in einem Raum und erzeugen mit die größte Luftbewegung.

Wenn die Luft gegen ein Hindernis oder eine Wand strömt, bleiben die Aerosole dann dort haften?

In der Regel nicht. Die Aerosole kommen nur geringfügig in Kontakt mit Oberflächen, da die Luft um ein Hindernis herum oder an einer Wand entlang strömt. Da die Aerosole dem Luftstrom folgen und ihre Massenträgheit sehr klein ist, bewegen sie sich mit der Luft und strömen ebenfalls um das Hindernis herum oder an der Wand entlang.

Können Aerosole, die auf Oberflächen landen, wieder in die Raumluft gelangen?

Nein, in der Regel nicht. Hängen diese kleinsten Partikel an einer Oberfläche, sind die Haftkräfte in der Regel so groß, dass es einer sehr großen, entgegenwirkenden Kraft bedarf, damit sie wieder in die Raumluft gelangen. Eine solche Kraft entsteht zum Beispiel, wenn man mit den Füßen am Boden entlangschleift oder mit den Fingern an einem Gegenstand reibt. In solchen Fällen können die Partikel wieder in den Luftstrom gelangen.

Wie ändert sich die Größe von flüssigen Aerosolen in der Luft?

Aerosole und Tröpfchen aus der Atemluft sind flüssige Partikel. Sie bestehen unter anderem aus Wasser, Proteinen und Salzen. Sie sind in der Regel wärmer als die Umgebungsluft und ein Teil des enthaltenen Wassers verdunstet dadurch sehr schnell. Innerhalb von wenigen Sekunden nach dem Austritt aus Mund oder Nase reduziert sich die Größe der Tröpfchen und der Aerosole jeweils etwa um die Hälfte. Damit werden also auch größere Tröpfchen schnell zu Aerosolen. Die Partikel nehmen sehr schnell die Temperatur der Umgebungsluft an, so dass der Verdunstungsprozess sich verlangsamt. Weil sich die Aerosole mit der Luft mitbewegen, also keine wesentliche Eigenbewegung haben, wird dieser Prozess noch weiter reduziert, bis sich eine Art Gleichgewicht einstellt und die Größe sich kaum noch verändert. Die verbleibende Verdunstung hängt dann noch von der Raumluftfeuchtigkeit ab. Je trockener die Luft, desto mehr Flüssigkeit verdunstet, je feuchter, desto weniger. Wenn die Flüssigkeit vollständig verdunstet ist, bleibt ein sogenannter Tröpfchenkern übrig, der eine Größenordnung von etwa 0,3 Mikrometer hat.

Wie groß sind Aerosole, die aus den Atemwegen in die Luft gelangen?

Das hängt von der Aktivität der betroffenen Person ab. Beim Atmen sind es ausschließlich sehr kleine Partikel mit einer Größe kleiner als fünf Mikrometer. Damit sind es ausschließlich Aerosole. Beim Sprechen und Singen können etwas größere Partikel hinzukommen, die dann in der Regel im Mund entstehen zum Beispiel durch sogenannte nasse Aussprache. 99 Prozent sind jedoch weiterhin kleiner als fünf Mikrometer. Beim Schreien, Husten oder Niesen entstehen deutlich mehr große Partikel über einer Größe von fünf Mikrometer. Dennoch dominieren auch dabei die kleinen Aerosole in ihrer Anzahl gegenüber den größeren Tröpfchen.

Wie viele Aerosole kommen aus der Atemluft?

Das hängt von der Aktivität der betroffenen Person ab. Beim Atmen stößt man im Mittel etwa 50 Partikel mit einer Größe kleiner als fünf Mikrometer pro Sekunde aus. Beim Sprechen sind es rund 200 pro Sekunden. Beim Singen sind es ungefähr 3000 Partikel pro Sekunde. Die Anzahl variiert aber sehr stark. Jede Person ist etwas anders, so dass auch schon beim Atmen 150, beim Sprechen 400 oder beim Singen 6000 Partikel pro Sekunde ausgestoßen werden können.

Viren und Aerosole

Wie viele Viren sind auf einem Aerosol/Tröpfchen?

Das ist wissenschaftlich noch nicht geklärt. Die Mediziner gehen derzeit davon aus, dass etwa jedes zehnte Aerosol ein Virus trägt. Es gibt jedoch auch Schätzungen, die besagen, dass jedes Aerosol ein Virus trägt.

Kann ich Aerosole und Viren messen?

Die Größe und die Anzahl von Partikeln in der Luft können gemessen werden. Dazu verwendet man zum Beispiel einen Laser Partikel Zähler. Da sich in der Raumluft in der Regel Millionen von Partikel befinden (Feinstaub, Hautschuppen, Fasern, etc.), die nicht aus der Atemluft kommen, lässt sich die Menge der Atemluft-Aerosole in einem normalen Raum nicht separat bestimmen. Solche Messungen können lediglich in den speziellen Reinräumen durchgeführt werden, wie sie an dem Hermann-Rietschel-Institut der TU Berlin existieren.

Die Anzahl von Viren in der Raumluft kann nicht direkt gemessen werden. Dazu benötigt man sogenannte Luftkeimsammler, die in speziellen Laboren ausgewertet werden müssen.

Wie große sind Viren?

Viren haben etwa eine Größe von 0,1-0,2 Mikrometer.

Wie lange überleben Viren auf Aerosolen?

Das ist in jedem Fall abhängig von den spezifischen Bedingungen. Daher gibt es aus der medizinischen Forschung noch keine abschließende Meinung. Die Wissenschaftler*innen der Charité Universitätsmedizin – Berlin , die mit uns zusammen arbeiten, gehen derzeit von einer Überlebensdauer von bis zu drei Stunden aus.

Wie lange überleben Viren auf Oberflächen?

Das ist in jedem Fall abhängig von den spezifischen Bedingungen. Daher gibt es aus der medizinischen Forschung noch keine abschließende Meinung. Die Wissenschaftler*innen der Charité Universitätsmedizin – Berlin , die mit uns zusammen arbeiten, gehen derzeit von einer Überlebensdauer von rund 72 Stunden aus.

Warum können mit Viren beladene Aerosole so gefährlich sein?

Aerosole sind so klein, dass sie den Weg direkt in die Lunge zu den sogenannten Alveolen (Lungenbläschen) gelangen, ohne in den oberen Atemwegen in einem nennenswerten Umfang aufgehalten zu werden. Sind diese Aerosole mit Viren behaftet, erreichen diese nahezu ungehinderten Zugang zu den Schleimhäuten und Blutgefäßen und können sich dort massiv vermehren und damit eine Infektion hervorrufen.

Reicht ein einziges Virus aus, um eine Infektion auszulösen?

Die genaue Menge an Viren, die notwendig ist um eine Infektion hervorzurufen, ist der medizinischen Wissenschaft noch nicht bekannt. Bei SARS-CoV-2 geht man derzeit davon aus, dass ein einziges Virus nicht ausreicht, sondern es einer bestimmten Menge an Viren bedarf. Die exakte Menge ist jedoch nicht bekannt. Eines ist jedoch unbestritten: Je mehr Viren eingeatmet werden, desto höher ist das Infektionsrisiko.

Maßnahmen

Wie bekomme ich virenbeladene Aerosole aus der Luft heraus?

Die erste Maßnahme sollte immer sein, Frischluft in den Raum zu lassen, damit die virenbeladene Aerosolkonzentration in der Atemluft möglichst niedrig ist. Je mehr Frischluft, desto stärker werden die virenbeladenen Aerosole in der Raumluft verdünnt. Frischluft sorgt auch allgemein für gute Luftqualität im Raum, denn es gibt auch andere Belastungen, die für uns negative Auswirkungen haben, wie zum Beispiel hohe Kohlendioxidkonzentrationen (CO2).

Daneben besteht die Möglichkeit, die Luft zu reinigen, also die Aerosole mit speziellen Filtern aus der Luft zu entfernen.

Was bedeutet gute Luftqualität?

Von guter Luftqualität spricht man immer, wenn die CO2-Konzentration unter 1000 ppm (parts per million) liegt. An diesem verbindlichen Wert orientieren sich auch die verschiedenen Richtlinien zur Luftqualität, wie zum Beispiel die Arbeitsstättenrichtlinie ASR 3.6, die in der Arbeitsstättenverordnung fest verankert ist. Je mehr Menschen in einem geschlossenen Raum sind, desto höher ist auch die Aerosol- und CO2-Konzentration in diesem Raum, da jeder Mensch beim Ausatmen kontinuierlich CO2 und auch Aerosole ausatmet. Die Außenluft hat in Deutschland etwa 400 ppm CO2.

Was versteht man unter schlecht gelüfteten Räumen?

Von schlecht gelüfteten Räumen spricht man, wenn die CO2-Konzentration über 1000 ppm liegt. Ab 2000 ppm wird der Raum - auf Basis der CO2-Konzentration - als hygienisch bedenklich eingestuft.

Wie lange muss das Fenster geöffnet sein, um eine gute Luftqualität zu erzeugen?

Das ist aus wissenschaftlicher Sicht nicht eindeutig zu beantworten. Wie viel Luft durch ein Fenster strömt hängt ab von der Temperaturdifferenz zwischen außen und innen, der Windgeschwindigkeit und -richtung, sowie der Öffnungsfläche des Fensters.

Die existierenden Lüftungsregeln vom Umweltbundesamt oder den Arbeitsstättenrichtlinien geben an, dass mindestens alle 20 Minuten für mehrere Minuten das Fenster voll geöffnet werden sollte (Stoßlüften). In wärmen Jahreszeiten kann/sollte das Fenster auch permanent geöffnet bleiben. Wenn möglich sollte eine Querlüftung hergestellt werden. Das bedeutet, dass Fenster und/oder Türen auf gegenüberliegenden Seiten geöffnet werden.

Wie groß muss die Frischluftmenge sein?

Um eine Infektion zu bekommen bedarf es einer bestimmten, von der Medizin aber noch unbekannten, Menge an Viren. Mit Frischluft erreicht man, dass sich weniger Viren in der Luft befinden. Daneben entscheidet auch die Aufenthaltsdauer darüber, wie viele Viren man einatmet. Die Frage nach der benötigen Frischluftmenge hängt also auch von der Aufenthaltsdauer ab. Auch die Raumgröße hat einen Einfluss, da sich die Viren ja über das gesamte Raumvolumen verteilen.

Eine Abschätzung der benötigten Frischluftmenge kann von Fachingenieuren angestellt werden.

Unter https://blogs.tu-berlin.de/hri_sars-cov-2/ haben die Wissenschaftler*innen Berechnungsmöglichkeiten für die benötigte Luftmenge verschiedener Räume veröffentlicht.

Wie viel Frischluft kommt durch ein geöffnetes Fenster?

Das ist aus wissenschaftlicher Sicht nicht eindeutig zu beantworten. Wie viel Luft durch ein Fenster strömt hängt von der Temperaturdifferenz zwischen außen und innen, der Windgeschwindigkeit und -richtung, sowie der Öffnungsfläche des Fensters ab.

Was sind CO2-Ampeln?

In den sogenannten CO2-Ampeln sind CO2-Sensoren verbaut, die kontinuierlich die CO2-Konzentration der Luft messen. Die Ampelfarben zeigen den CO2-Konzentrationsbereich an. In der Regel bedeutet grün: < 1000 ppm CO2, gelb: 1000 bis < 2000 ppm CO2 , rot: > 2000 ppm CO2. Es gibt verschiedene Modelle, die teilweise leicht unterschiedliche CO2-Grenzwerte hinterlegt haben.

Warum sollte ich CO2-Ampeln oder Sensoren einsetzen?

Mit der Kontrolle des CO2-Wertes bekommt man einen realistischen Eindruck darüber, wie gut ein Raum belüftet ist. Insbesondere bei Fensterlüftung haben Menschen oft einen falschen Eindruck von guter Luftqualität. Die Anzeige der CO2-Werte hilft dabei, ein angemessenes Lüftungsverhalten zu erlernen. Daher ist der Einsatz von CO2-Ampeln in Räumen mit Fensterlüftung sehr empfehlenswert

Kann ich mit Fensterlüftung eine gute Luftqualität erreichen?

Jein. In der meisten Zeit des Jahres ist das möglich, aber es ist nicht gesichert. Insbesondere in den kalten Jahreszeiten wird es nahezu unmöglich, gute Luftqualität durch Fensterlüftung herzustellen und gleichzeitig eine angenehme Temperatur zu bekommen. Im Sommer ist die Außentemperatur oft identisch mit der Raumtemperatur und es weht nur ein schwacher oder kein Wind, so dass sehr wenig Luft durch ein geöffnetes Fenster strömt.

Kann ein Ventilator helfen, der auf die Fensterbank bei geöffnetem Fenster gestellt wird, den Luftaustausch zu verbessern?

Nicht unbedingt. Durch ein Fenster strömt die Luft an sehr unterschiedlichen Stellen rein und raus. Ein Ventilator saugt ungerichtet aus allen Raumrichtungen die Luft an und bläst sie in eine bestimmte Richtung aus. Wenn die natürliche Luftströmungsrichtung - verursacht durch Temperaturdifferenz und Wind - nicht berücksichtigt wird und der Ventilator nicht richtig herum am richtigen Ort steht, dann kann es zu einem geringeren Luftaustausch oder sogar zu einer Kurzschlussströmung – verbrauchte Raumluft wird wieder in den Raum geblasen – kommen.

Was ist der Unterschied zwischen Fensterlüftung und einer Lüftungsanlage?

Eine Lüftungsanlage befördert automatisch Frischluft in den Raum. Bei einem Fenster ist es für den Raumnutzer unklar, wie viel durch das Fenster rein und raus geht und wie lange es geöffnet werden muss, um eine gute Luftqualität zu erreichen. Das ist vergleichbar mit einem Thermostat, dass eine Heizungsanlage steuert im Vergleich zu einem Ofen, der per Hand befeuert werden muss.

Sind Klimaanlagen Virenschleudern?

Hierzu muss der Begriff Klimaanlage erst einmal definiert werden. Die Fachingenieure kennen den Unterschied in der Bezeichnung. Man unterscheidet zunächst grundsätzlich drei Kategorien: 100 Prozent Frischluft, X Prozent Frischluft und Y Prozent Umluft und 100 Prozent Umluft. Alle Anlagen sind im Prinzip erst einmal keine Virenschleudern. Sobald ein Frischluftanteil vorhanden ist, verdünnt sich automatisch die Aerosolkonzentration. Anlagen, die einen Anteil Umluft nutzen oder zu 100 Prozent mit Umluft fahren, dienen an erster Stelle der Temperierung der Luft (erwärmen, abkühlen), nicht der Luftqualität. Alle Anlagen pusten mit einer bestimmten Geschwindigkeit Luft in den Raum und erzeugen so Luftvolumenstrom. Die Luftbewegung, die vom Menschen und den sonstigen Wärmequellen im Raum kommt, ist in der Regel immer größer als die Luftmenge die durch Anlagen bewegt wird. Aus diesem Grund verteilen sich die Aerosole auch ohne deren Betrieb sehr schnell im gesamten Raum. Die Luftbewegung durch Klimaanlagen (Lüftungsanlagen) überlagert sich mit dieser Luftbewegung und beschleunigen die Verteilung, was aber keinen Einfluss auf die grundsätzliche Verbreitung der Aerosole hat. Beides passiert innerhalb von ein paar Minuten.

Auch wenn eine Anlage mit 100 Prozent Umluft betrieben wird, hat es in der Regel keinen entscheidenden Einfluss auf die Verteilung der Aerosole. Die Anzahl der Viren im Raum bleibt gleich.

Also: Nein, Klimaanlagen sind keine Virenschleudern, Anlagen mit Frischluftzufuhr verringern die Aerosolkonzentration in der Luft und führen immer zu einer Minderung des Risikos.

Ist ein Umluftbetrieb von Lüftungsanlagen schlecht?

Hier ist zu unterscheiden, ob die Anlagen dezentral im Raum platziert ist, oder ob es sich um eine zentral im Gebäude aufgestellte Anlage handelt, die Luft aus vielen Räumen sammelt und dann wieder in alle Räume verteilt. Bei dezentralen Anlagen sind die Anlagen weder schlecht noch gut. Bei zentralen Anlagen werden Viren unter Umständen aus einem Raum aufgesammelt und dann mit der Luft sämtlicher anderer Räume gemischt und über klassische Feinstaubfilter wieder in die Räume verteilt. Dabei wird die Luft noch mit Frischluft gemischt. Die klassischen Feinstaubfilter scheiden etwa 50 Prozent der Viren ab. Wenn also eine Person im Gebäude infiziert ist, dann werden die von ihr ausgestoßenen virenbeladenen Aerosole mit einem sehr großen unbelasteten Anteil Luft vermischt (Luft aus den anderen Räumen und Frischluft) und noch gefiltert. Zwar werden die Viren in alle Räume verteilt, aber die Konzentration in der Luft ist sehr, sehr klein im Vergleich zu dem Raum, in dem sich die infizierte Person aufhält. Bei SARS-CoV-2 dürfte das Risiko, hierüber infiziert zu werden, sehr klein sein.

Was sind Filter?

Filter dienen dazu, Partikel aus der Luft abzuscheiden. Es existieren verschiedene Filterklassen, die eine bestimmte Partikelgröße effektiv herausfiltern. Klassisch sind in Lüftungsanlagen Feinstaubfilter verbaut, die etwa 50 Prozent der Aerosole abscheiden. Es gibt auch hochwertigere Filter, wie HEPA-Filter oder ULPA-Filter. Mit HEPA (H13/H14) Filtern lassen sich 99,9 Prozent der Aerosole abscheiden, so dass die gefilterte Luft als partikelfrei gilt.

Wie gut wirken Filter in Bezug auf Aerosole?

Klassische Feinstaubfilter filtern etwa 50 Prozent der Aerosole. HEPA (H13/H14) Filter entfernen 99,99 Prozent der Aerosole, so dass die Raumluft praktisch als partikelfrei gilt.

Kann die Luft mit Filtern gereinigt werden?

Ja, das kann man machen. Es empfiehlt sich jedoch unbedingt zuerst auf gute Luftqualität zu achten, weil allein damit das Risiko einer Infektion schon sehr stark gemindert werden kann. Gute Luftqualität ist ein Grundbedürfnis des Menschen und sollte sowohl draußen als auch drinnen gelten. Dennoch gilt natürlich auch stets: Je länger die Aufenthaltszeit, desto höher das Risiko, denn die Luft wird nie zu 100 % rein sein. Auch mit dem Einsatz von Filtern gelingt dies in normalen Räumlichkeiten nicht. Dies erreicht man nur in speziellen Reinräumen, so wie bei uns am Hermann-Rietschel-Institut der TU Berlin.

Können HEPA Filter in einer Lüftungsanlage einfach nachgerüstet werden?

Nein, weil die spezielle Vorrichtung zum Einbau nicht vorhanden ist und selbst wenn das möglich wäre, sich auch das Verhalten der Lüftungsanlage durch einen Einbau ändern würde. Es kann dann in der Regel weniger Luft transportiert werden.

Gibt es spezielle Möglichkeiten der Luftführung im Raum, die eine Ausbreitung der Aerosole verhindern?

Ja, das gibt es und wird in Bereichen eingesetzt, die absolute Partikelfreiheit benötigen. Hier zu nennen sind zum Beispiel Räume für Medikamenten- oder Computerchipproduktion aber auch spezielle Räume des Gesundheitswesens.

Ist es egal, wie und wo die Luft in den Raum kommt, Hauptsache es ist viel Frischluft?

Ja und Nein.

Ja: Frischluft ist sehr positiv. Bei Fensterlüftung wirken zwei gegenüberliegende offene Fenster besser als wenn nur auf einer Seite des Raumes die Fenster offen sind. Lüftungsanlagen führen die Frischluft in den Raum und es wird die verbrauchte Luft abgeführt. Die Fachingenieure und Anlagenbauer müssen geltende Regeln zum Planen und Bau berücksichtigen, so dass davon ausgegangen werden kann, dass die Frischluftzufuhr grundsätzlich funktioniert.

Nein, weil die Position der Zuluft in den Raum und die Position der Abluft aus dem Raum raus eine Auswirkung auf die Lüftungseffektivität hat. In einem Raum herrschen sehr selten überall identische Aerosolkonzentrationen. Es können sogenannten Rezirkulationsgebiete (schlecht belüftetet Raumbereiche) entstehen, in denen sich die Aerosole anreichern. Anders herum existieren Raumbereiche, die sehr gut belüftet werden. Das alles hängt von der Raumluftströmung ab, die von sehr vielen verschiedenen Faktoren beeinflusst wird. Hierzu sind in der Regel nur spezielle Expert*innen aus dem Bereich der Raumluftströmung aussagekräftig.

Welche Lüftungsart für normale Büro-, Klassen-, Veranstaltungsräume ist empfehlenswert?

Man unterscheidet zwischen der sogenannten Mischlüftung und Quelllüftung (Schichtlüftung). Bei Mischlüftung wird die Raumluft durch Anwesenheit von Wärmequellen (Menschen) und der Art der Lufteinbringung (in der Regel über Luftauslässe an der Decke) durchmischt. Im Idealfall sollte dann die Aerosolkonzentration an jedem Raumpunkt gleich groß sein. Die Aerosolkonzentration wird durch die Zufuhr von Frischluft verdünnt.

Bei Quelllüftung wird die Frischluft in Bodennähe eingebracht und es bildet sich eine Art Frischluftsee aus. An den Wärmequellen (zum Beispiel Menschen) strömt die Luft nach oben und sammelt sich unterhalb der Decke, wo sie abgesaugt wird. Diese Art der Luftführung ist effektiver als die Mischlüftung, da in der Aufenthaltszone der Menschen sehr gute Luftqualität herrscht.

Kann man Räume komplett von Viren befreien?

Ja und Nein.

Ja – in sehr speziellen Reinräumen können eingetragene Viren innerhalb von Sekunden aus dem Raum abtransportiert werden, ohne dass sie sich im Raum ausbreiten können.

Nein – in einem normalen Umfeld (Büro, Klassenzimmer, Kino, etc.) sind derart aufwändige Lüftungsinstallationen nicht möglich.

Wie lange dauert es, bis ein Raum von virenbeladenen Aerosolen frei ist, wenn er nicht verwendet wird?

Das hängt von der Frischluftmenge, dem Raumvolumen und der Zeit ab. Die Frischluftmenge kombiniert mit dem Raumvolumen nennt man auch Luftwechselrate. In einem maschinell belüfteten Büroraum ist die Luftwechselrate etwa zweifach. Das bedeutet, dass die Raumluft zweimal in einer Stunde mit Frischluft ausgetauscht wird. Das ist etwas irreführend, weil diese Aussage nicht direkt mit der Aerosolkonzentration gekoppelt werden kann. Es dauert bei einem zweifachen Luftwechsel etwa 2,5 Stunden bis die Aerosolkonzentration um 99 Prozent verringert wurde.

Masken/Visiere

Schütze ich mich mit Mund-Nasen-Schutz (MNS) oder Mund-Nasen-Bedeckung (MNB/Alltagsmasken) vor Aerosolen?

Nein, nicht nennenswert. Die Aerosole sind derart klein, dass sie teilweise durch den Stoff hindurchgehen, aber zu einem größeren Anteil an den Rändern vorbei. Ich atme sie also trotz des Tragens eines MNS/MNB ein. Hier helfen nur die sogenannten FFP2/3 Masken. Aber: Die Masken halten sehr wirkungsvoll die größeren Tröpfchen auf und die Aerosole werden zumindest umgelenkt. So entstehen keine Aerosolwolken, die gegenüberliegende Personen unmittelbar treffen könnten. Daher ist das Tragen von Masken sinnvoll und wichtig, wenn nicht ausreichend Abstand gehalten werden kann.

Schütze ich andere Menschen vor meinen Aerosolen mit Mund-Nasen-Schutz oder Mund-Nasen-Bedeckung (Alltagsmasken)?

Nein, nicht nennenswert. Etwa 90 % der Aerosole gehen über die Maskenränder trotzdem in die Raumluft. Aber: Die Masken halten sehr wirkungsvoll die größeren Tröpfchen auf und die Aerosole werden zumindest umgelenkt. So entsteht keine Aerosolwolke, die gegenüberliegende Personen unmittelbar treffen könnte. Daher ist das Tragen von Masken sinnvoll und wichtig, wenn nicht ausreichend Abstand gehalten werden kann.

Was bringen Gesichtsvisiere?

Gesichtsvisiere dienen vor allen Dingen dem Schutz vor größeren Tröpfchen. Aber auch Tröpfchen werden durch Visiere weniger gut aufgehalten als durch klassische Masken (MNS/MNB).

Welche Maske schützt mich und andere vor einer Ansteckung über die Atemwege?

Die sogenannten FFP-Masken (FFP2/3) schützen die tragende Person effektiv, wenn sie richtig verwendet wird. Das bedeutet, sie muss auf das Gesicht gepresst werden, damit keine Luft über die Ränder entweichen kann. Einige FFP-Masken haben ein Ventil, dass das Ausatmen erleichtert. Durch dieses Ventil entweicht die Luft und damit auch die Aerosole. Beim Einatmen schließt das Ventil automatisch und es wird durch den Stoff geatmet, der sehr wirkungsvoll die Aerosole abhält.

Welchen Schutz bieten Plexiglas-Trennwände im Büro, an der Kasse, etc?

Diese Art der Barrieren schützen im Wesentlichen vor Tröpfchen. Gegen Aerosole sind sie wirkungslos. Je nachdem, wie die Raumluft sich bewegt, können sie auf die Aerosolverteilung einen positiven aber auch einen negativen Effekt haben.

Risikobewertung

Wie ist das Risiko in Räumen gegenüber dem Aufenthalt draußen zu bewerten?

In geschlossenen Räumen reichern sich die Aerosole in der Raumluft an. Die Aerosolkonzentration kann durch Frischluftzufuhr verringert werden. Draußen werden die von Personen ausgestoßenen Aerosolwolken sehr schnell verdünnt, vom Wind verteilt und abtransportiert. Auch wenn es schwachwindig ist, sind die Luftgeschwindigkeiten draußen sehr viel höher als in Innenräumen.

Das Risiko in Innenräumen hängt davon ab, wie viele infizierte Personen sich aufhalten, wie lange sie im Raum sind, vom Raumvolumen, von der Frischluftmenge, die dem Raum zugeführt wird und von der Aufenthaltsdauer der gesunden Personen, die permanent die virenbeladenen Aerosole einatmen. Theoretisch kann man das Risiko berechnen, das haben die Wissenschaftler*innen in ihren Veröffentlichungen gezeigt. Es fehlen zur tatsächlichen Bestimmung jedoch entscheidende Daten: Die Anzahl der Viren auf einem Aerosol und die Anzahl der Viren, die für eine Infektion notwendig sind. Hier gibt es bis dato von medizinischer Seite keine Daten.

Grundsätzlich kann man Folgendes festhalten:

  • Je größer die Frischluftmenge, desto niedriger das Risiko.
  • Je größer der Raum, desto niedriger das Risiko.
  • Je kürzer die Aufenthaltsdauer, desto niedriger das Risiko.
  • Die Anzahl der Personen in einem Raum ist bei Wahrung der AHA Regeln nicht entscheidend. Bei dem aktuellem Infektionsgeschehen kann man zur Zeit von maximal einer infizierten Person in einem Raum ausgehen.

Wie ist das Risiko in einem Flugzeug zu bewerten?

Bei Flugzeugen kommt Frischluft in die Kabine, die ausreicht, um die CO2-Konzentration in einem noch akzeptablen Bereich zu halten. Ein großer Teil der Luftmenge, die der Kabine zugeführt wird, ist Umluft, die jedoch über HEPA Filter geführt wird und deswegen als partikelfrei gilt. Die Gesamtluftmenge (Frischluft + gefilterte Umluft), die nicht mit Viren beladen ist, ist sehr hoch, zum Beispiel im Vergleich zu einem typischen Großraumbüro in Gebäuden. Die virenbeladene Aerosolkonzentration ist sehr niedrig.

Negativ auf das Risiko wirkt sich dagegen die extreme Nähe der Personen untereinander aus. Dadurch steigt das Risiko, wenn man in der direkten Umgebung einer infizierten Person sitzt. Das Tragen von Masken ist daher sehr wichtig.

Wie ist das Risiko in einem Bahn-Waggon zu bewerten?

Es kommt ausreichend Frischluft für die Personen in den Raum, um die CO2-Konzentration niedrig zu halten. Die Frischluftmenge im Verhältnis zu einer infizierten Person ist sehr hoch, zum Beispiel im Vergleich zu einem typischen Großraumbüro in Gebäuden.

Negativ auf das Risiko wirkt sich dagegen die extreme Nähe der Personen untereinander aus. Dadurch steigt das Risiko, wenn man in der direkten Umgebung einer infizierten Person sitzt. Das Tragen von Masken ist daher sehr wichtig.

Wie ist das Risiko in einem Kino oder Theater zu bewerten?

Wenn der Raum maschinell belüftet wird, kommt ausreichend Frischluft für die Personen in den Raum, um die CO2-Konzentration und damit auch die Aerosol-Konzentration insgesamt niedrig zu halten. Die Frischluftmenge im Verhältnis zu einer infizierten Person ist sehr groß im Vergleich zu Räumen in anderen Gebäuden.

Negativ auf das Risiko wirkt sich dagegen die Nähe der Personen untereinander aus. Dadurch steigt das Risiko, wenn man in der direkten Umgebung einer infizierten Person sitzt. Das Tragen von Masken ist daher sehr wichtig.

Wie ist das Risiko in einem Klassenraum zu bewerten?

Klassenräume sind zu 90 Prozent ohne eine Lüftungsanlage ausgestattet, also fast ausschließlich über Fenster zu lüften. Da die Fensterlüftung nicht gesichert Frischluft in den Raum befördert und die Fenster in der Regel nicht oft genug geöffnet werden, ist der Aufenthalt in diesen Räumen mit einem höheren Risiko behaftet. Um ein besseres Lüftungsverhalten zu erreichen, ist der Einsatz von CO2-Ampeln empfehlenswert, um die ausreichende Frischluftzufuhr zu gewährleisten.

Negativ auf das Risiko wirkt sich auch der in der Regel sehr geringe Abstand der Schüler*innen im Klassenraum aus. Sitzt man in der Nähe einer infizierten Person, steigt das Risiko. Das Tragen von Masken ist daher sehr sinnvoll.

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